Deutsches Know-how für russisches Öl? Perspektiven und Potentiale des Transfers von Wissensprodukten in den deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen

von: Juliane Partsch

Diplomica Verlag GmbH, 2008

ISBN: 9783836609012 , 77 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: frei

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Preis: 33,00 EUR

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Deutsches Know-how für russisches Öl? Perspektiven und Potentiale des Transfers von Wissensprodukten in den deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen


 

Kapitel 6., Stärken und Schwächen der russischen Wirtschaft:Die Betrachtung der Russischen Föderation anhand der acht Elemente des integrierten 7-S-Modells hat sowohl Kernkompetenzen als auch organisationale Defizite bzw. Handlungsfehler identifiziert. Davon ausgehend können allgemeine Aussagen zu den Stärken, Schwächen, Gefahren und Chancen bezüglich der globalen Wettbewerbsfähigkeit der russischen Wirtschaft im Kontext gegenwärtiger Wissenselemente geschlussfolgert werden. Als Hilfe zur Darstellung dient die Beschreibung ausgehend von Wissens- und Lernbarrieren, Lernhemmnissen sowie Systemarchetypen. Die Stärken der russischen Wirtschaft liegen insbesondere in den vorhanden Ressourcen des Landes. Aufgrund seines Rohstoffreichtums an fossilen Brennstoffen, Metallen und weiteren natürlichen Ressourcen ist Russland international konkurrenzfähig und nutzt die Rohstoffabhängigkeit vieler Industriestaaten zunehmend auch politisch aus. Der international steigende Ölpreis und der anhaltend starke Rohstoffboom erhöhen die Staatseinnahmen enorm und finanzieren damit zum Teil den Weg des Landes aus der gesamtgesellschaftlichen Krise. Die spürbare Verbesserung der Lebensverhältnisse in den vergangenen Jahren führt in der Bevölkerung zu einer steigenden Nachfrage im Verbraucherbereich. Russland ist ein starker Wachstumsmarkt und daher, auch aufgrund niedriger Lohnkosten, für ausländische Unternehmen interessant. Zudem sind die russischen Arbeitskräfte zum Teil hoch motiviert, krisenerprobt und sehr gut ausgebildet, besonders im Hinblick auf die naturwissenschaftlich-mathematischen Wissenschaften. Neben dem hohen Bildungsstandard in den Fundamentalwissenschaften als Hinterlassenschaft der Sowjetunion wirken sich auch die gut ausgerüstete technologische Infrastruktur, die den Anschluss Russlands an die internationalen Entwicklungen im Hochtechnologiebereich erleichtert, und die internationale Positionierung der Sowjetunion, die Ausgangspunkt der russischen internationalen Position ist, positiv aus. Dadurch, dass der russische Technologiebereich nach wie vor ein hohes Niveau hat, sind derartige Waren aufgrund niedrigerer Marktpreise für Schwellen- und Entwicklungsländer als Importprodukte interessant. Die Positionierung russischer Waren auf dem Weltmarkt und der politische und wirtschaftliche Einfluss Russlands in einigen Weltregionen werden zum Teil durch erhalten gebliebene Absatzstrukturen erleichtert.Sowjetische und auch zaristische Hinterlassenschaften können aber auch als Gründe für latente Schwächen im heutigen Russland angeführt werden, die durch die Transformationssituation in den 90er Jahren zum Teil weiter verschärft wurden. Die größte Schwäche in der russischen Wirtschaft und das größte Hindernis für ein freies Unternehmertum sind die vorherrschende Rechtsunsicherheit und die bereichsübergreifende Korruption. Diese werden unterstützt durch informelle und undurchsichtige Strukturen und ein kultiviertes Informations- und Kommunikationsdefizit. Dem entsprechend lassen sich laterale und horizontale Informationsfilter, Machtverteilung und Partizipationsregeln und Kooperationskonflikte als kollektiv-strukturelle Barrieren und Hemmnisse in der Wirtschaft identifizieren. Hinzu kommt die Gefahr einer antrainierten Unfähigkeit, defensiver Routinen und die alleinige Konzentration auf die eigene Position des Mitarbeiters. Unterstützt wird dieser traditionelle Infantilismus der Untergebenen durch das autoritäre Regime Putins, welches den starken Staat propagiert und sozusagen den „Mythos vom Managementteam“ vorlebt. Weitere mögliche Wissensbarrieren, die ihre Ursprünge in vergangen kulturellen Sozialisationsprozessen und in den politischen Konstellationen des Systems haben, sind beispielsweise „Audience Learning“ und damit verbunden ein fehlendes bzw. wenig ausgeprägtes Analyse-, Urteils- und Anwendungsvermögen, „kollektiver Rollenzwang“ und ein verbreitetes Lernen unter Realitäts- und Aufklärungsdoktrinen als Hinterlassenschaft kommunistischer Ideologie. Weiterhin lässt sich beobachten, dass seitens der Regierung eine „Überbetonung einer Einheitskultur und Binnenorientierung“ erfolgt und versucht wird durch vorgegebene „russische“ Mythen und Traditionen die kulturelle Diversität zu beherrschen. Im Hinblick auf die Größe und den Rohstoffreichtum Russlands, die international ja ein klarer Wettbewerbsvorteil sind, und dem beschriebenen nachlässigen Umgang mit den Ressourcen und deren konsequenter Ausbeutung lässt sich der Systemarchetyp der „Tragödie der Gemeingüter“ beobachten, der auch auf andere Bereiche überspringt. Bezüglich der wirtschaftlichen Struktur des Landes wird das beispielsweise am immensen Modernisierungsbedarf des oftmals ehemaligen kollektiven Eigentums deutlich. So gibt es in geringem Maße Kapital und eine gut funktionierende Infrastruktur ist nur in den wenigsten Regionen zu finden. In den nach wie vor sowjetisch geprägten Städten gibt es noch keine bzw. nur sehr wenige Büro- und Gewerbekomplexe bzw. es besteht ein Mangel an bezahlbaren Gewerberäumen. Die derzeitigen finanziellen und infrastrukturellen Hemmnisse behindern die Entwicklung einer ohnehin bisher vernachlässigten mittelständischen Unternehmerschicht, die darüber hinaus mit negativen Rahmenbedingungen des Systems zu kämpfen hat.