Witzig! Wahnsinnig? Weggesperrt! - Tagebuch eines manisch-depressiven Ex-Komikers

von: Hansi Hackfresse

BookRix, 2013

ISBN: 9783730961131 , 84 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 8,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Witzig! Wahnsinnig? Weggesperrt! - Tagebuch eines manisch-depressiven Ex-Komikers


 

Der Anfang


Es ist dunkel und warm. Ich fühle mich gut. Nichts kann mir passieren. Dieses Gefühl der Sicherheit werde ich nie vergessen. Plötzlich eine Erschütterung. Ich rutsche und schlittere nach unten. Das gleißende Licht blendet mich noch für Minuten. Dabei bin ich mehr mit Schreien beschäftigt. CUT.

Der Arzt durchtrennt meine Nabelschnur:1971

Woher ich komme? Aus dem Penis meines Vaters.

 

1973

Oma sieht mich um den Tisch rumlaufen und ´Tong,Tong!` sagen. Gemeint war nicht Gin Tonic, sondern der Karton. Mist, schon mit 2 ein Nuschel-Problem.

 

1977

 Draußen rennen Kinder herum. Spiele mit Nachbarskindern mit (L)EGO(shooter?). Richtig Freunde habe ich nicht. Wie heißt es noch: Die Freunde deiner Freunde sind deine Feinde. Im großen Kasten, der mich mit Leben erfüllt, bewundert ich die kleine gelbe Figur, die sie Willy nennen. Er redet immer so witzig. Ich rede nicht viel. Meine Mama ruft: „Fu“, zum Kuchenessen. Jetzt sitze ich am Tisch und muß mir Witze der anderen über mich ergehen lassen. Oft werde ich wegen meines dicken Bauches geärgert. Mein Papa interessiert sich nicht für mich und kommt mir nicht zur Hilfe. Das ist nicht gerade gut für mein Selbstbewusstsein und prägt mich für den Rest meines Lebens. (Papa nenne ich künftig „Samenspender“)

Ich werde eingeschult. „Boah, ist das aufregend!“, denke ich. Ich stehe mit einer Schultüte (rauche sie nicht :) in der Gegend herum, um mir herum viele fremde Gesichter. Ich habe Angst. In der Klasse bekomme ich einen Platz zugewiesen. Der Lehrer ruft mich nach vorne. Ich erröte wie so oft. Ich entdecke erstmals meine künstlerische Ader: mit großen Strichen male ich ein A an die Tafel.

  

1978 (oder so)

 Meine Mutt dreht Fleisch durch den Fleischwolf, um leckeres Hack zu machen. Ich bin dumm und stecke schnell meinen Mittelfinger meiner rechten Hand rein, um was davon zu erwischen. Aua! Im Krankenhaus habe ich dann meine ersten anarchischen Züge und zeige allen meinen verarzteten Mittelfinger und sage „Fleischwolf!“. Seit dem habe ich einen komischen Fingernagel. Gutes Erkennungszeichen. Genau wie den „großen Wagen“ auf meiner Brust!

  

1979

 Großer Schneesturm, auch in der 600 Seelen-GEMEINde , in der ich aufwuchs. Ich will zu meiner Tante Erika. Nach hundertdreizehn Minuten gebe ich die Expedition auf.

 

Der Samenspender arbeitet viel (als Schlosser); wenn er dann mal Zeit hat, dann schaut er lieber den ganzen Abend fern. Und wenn ich ihm mal helfen soll, dann stelle ich mich blöde an. Habe 2 linke Hände und alles Daumen. Niemals lobt er mich. Wenn ich ungehörig bin, dann gibt es einen Arschvoll. Da ist er richtig gut drin. Er gibt mir das Gefühl, dass ich nichts wert bin. Geborgenheit geht anders. Mama hat sehr viel Geduld mit mir. Verbringe eher Zeit mit ihr .

 

 1980

 Jetzt bin ich schon in der vierten Klasse. Ich bin der reinste Clown. Der Lehrer rennt ganz nach hinten und kneift mir in den Arm. Im Zeugnis steht: „Durch mehr Mühe könnte er das unschöne Äußere seiner Arbeiten wesentlich aufwerten. Er hat keine Probleme im Klassenverband“, weil ich von ihm ausgeschlossen wurde, nämlich in den Schrank.

 

1981

 In der fünften Klasse der Realschule bin ich der, der sich nach vorne setzt(den Rest entnimmt der geneigte Leser bitte aus Casper's „So perfekt“. Stimmt alles, bis darauf, dass ich in keiner Tonne steckte und das es nicht mein Tag war, 20 Jahre lang). Die Lehrerin sitzt auf dem Pult. Mein Schulkollege und ich schmeißen Stifte runter, um sie aufzusammeln und ihr dabei unter den Rock zu gucken. Tolles, weißes Höschen. Ich war wohl wegen dem Anblick so unkonzentriert, dass ich schließlich mit drei Fünfen, unter anderem in Englisch, in die Hauptschule versetzt wurde. Einmal drängen mich die Jungs der Klasse in die Ecke. Alle stehen sie um mich herum. Drei Schlag eine Mark. Wie auf dem Jahrmarkt. Jeder kommt mal dran und haut mir ein paar rein. BAMM, gibt es einen in den Magen. BAMM einen auf den Oberkörper. Und das nur, weil ich auf der Realschule war? Wäre ich Spider-Man ™, dessen Hefte ich mir immer im Dorfkiosk holte, dann könnte ich sie einspinnen. Ich wehre mich nicht, weil ich es nicht noch schlimmer machen möchte. Als die Klassenlehrerin mich sieht, fragt sie, wer das war. Die Klassensprecherin petzt. Ich bin ihr dankbar. Jetzt spiele ich sogar in der Fußballmannschaft mit. Ich war gut. Auf der Ersatzbank. Ich wurde auch immer gut moti- viert. Besonders einen Tag, als ich an der Bushalte stand und der Trainer mit einem vollbesetzten Wagen kam. Er sagte, er hätte genug Spieler und das er mich nicht bräuchte. Ich ging heulend nach Hause. Zwei Wochen später lag ich samstags im Bett und hörte mir Willem an, Welle Nord (ja, genau!). Es klingelte an der Tür. Sie hatten zu wenig Spieler. Schade.

 

Samenspender und ich schauen sich ´Flucht von Alcatraz´ mit Clint an. Clint ist echt ein harter Typ. Ich muss zu Bett gehen, will ihm wie immer einen Gute-Nacht-Kuß auf die Wange geben. Er sagt: „Bist du dafür nicht bald zu alt?“

An dem Tag ist etwas in mir gestorben.

 

In der sechsten wird eine Geschichte gelesen. Mike und ich lesen schon ein wenig voraus. Wir stolpern über die Textzeile: ‚Das Eichhörnchen sprang herum mit seinem dicken buschigen Schwanz.’ Wir lachen uns hinter vorgehaltener Hand schlapp. Plötzlich will Frau Andersen einen anderen Leser rannehmen. Ich denke nur:

“Bitte nehme mich jetzt nicht dran!“, aber ich komme dran. Ich fange an zu lesen und kriege die Textzeile auch ohne Grinsen hin, aber Mike flüstert:“ MIT SEINEM DICKEN BUSCHIGEN SCHWANZ!“ Ich heule laut auf. Die Lehrerin meint: “Kannst du dir nichts unter einem dicken buschigen Schwanz vorstellen?“ Ich kann. Eintrag ins Klassenbuch.

 

Fahre mit meiner Oma auf den Jahrmarkt. Bekomme 20,-- DM. Fahrgeschäfte interessieren mich nicht so sehr. Stecke mein ganzes Geld in Videospielautomaten wie Donkey Kong, Dig Dug und Gyros. Ich bin verliebt.

Die Währung der Zukunft. Credits.

 

1982 (oder so)

In einem Spielzeugladen sind Atari VCS (Videospiel-systeme) aufgestellt. Kinder (wie ich) stehen schon morgens vor dem Laden in der Schlange, um auch mal Pac-Man spielen zu dürfen. Jörg, ein Freund von mir, hat sogar ein Gerät zu Hause stehen. Dort spielen wir ab und zu Pac-Man und Vanguard.

 

1983

Sehe einen Chaplin-Film. Als er am Ende einsam eine Straße entlanggeht, fange ich an zu weinen. Filme berühren mich mehr, als das wahre Leben.

Bei der Schuldisco sehe ich, wie die anderen tanzen. Ich stelle mich auch auf die Tanzfläche und versuche das auch(...mit beiden Beinen neben dem Beat!). Sie lachen mich aus und veralbern mich, weil ich nicht so tanze wie sie. Kriege einen roten Kopf und versuche, die anderen zu ignorieren. Klappt auch heutzutage noch.

Esse mit einem Kollegen den Rest Apfelkuchen. Als wir die Hälfte runter haben, drehe ich zufällig den Kuchen um: der Boden ist grün. Nein, nicht gerade lecker und nein, ich glaube nicht, dass wir den noch aufgegessen haben.

 

1984

 In der siebten Klasse sind Bundesjugendspiele. Ich schaffe es nicht mal, über den bescheuerten Bock zu springen und fange an zu heulen. Mache bei der Theater-AG mit.

J. hat mich früher oft geärgert. Einmal ging er zu weit und ich habe mich mit ihm geprügelt. Der Kampf war nicht besonders spannend, wir standen uns wohl eine Stunde mit erhobenen Fäusten gegenüber und ich habe dreimal zugeschlagen. Aber darum ging es nicht. Ich hatte mich das erste Mal gewehrt.

Eines Tages liege ich mit Nachbarskindern am Lürschauer ´Strand´. Im Wasser schwimmt ein Mädchen auf der Luftmatratze herum. Wir raufen um die Luftmatratze und zwei Minuten später sind wir wild am Knutschen. Am Strand küssen wir weiter und verabreden uns für übermorgen.

Dienstag: Derrick und ich machen eine Videosession. Sie kommt. Ich tue so als ob ich nicht da wäre.

Warum mache ich das nur?

 

1985

 Probe zwei Wochen vorher wild die Texte zu einem Theaterstück, in dem ich die Hauptrolle spiele und das vor den ganzen Eltern, auch meinen, aufgeführt werden soll. Die Geschichte ist völlig aus der Luft gegriffen:es geht um einen Jungen, der durch eine Kontaktanzeige seine erste Freundin kennenlernt. Jemand hat dieses Theaterstück aufgezeichnet. Ich will den Film. Zerstören. Denn: ich komme herein mit hochrotem Kopf, will mein schotticke hellblaue Jacke aufmachen und bemerke, dass sich der Reißverschluß keinen Zentimeter rührt. Gelächter beim Publikum. Ziehe sie über den Kopf aus. Dann vergesse ich den Text und die ‚Friseuse’ kann mir auch keinen zuflüstern, so improvisiere ich, wo es nur geht.

Habe mittlerweile einen Commodore-64 und zocke soviele Games, das mir die Augen schmerzen. Praktisch meine gesamte Freizeit. In den Schulferien stehe...