Detektiv Dr. Windmüller-Krimis - Weiße Tauben, Die Erbin von Lohberg, Das Rosazimmer, Die Fliege im Bernstein & Povera Farfalla - Armer Schmetterling

von: Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem

e-artnow, 2017

ISBN: 9788026879619 , 819 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 1,99 EUR

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Detektiv Dr. Windmüller-Krimis - Weiße Tauben, Die Erbin von Lohberg, Das Rosazimmer, Die Fliege im Bernstein & Povera Farfalla - Armer Schmetterling


 

»Pah – was ist ein kleiner Riß in der Haut? Jedermann kann sich einen zuziehen«, meinte Zampietro.

»Ja, wenn die Leute vor dreihundert Jahren und mehr imstande gewesen wären, Blutvergiftungen nachzuweisen – dann hätten sich die Verbrecher freilich gehütet. Herr, ich habe aus jenen Zeiten ein Halsband gesehen, bei dem durch Schließen des Schlosses eine feine Nadel heraus und in das Fleisch der Trägerin fuhr – ja! Piff, paff! Fort war sie! Florentiner Arbeit. Ist im Privatbesitz, dieses Halsband. Kann in dem Krönchen der Schlange nicht auch solch ein feines Nädelchen stecken? Es ist so natürlich, daß man gelegentlich mal spielend darauf drückt, – was sagen Sie dazu?«

»Was soll man dazu sagen? Die Herrschaften der italienischen Renaissance hatten viele Wege, um zum Ziel zu gelangen«, meinte Windmüller vage, indem er aufstand. »Ich danke Ihnen sehr, Signor, für Ihre interessanten Auseinandersetzungen und bedaure, daß ich Ihre Bekanntschaft durch die räumliche Trennung nicht fortsetzen kann, denn Sie handeln nicht nur – en gros natürlich – mit Antiquitäten, sondern Sie machen sich jedes Stück davon geistig zu eigen durch Ihre intime Kenntnis der Epochen. Sie sind ganz einfach ein Gelehrter.«

»Sie schmeicheln mir, Signor«, erwiderte der Althändler bescheiden, aber sein leuchtendes Auge verriet, wie sehr er die Würdigung seiner selbst zu schätzen wußte. »Die Kenntnis der Epochen ist mein Handwerkszeug, das sich schließlich jeder Esel durch Übung aneignen kann. Übrigens, da fällt mir ein: Der amerikanische Gemahl der Donna Onesta Favaro kam auch zu mir wegen eines solchen Schlangenringes! Wenn er Sie zu mir geschickt hat, dann hat er Sie an der Nase herumgeführt!«

»Nein – er hat mich nicht zu Ihnen geschickt; er weiß gar nicht, daß ich nach einem solchen Ring fahnde«, erklärte Windmüller ruhig, trotzdem diese Mitteilung ihm ganz unerwartet kam und das »aufgegangene Licht« zu einem grellen, fast blendenden Schein machte.

»Ja, ja, wir Sammler, Signor, wir Sammler –!« setzte er scherzend hinzu. »Sieh einmal an! Mr. Morgan hat also dieselbe Liebhaberei für diesen Ring gefaßt, wie ich! War es unlängst, daß er bei Ihnen war? Ich will nicht indiskret sein, aber es würde mir Spaß machen, ihn ein wenig zu necken mit unserer Odyssee!«

Signor Zampietro lachte – für einen Spaß ist der Italiener ja immer zu haben. »Es ist ein liebenswürdiger Herr, dieser Americano«, meinte er behaglich. »Lassen Sie einmal sehen – mein Gott, was die Zeit vergeht, – es muß nun schon ein Jahr her sein, daß er bei mir war. Nein, noch kein ganzes Jahr; es war schon später im Herbst.«

»Ah – etwa um die Zeit, als Donna Vanna starb«, nickte Windmüller.

»Ein trauriger Fall, Signor! Wer hätte gedacht, daß sie so jung sterben würde!«

»Ja, wer hätte das gedacht!« wiederholte der Althändler, indem er sein Käppchen abnahm. »Es war nur gut, daß der Duca, mein Milchbruder, diesen Schmerz nicht mehr zu erleben brauchte. Jawohl, ich erinnere mich – der Signor Americano war bald nach dem Tod der Donna Vanna bei mir. Wir sprachen noch darüber – er dankte mir für den Kranz, den ich gesandt hatte.«

Windmüller verabschiedete sich nun, und als er draußen vor dem Hause stand, holte er tief Atem. Aber er hatte jetzt keine Zeit, das Gehörte geistig zu verarbeiten, sich Fragen vorzulegen, auf die er noch keine Antwort gefunden hätte. Er wandte sich nach der Richtung in der der Cavaliere Doktor Castelfranco, Notar und Advokat, wohnte.

Der wohlgepflegte Eingang in dem ehemaligen Patrizierpalast bekundete, daß wohlhabende Leute in guter Lebensstellung hier zur Miete wohnten, und das Vorhandensein eines Portiers bewies, daß auch der Besitzer auf Ordnung hielt. Die breite Marmortreppe war mit Kokosläufern belegt, und als Windmüller geläutet hatte, öffnete ihm ein Diener in einer dunklen, diskreten Livree und fragte höflich nach dem Begehren des Besuchers.

Windmüller zog Gios Brief hervor und bat den Diener, ihn, falls der Signor Cavaliere nicht gerade beschäftigt sei, abzugeben und zu fragen, wann sein Herr ihn in Privatangelegenheit empfangen könnte. Der Mann kam sehr bald mit der Antwort zurück, daß sein Herr den Signor Professor bitten lasse, einzutreten.

Doktor Castelfranco war ein lebhafter, etwas starker, älterer Herr mit grauem Haar, freundlichem Gesichtsausdruck und scharfen, aber gütigen, dunklen Augen; ein Vertreter des besten Typs des gebildeten Venezianers. Die Entschuldigung seines Besuchers, ihn vielleicht zu ungelegener Zeit zu stören, wies er mit lebhaften Gesten ab.

»Wer aus der Ca' Favaro zu mir kommt, ist immer willkommen«, versicherte er liebenswürdig, »ganz besonders aber, wer mich im Namen meiner lieben Donna Gio Verden aufsucht. Ihre Freunde sind auch die meinigen und ich habe immer Zeit für sie.«

Windmüller verbeugte sich und erwiderte die freundliche Begrüßung mit den Worten ausgesuchter Höflichkeit, die ihm durch seinen jahrelangen Verkehr in italienischen Kreisen geläufig war. Er hatte seine Taktik von dem Eindruck der Persönlichkeit des Advokaten abhängig gemacht: vor einem ebenbürtigen oder gar überlegenen Geist hatte er vorgehabt, seinen Namen und den Zweck seiner Anwesenheit in der Ca' Favaro zu enthüllen; aber seine Menschenkenntnis sah in dem Signor Castelfranco auf den ersten Blick wohl einen vornehmen Charakter, einen redlichen Menschen und wahrscheinlich sehr tüchtigen Juristen, aber keinen durchdringenden Verstand, der sich über das Durchschnittsmaß erhebt. Er ließ also seine Karte, deren Namen dem Advokaten wahrscheinlich nichts oder doch nur vage Dinge über ihn gesagt hätte, ruhig in seiner Brusttasche und nahm seine Rolle als Archäologe und passionierter Sammler wieder auf mit der harmlosen Bitte, ihn den Ring sehen zu lassen, den der Duca Favaro mit Castelfranco getauscht hatte, »weil dieser Gegenstand der Beschreibung nach das Seitenstück zu einem andern, in seinem eigenen Besitz befindlichen sein müsse. Daß diese Bitte ihm nur das Mittel zum Zweck war, bedarf keiner besonderen Betonung, denn in dem Katalog war diese Beschreibung ja völlig ausgelöscht – wie die andere auch.

Doktor Castelfranco ging mit der größten Bereitwilligkeit darauf ein, den Ring zu zeigen, und holte sofort aus dem Nebenzimmer einen Kasten, angefüllt mit alten, schönen und seltenen Schmuckstücken, dem er den gewünschten Gegenstand entnahm. Es war ein kostbar und elegant gearbeiteter Siegelring mit antiker Gemme, zu dem Windmüller in der Tat ein Gegenstück besaß, – doch sein erwachtes Interesse ließ ihn den eigentlichen Zweck seines Besuches nicht vergessen. Die neugierigen, aber mit großer Höflichkeit gestellten Fragen Castelfrancos über die Beziehungen seines Besuches zur Ca' Favaro, beantwortete Windmüller wahrheitsgetreu dahin, daß er den Duca nur flüchtig gekannt habe, dafür aber der Familie von Verden nahestände, und knüpfte daran den Ausdruck seiner Trauer über das vorzeitige Hinscheiden der Mutter Gios, worin er der vollen und aufrichtigen Sympathie Castelfrancos begegnete.

»Sie wird mir unvergeßlich bleiben«, schloß er mit großer Herzlichkeit und Wärme. »Daß sie das arme Kind aber so allein zurücklassen mußte, berührt mich besonders schmerzlich, denn ich fürchte, unsere liebe Gio steht recht isoliert in ihrem großen Hause, ohne Ansprache, ohne die ihr so notwendige Freundin. Denn es wird Ihnen nicht entgangen sein, Herr Professor, daß sie Donna Onesta nicht recht zugeneigt ist. Sie sind beide zu verschiedene Charaktere, und ich fürchte, Donna Onesta kann ihre getäuschten Hoffnungen nicht verwinden!«

»Getäuschte Hoffnungen?« wiederholte Windmüller mit gut gespieltem, unschuldigem Interesse.

»Ah, ja – Sie meinen, weil sie darauf gerechnet hatte, Gios Vormünderin zu werden.«

»Auch das«, gab Doktor Castelfranco zu. »Mein Gott, es war eine böse Stunde für mich, als sie hörte, daß sie die Vormundschaft nicht hatte! Nicht nur, daß sie dem Duca diesen ›Mangel an Vertrauen‹ bitter übelnahm, nein, sie beschuldigte mich, daß ich den alten Herrn, meinen langjährigen Freund, in diesem Punkte gegen sie beeinflußt hätte! Es war vergebens, ihr auf mein Wort zu versichern, daß der Herzog niemals daran gedacht hatte, sie zur Vormünderin Gios im Falle des Ablebens ihrer Mutter zu machen, – er hatte überhaupt nicht so weit gedacht, denn wie konnte er ahnen, daß Donna Vanna in verhältnismäßig so jungen Jahren sterben würde! Und wenn er's getan hätte – seine Tochter war nach seinem Tod frei, über ihr Eigentum und die Zukunft ihres Kindes zu verfügen. Vater und Tochter hatten das wohl besprochen – für alle Fälle, wie es richtig ist, und ich hatte das auf ihren Wunsch legal geordnet. Ich weiß nicht, wie Donna Onesta auf diese Idee der Vormundschaft gekommen ist, über die Frau von Verden sicher nicht mit ihr gesprochen hat. Windmüller betrachtete den Ring, den er noch immer in der Hand hielt, mit scheinbar ungeteiltem Interesse.

»Hm! Hm!« machte er, wie einer, der aus purer Höflichkeit das angeschlagene Thema verfolgt. »Ja, ich wunderte mich eigentlich auch, warum gerade Donna Onesta Gios Vormünderin hätte werden sollen. Die Verwandtschaft von mütterlicher Seite schien mir kein vollgültiger Grund. Was meinten Sie mit ›getäuschten Hoffnungen‹, Signor? Der Duca hat seine Nichte doch sicherlich in seinem Testament nicht übergangen?«

»Er hat ihr ein Legat vermacht, über das sie ganz befriedigt schien«, beantwortete Castelfranco bereitwilligst die harmlose Frage. Dann zuckte er mit den Achseln und lachte. »Das war es nicht – aber die Idee, sich einzubilden, daß sie nach Donna Gio die berechtigte Erbin der Ca' Favaro wäre! Wollen Sie's glauben, daß ich die...