Früherkennung im Kindes- und Jugendalter - Strategien bei Entwicklungs-, Lern- und Verhaltensstörungen

von: Heinrich Tröster

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2009

ISBN: 9783840920783 , 377 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen für: Windows PC,Mac OSX,Linux

Preis: 35,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Früherkennung im Kindes- und Jugendalter - Strategien bei Entwicklungs-, Lern- und Verhaltensstörungen


 

2 Grundlagen der Früherkennung (S. 61-62)
2.1 Konzeptionelle Grundlagen der Früherkennung


Die Früherkennung ist eine sekundäre Präventionsmaßnahme, die in einer Phase einsetzt, in der die Störung bereits vorhanden ist, sich aber noch nicht voll entfaltet hat (vgl. Kapitel 1.5). Sie soll eine Therapie oder Förderung zu einem möglichst frühen Zeitpunkt ermöglichen, um das Ausmaß der Störung zu begrenzen und Folgebeeinträchtigungen zu vermeiden. So ist die Früherkennung von Lernstörungen darauf ausgerichtet, Beeinträchtigungen der Lernvoraussetzungen bereits im Vorschulalter zu entdecken, um die Kinder schon vor dem Schuleintritt fördern zu können. Dadurch sollen spätere Lernstörungen verhindert oder gemildert und Folgeproblemen, wie zum Beispiel einer nachlassenden Leistungsmotivation oder Verhaltensstörungen, vorgebeugt werden.

2.1.1 Die Entdeckung der Störung im Frühstadium

Das Konzept der Früherkennung geht davon aus, dass es vor dem Auftreten der Störung eine Phase gibt, in der die Ursachenfaktoren der Störung bereits vorhanden sind, die Störung selbst jedoch noch nicht oder noch nicht im vollen Umfang zum Ausbruch gekommen ist. In der Medizin spricht man von der präklinischen Phase einer Krankheit als einer Phase, in der die Erkrankung biologisch zwar schon vorhanden ist, die Betroffenen jedoch noch keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen wahrnehmen. In der Krankheitsgenese vieler Erkrankungen lassen sich ein asymptomatisches und ein symptomatisches Stadium unterscheiden. Im asymptomatischen Stadium ist die Krankheit bereits biologisch vorhanden, es werden jedoch noch keine Symptome bemerkt. Wenn dann manifeste Symptome auftreten, ist das symptomatische Stadium erreicht. Dies ist der übliche Zeitpunkt, zu dem die Betroffenen die Krankheit bemerken, wenn keine Früherkennung betrieben wurde. Dies kann am Beispiel des Krankheitsverlaufs bei Karies verdeutlicht werden: Im asymptomatischen Stadium ist der Zahn zwar schon von Karies befallen, es treten jedoch noch keine Zahnschmerzen auf. Wenn sich dann Zahnschmerzen einstellen, ist das symptomatische Stadium erreicht. Häufig wird Karies erst zu diesem Zeitpunkt entdeckt, es sei denn, man lässt regelmäßig Kontrolluntersuchungen beim Zahnarzt durchführen.

Im Rahmen des medizinischen Krankheitskonzeptes bedeutet Früherkennung die Entdeckung der Krankheit im asymptomatischen Stadium. Dabei geht man davon aus, dass es einen biologischen Beginn der Erkrankung gibt, sich daran eine symptomlose oder symptomarme Phase anschließt, in der die Betroffenen noch keine Krankheitsanzeichen bemerken und erst im weiteren Verlauf des Krankheitsprozesses die Symptomatik voll zum Ausbruch kommt. Früherkennung von Karies wäre demnach die Entdeckung der Karies bevor Zahnschmerzen auftreten und der Betroffene bemerkt, dass etwas mit seinen Zähnen nicht in Ordnung ist. Dieser Ansatz lässt sich auch auf Störungen übertragen, denen keine eindeutig identifizierbaren organischen Ursachen zugrunde liegen, wie zum Beispiel Entwicklungsstörungen, Lernstörungen oder psychische Störungen. Voraussetzung für eine Früherkennung ist, dass die Symptomatik nicht schlagartig einsetzt, sondern im Verlauf der Störungsgenese in ihrem Ausmaß zunimmt (vgl. Abbildung 2). So treten Lernstörungen in der Regel nicht plötzlich auf, sondern entwickeln sich aus anfänglichen Lernschwierigkeiten, die das Kind zunächst noch gut kompensieren kann, die sich aber dann, wenn keine Intervention erfolgt, zu gravierenden Lernproblemen ausweiten und die Schulleistungen beeinträchtigen können.