Sonderpädagogik zwischen Wirksamkeitsforschung und Gesellschaftskritik

von: Désirée Laubenstein, David Scheer

Verlag Julius Klinkhardt, 2017

ISBN: 9783781555976 , 326 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 17,90 EUR

Mehr zum Inhalt

Sonderpädagogik zwischen Wirksamkeitsforschung und Gesellschaftskritik


 

Sandra Schütz, Folke Brodersen, Sandra Ebner, Nora Gaupp
Wie inklusiv ist die empirische Jugendforschung? Aktuelle deutsche Jugendstudien und die Dimension Behinderung (S. 85-86)

Zusammenfassung: Die empirische Jugendforschung verfolgt das Ziel, die Lebenslagen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen darzustellen und daraus Ableitungen für Wissenschaft, Fachpraxis, Gesellschaft und Politik zu treffen. In diesem Beitrag wird der Frage nachgegangen, wie aktuelle Jugendforschung sich dabei zur Dimension Behinderung verhält. Hierzu werden exemplarisch vier repräsentativ angelegte Jugendstudien bezogen auf Zugänge, Stichprobenkonzepte, Lebensweltbezug sowie Befragungsmethoden diskutiert. Die Ergebnisse zeigen, dass Jugendliche mit Behinderung Gefahr laufen, ausgeschlossen zu werden bzw. wenn sie erfasst werden, nicht ausreichend identifizierbar sind. Ebenso bilden Befragungsinhalte an einigen Stellen die Lebenswelt von Jugendlichen mit Behinderungen nicht genügend ab und Befragungsmethoden und -instrumente scheinen in Teilen für die Möglichkeiten von Jugendlichen mit Behinderungen ungeeignet zu sein. Für eine inklusivere Jugendforschung bedarf es daher einer Forschung, welche angemessene Zugänge und Stichprobenkonzepte klärt und Methoden entwickelt, die Jugendlichen mit unterschiedlichen Formen von Behinderungen eine Beteiligung an Empirie erleichtert.

1 Ausgangslage

Die empirische Jugendforschung zielt auf die Erhebung und Darstellung der Lebenslagen und der Lebensführung Jugendlicher, ihrer Praxen, Einstellungen, Werte und Normen ab. Die zunehmenden Bemühungen um gesellschaftliche Teilhabe von Jugendlichen mit Behinderung produzieren nicht zuletzt einen Bedarf an Wissen. Daher sind Fachpraxis und Politk vermehrt auf Informationen über Wünsche und Belange von Jugendlichen mit Behinderung angewiesen, um passgenaue Angebote bereitstellen zu können. Der vorliegende Beitrag geht davon aus, dass eine inklusive Forschung an die Erfahrungen der empirischen Jugendforschung anknüpfen muss, um nicht bestehende Potentiale zu verschenken. Zu fragen ist deshalb: Wie inklusiv ist die empirische Jugendforschung in Bezug auf die Dimension Behinderung aktuell? Zur Beantwortung sollen exemplarisch ausgewählte Jugendstudien herangezogen werden, die an dieser Stelle in entsprechenden Ausschnitten betrachtet werden. Darunter ist die Berücksichtigung der Möglichkeiten, Einschränkungen und Lebenslagen von Jugendlichen mit Behinderungen in Zugängen, Inhalten und Methoden zu verstehen.

2 Ausgewählte deutsche Jugendstudien und die Dimension Behinderung

Für die Betrachtung der aktuellen Jugendforschung wurden Jugendstudien ausgewählt, welche die Alltagswelt von Jugendlichen im Alter von 12 bis 18 Jahren fokussieren. Die Studien verfolgen außerdem den Anspruch einer repräsentativen Befragung von Jugendlichen in Deutschland bzw. einzelnen Bundesländern und weisen Fallzahlen von n > 1000 auf. Thematisch enger gefasste Studien zu Bildung oder Gesundheit wurden ausgeklammert, die gewählten Studien sollten ein breiteres Spektrum der Lebenswelt (z. B. Freizeitaktivitäten, Sozialbeziehungen, Familie, Schule, Persönlichkeit, Werteorientierung) erheben. Entlang dieser Kriterien wurden die Studien Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten (AID:A), Jugend.Leben, Shell-Jugendstudie und Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) (Tabelle 1) ausgewählt. Bei AID:A wurden die Fragen für die 12- bis 17-jährigen Zielpersonen, bei Jugend.Leben die Fragebögen für Schülerinnen und Schüler der 7. bis 13. Jahrgangsstufe1, bei der Shell-Studie das gesamte Befragungsmaterial und bei SOEP die Fragebögen für 17-Jährige aus der Erhebung von 2015 und für 13- bis 14-Jährige aus der Erhebung von 2016 betrachtet.

2.1 Zugänge und Stichproben

Zugänge und Stichproben spielen eine wichtige Rolle im Hinblick auf die Einbindung junger Menschen mit Behinderungen in Empirie. An ihnen zeigt sich, ob Jugendliche mit Behinderungen eingeschlossen und als Teil der zu repräsentierenden Jugendlichen angesehen werden. In den betrachteten Jugendstudien werden drei verschiedene Zugangswege gewählt: private Haushalte (AID:A, SOEP), Rekrutierung der Teilnehmenden durch die Interviewerinnen und Interviewer mittels Quotenstichprobenziehung mit exakt festgelegter Personenanzahl in bestimmten Untergruppen (kategorisiert nach Alter, Geschlecht, Ost/ West, Schularten ohne Förderschule) (Shell-Jugendstudie) oder über Schulen (Jugend.Leben).