Das Ende der Hardseller - So verkaufen Sie erfolgreicher als die Konkurrenz - und das Internet

Das Ende der Hardseller - So verkaufen Sie erfolgreicher als die Konkurrenz - und das Internet

von: Michael Kunzl

Wiley-VCH, 2019

ISBN: 9783527821662 , 180 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 17,99 EUR

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Das Ende der Hardseller - So verkaufen Sie erfolgreicher als die Konkurrenz - und das Internet


 

Was können Sie, was der Hardseller nicht kann?


Der größte Feind des Verkäufers aus Fleisch und Blut ist nicht das Internet. Sein größter Feind sind schlechte Verkaufsmethoden. Damit schafft sich der Verkäufer sozusagen selbst ab. Für diese Erkenntnis braucht es keine wissenschaftliche Studie – Alltagsbeobachtung und eigene Erfahrungen sprechen eine deutliche Sprache. Hier ein mehr oder weniger willkürlich gewähltes Beispiel aus meiner jüngeren Erfahrung als Kunde:

»Sie sind ja ziemlich Old School, Herr Kunde!«


Ich habe mich zum Kauf einer elektrischen Zahnbürste entschlossen und betrete an einem Samstagvormittag die Filiale eines großen Elektromarkts, den auch Sie sehr wahrscheinlich kennen. Wenig später stehe ich ratlos in einer Regalzeile voller Zahnbürsten. Die Zahl der Modelle scheint endlos. Erfreulicherweise spricht mich ein junger Verkäufer an: »Darf ich Ihnen etwas zu den Zahnbürsten erzählen?« Auf mein »Ja« ergießt sich ein Schwall von Fachwissen über mich, der in eine Kaufempfehlung für eine App-gesteuerte Hightech-Zahnbürste für stolze 179 Euro mündet. Da kann ich beispielsweise morgens beim Zähneputzen auf meinem Handy-Display mitverfolgen, wo ich schon geputzt habe. Auf meine vorsichtige Frage, ob es das denn wirklich braucht, antwortet der Verkäufer wegwerfend: »Also, schon die Frage ist ja Old School. Ohne App geht es heute praktisch nicht mehr!« Auf meinen Einwand, die (weniger als halb so teure) Zahnbürste der gleichen Marke leiste (zahn)technisch ja dasselbe, hat er eine ebenso kurze wie drastische Empfehlung parat: »Also, auf die 100 Euro würd’ ich jetzt scheißen!«

Ich habe dann doch die günstigere Zahnbürste für die Old-School-Fraktion erstanden und so einem miserablen Verkäufer zähneknirschend ein halbes Erfolgserlebnis beschert. Der Angestellte hat sich null für meine Bedürfnisse interessiert (etwa für die naheliegende Frage, ob ich oft auf Reisen bin und ob die Bürste mit einem entsprechenden Akku ausgerüstet sein sollte). Stattdessen hat er mich mit Fachwissen erschlagen, von oben herab behandelt und als Krönung noch mit Fäkalsprache brüskiert. Vermutlich war er vom ersten Moment an entschlossen, mir das teure Supermodell zu verkaufen.

Wenn Sie so eine Geschichte in einer Runde von Menschen zum Besten geben, ist es wie bei Geschichten über die Deutsche Bahn: Jedem ist etwas Ähnliches, womöglich noch Ärgerlicheres passiert, und man verbringt die nächste halbe Stunde mit unterhaltsamer Jammerei über die Unbilden des Kundendaseins.

Anhauen, umhauen, abhauen? Wie man Kunden vergrault


Folgt man Verkaufsexperten, sollte die plumpe Taktik meines Zahnbürstenspezialisten eigentlich längst ausgestorben sein. Das Gabler Wirtschaftslexikon definiert »Hardselling« als »Form des persönlichen Verkaufs mit dem Ziel, potenzielle Kunden rasch zum Kauf zu bewegen, ohne weiter auf die Interessen des Kunden einzugehen« und warnt zu Recht, dieses Vorgehen könne die »langfristige Kundenbeziehung bzw. Kundenbindung gefährden«.2 Hardselling ist ein Kind der Siebziger- und Achtzigerjahre, in denen die Mangelwirtschaft der Nachkriegszeit allmählich einem großen Angebot an Waren und Dienstleistungen Platz machte. Die aus der Sicht des Anbieters komfortablen Verkäufermärkte verwandelten sich in Käufermärkte, in denen der Kunde die Qual der Wahl hatte. Um Kunden vom eigenen Angebot zu überzeugen, scheut(e) der Hardseller nicht vor zweifelhaften Verkaufstricks zurück: Suggestivfragen, Halbwahrheiten, psychologischer Druck, wie zum Beispiel durch künstliche Verknappung (»Dieses Angebot gilt nur heute!«), gehören zu seinem Repertoire. Der Blick dieses Verkäufers war fest auf den Abschluss gerichtet, im vollen Bewusstsein, dass mancher Kunde seine Entscheidung später bereuen würde. »Anhauen, umhauen, abhauen« wurde zum geflügelten Wort überzeugter Hardseller. Loriot hat dieser Verkäufergruppe mit dem Staubsaugervertreter für den »Heinzelmann«, dem Weinvertreter von Pallgruber & Söhne und einem Versicherungsvermittler, die gemeinsam die arglose Frau Hoppenstedt überrumpeln, ein satirisch überzeichnetes Denkmal gesetzt (»Weihnachten bei den Hoppenstedts«).

Dem Ansehen des Verkaufs haben solche Methoden nachhaltig geschadet. Autoverkäufer beispielsweise halten je nach Studie nur zwei bis 16 Prozent der Deutschen für vertrauenswürdig, berichtete das Magazin Brand eins (Mühlberger 2014). Und »Versicherungsvermittler« führt seit Jahren die Hitliste der unbeliebtesten Berufe an. 2018 sagten 45 Prozent der Befragten, diese Tätigkeit würden sie »auf keinen Fall« ausüben. In einigem Abstand folgten »Politiker« (für 30 Prozent unvorstellbar) oder »Reinigungskraft« (nur für 21 Prozent ein No-Go).3 Lieber putzen gehen als verkaufen? Dass der Verkauf ein derartiges Imageproblem hat, deutet darauf hin, dass die Mehrheit der Kunden auf plumpe Tricks und offensive Überrumpelungsversuche nicht (mehr) hereinfällt. Die Kunden sind heute aufgeklärter und kritischer als noch vor 30 oder 40 Jahren. Der eine oder die andere mag auch durch schlechte Erfahrung klüger geworden sein. Umso erstaunlicher ist es, dass es nach wie vor viele schlechte, zumindest aber desinteressierte und wenig kundenorientierte Verkäufer gibt. Denn das Hardselling ist ja nicht ausgestorben, auch wenn einige seiner Vertreter unter der Überschrift »neues Hardselling« dafür plädieren, stärker auf den Kunden einzugehen. Was steckt dahinter, wenn Verkäufer nach wie vor lernen, wie man Kunden qua »Salamitaktik« zum Kauf drängt (Dem Kunden viele kleine Jas entlocken, damit am Ende nahezu zwangsläufig das große Ja folgt), wie man sie durch Suggestivfragen weichklopft (»Sicher ist Ihnen wichtig, dass für Ihre Familie im Unglücksfall vorgesorgt ist?«) oder wie man sie durch Alternativfragen zur gewünschten Kaufentscheidung bringt (»Soll der Versicherungsschutz am 01.05. oder am 01.06 starten?«, »Wollen Sie das Modell lieber in Rot oder in Blau?«)? Mir fallen da drei Antworten ein:

  • mangelndes Vertrauen in den Kundennutzen des eigenen Angebots,
  • geringes Interesse an Menschen und Unwilligkeit, sich wirklich mit dem Kunden zu beschäftigten,
  • mangelnde Souveränität und kommunikative Unsicherheit, die Zuflucht zu vermeintlich »einfachen« Tricks nehmen lässt.

Wer im »Rahmenlehrplan für Ausbildungsberufe« unter »Kaufmann/Kauffrau im Einzelhandel« nachschaut, den wundert zumindest der letzte Punkt nicht mehr. Das Thema »Verkaufsgespräche kundenorientiert führen« wird dort mit 80 Stunden im ersten Ausbildungsjahr abgehandelt – 80 von insgesamt 880 Stunden.4 Nur 9 Prozent der Ausbildungszeit werden also für die alltägliche Kernaufgabe des Berufs verwendet, und selbst das dort Vermittelte scheint mancher wieder vergessen zu haben, wenn er sich am Ausbildungsende durch Themen wie Lagerwirtschaft oder Personaleinsatz geackert hat. Wer sich nicht für Menschen und ihre Wünsche interessiert, wird sich im Verkauf schwertun. Und wer ein Produkt mit fragwürdigem Kundennutzen vertreibt – die sprichwörtlichen Kühlschränke in Alaska –, sollte sich ernsthaft fragen, ob er seine Lebenszeit am richtigen Platz investiert. Ohne das Beispiel über die Gebühr strapazieren zu wollen: Die begabte Verkäuferin in meiner Lieblingsbäckerei (siehe Einführung) ist dem Hardseller in allen drei Punkten um Längen voraus: Sie steht hinter ihrem Angebot (»Haben Sie schon unseren frischen Zwetschendatschi gesehen?«), sie interessiert sich für Ihr Gegenüber (»Das ist jetzt nicht, was Sie sich vorgestellt haben?«) und sie geht gekonnt mit Kunden um (»Wenn Sie mir eine Minute Zeit geben, belege ich Ihnen gerne eine frische Vollkornsemmel!«). Ich bin überzeugt: Hätte sie ihr Lebensweg statt hinter die Theke einer Bäckerei in die IT-Beratung oder in den B2B-Vertrieb von Backautomaten geführt, wäre sie ähnlich erfolgreich. Und auch dort würde sie Kundentreue statt Kaufreue bewirken.

Verkaufen heißt verkaufen? Wie man austauschbar wird


Traditionelles Hardselling ist abschlussfixiert: Hauptsache, der Kunde hat gekauft, nach mir die Sintflut. Auch die weichere »neue« Variante des Hardselling betont den Abschluss: Der sei schließlich der eigentliche Zweck des Verkaufs und werde in anderen Verkaufsphilosophien häufig vergessen. Beratung sei ja gut und schön, aber am Ende zähle der Verkaufserfolg. Ich halte diese Gegenüberstellung von abschlussorientierten (alten wie neuen) Hardsellern und abschlussvernachlässigenden Beratungsverkäufern für künstlich. Jeder, der im Verkauf oder Vertrieb tätig ist, möchte am Ende erfolgreich verkaufen. Fehlt diese Motivation, wird er sich bald einen neuen Job suchen müssen. Die entscheidende Frage ist vielmehr: Was stelle ich als Verkäufer in den Mittelpunkt? Richte ich meine Aufmerksamkeit auf meine eigene...