Die Psychologismus-Kontroverse

von: Werner Loh, Margret Kaiser-el-Safti

Vandenhoeck & Ruprecht Unipress, 2011

ISBN: 9783647452036 , 142 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 25,00 EUR

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Die Psychologismus-Kontroverse


 

"Briefwechsel (S. 111-112)

Margret Kaiser-el-Safti und Werner Loh

Lieber Herr Loh,
Sie bezeichnen Ihren für mich sehr erhellenden Beitrag nur als eine Vorstudie in der Absicht, Ihren Standpunkt in der zur Diskussion stehenden Sache nicht als abgeschlossen zu betrachten, wofür sie von philosophischer Seite ja ausgegeben wurde; wir haben dagegen beide die Vieldeutigkeit des Phänomens und „die Vielfalt des Wortgebrauchs“ in der Debatte moniert, die auf weiteren Klärungsbedarf deutet. Die Bereitschaft zur Offenheit möchte ich meinerseits unterstreichen, jedoch zunächst meine Erleichterung darüber ausdrücken, dass Sie, gerade aus Ihrer logisch argumentierenden Position heraus, dem Antipsychologismus keine Siegerchance einräumen. Ihre differenzierten Ausführungen über Widersprüche in Grundlagenfragen der sogenannten „Klassischen Aussagenlogik“, Ihre Stellungnahme, dass eine (nur) an der Form (z. B. der Syntax) orientierte Logik zur Entmündigung tendiert, erscheinen mir als sehr bedenkenswert.

Dass man heute noch dem Platonismus in der Logik Tribut zollt oder, wie Edmund Husserl meinte, „ideale Spezies“ könnten ebenso „erschaut“ werden, wie man konkrete Dinge wahrnimmt, kann ich nicht nachvollziehen. („Wesensschau birgt nicht mehr Schwierigkeiten oder ‚mystische Geheimnisse‘ als Wahrnehmung“, vertritt Husserl 1981, S. 39, doch eher suggestiv als begründet.)

Ihr Plädoyer für einen reflexiven Umgang mit Disjunktionen, ohne auf prinzipiell nicht zu erreichende Vollständigkeit (Unendlichkeit) zu insistieren, Irrtümer einzuräumen, statt auf Gehorsam wie immer zu definierenden Autoritäten gegenüber zu pochen, haben mich begeistert. Ihr entschiedenes Eintreten dafür, die Befähigung zu stärken, Disjunktionen im Sinne von sachlich relevanten Alternativen zu reflektieren und für Entscheidungen nutzbar zu machen, beleuchtet meines Erachtens wertvolle didaktische und pädagogische Möglichkeiten, anders als in der Tradition des 20. Jahrhunderts mit „Logik“ umzugehen, und diese, ähnlich wie Anhänger des „Kritischen Rationalismus“ befürworten, auch für den rationalen Umgang mit Alltagsproblemen fruchtbar zu machen.

Die Logik kommt in Ihren Ausführungen also nicht zu kurz; aber müsste man nicht vielleicht radikaler vorgehen in Hinblick auf das Konstrukt „Psychologismus“? Sie stellen sich auf den Standpunkt, dass die Kontroverse „Antipsychologismus versus Psychologismus“ nicht als „Abgrenzungsproblem von Disziplinen“ aufzufassen sei (am Anfang Ihres Kapitels über Mündigwerden), was ich ja sehr wohl vertrete.

Sie begründen Ihren Standpunkt damit, das die Situation, einer beträchtlichen Mehrdeutigkeit bezüglich der rationalen Bewältigung von Welt ausgesetzt zu sein, ein uraltes Menschheitsproblem sei, und, wenn ich Sie richtig verstanden habe, nicht das Problem dieser oder jener wissenschaftlichen Disziplin sein könnte. Ich würde zustimmen, wenn nicht bestimmte psychologiefeindliche Philosopheme (wie die kantische Philosophie) tief in die Alltagskultur eingegriffen hätten. Aus einer wahrhaft aufgeklärten Perspektive lässt sich Ihrer (und meiner) Meinung nach selbst (oder gerade) hinter einem, der „Kritik einer reinen Vernunft“ unterstellten Aufklärungsgestus immer noch die Notwenigkeit ableiten, einer sakrosanten Autorität Gehorsam zu verschaffen."