Moralisches Handeln von Unternehmen - Eine Weiterentwicklung des neuen St. Galler Management-Modells und der Ökonomischen Ethik

von: Regina Schwegler

Gabler Verlag, 2009

ISBN: 9783834981226 , 381 Seiten

Format: PDF

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 56,64 EUR

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Moralisches Handeln von Unternehmen - Eine Weiterentwicklung des neuen St. Galler Management-Modells und der Ökonomischen Ethik


 

7 Die Governanceethik von Wieland (S. 189-190)

Josef Wieland leistet mit seinem Ansatz einer Governanceethik einen wertvollen Beitrag zur theoretischen Integration moralischer Werte in die Neue Institutionenökonomik. Es wird deutlich werden, dass dieser Ansatz für die vorliegende Arbeit eine nahezu ideale Ergänzung darstellt: Zunächst fundiert Wieland seinen Ansatz organisationstheoretisch, indem er bestehende institutionenökonomische Ansätze zu einer deskriptiven, anwendungsbezogenen und mikroanalytischen „Ökonomik der Transaktionsatmosphäre" erweitert (Abschnitt 7.1).

Dabei gelingt es ihm, die systemtheoretischen und institutionenökonomischen Metatheorien seines Ansatzes stringent zusammenzuführen und auf diese Weise die Bezogenheit von Unternehmen auf das Wirtschaftssystem zu begründen. Wieland arbeitet zudem die Funktion und Leistung des Moralsystems für die Gesellschaft heraus. Dabei zeigt er, dass dieses eine unabdingbare und genuine Leistung insbesondere für Organisationen im Allgemeinen und Unternehmen im Besonderen erbringt. Schließlich stellt er dar, wie Unternehmen von Moral in Ökonomie übersetzen, um kooperatives unternehmerisches Handeln überhaupt zu ermöglichen, und welche Rolle Parameter wie tugendethische Werte, Reputation, Vertrauen etc. dabei spielen. Welche Aufgaben erwachsen dem Management daraus?

Dieser Frage widmet sich der normative Kern der Governanceethik Wielands (Abschnitt 7.2). Er weist auf die zentralen Faktoren hin, die für eine effektive und effiziente Verankerung der Moral in Unternehmen wichtig sind. Darüber hinaus legt er dar, durch welche einzelnen Schritte ein solches „Wertemanagementsystem" in die Regeln des Unternehmens – die Strategien, Strukturen und Kulturen – implementiert werden kann. Was sind die Stärken und Schwächen der Governanceethik?

Diese Frage wird in Abschnitt 7.3 diskutiert. Dabei wird sich zeigen, dass die wesentlichen Stärken des Ansatzes darin bestehen, einerseits mit der Ökonomischen Ethik kompatibel zu sein und andererseits diesen Ansatz optimal zu ergänzen. Die Schwächen des Ansatzes, welche anschließend erläutert werden, münden schließlich in dessen gezielte Weiterentwicklung. Auf diese Weise können in Kapitel 8 die modifizierten Ansätze der Governanceethik und der Ökonomischen Ethik in das neue St. Galler Management-Modell eingearbeitet werden.

7.1 Die Ökonomik der Transaktionsatmosphäre

7.1.1 Systemtheoretische Grundlagen


Bei der Beschreibung der modernen gesellschaftlichen Strukturen, in denen unternehmerisches Handeln stattfindet, lehnt sich Wieland (1996, S. 88ff.) – ebenso wie Rüegg-Stürm (2002) und Homann (1993)869 – weitgehend an die soziologische neuere Systemtheorie870 an. Derzufolge sind die grundlegenden Einheiten der Gesellschaft Kommunikationen. Die indivi duellen Akteure stellen als Menschen – als psychische und biologische Systeme – eine (unabdingbare) Umwelt der Gesellschaft dar.871 Die moderne Gesellschaft hat sich in verschiedene gleichrangige und autonome funktionale Teilsysteme ausdifferenziert.

Diese Gesellschaftsevolution sieht Wieland (2004b, S. 7) als irreversibel und höchst produktiv an. Die Funktionssysteme haben im Zuge der Differenzierung spezifische binäre Leitcodes herausgebildet, im Fall der Wirtschaft ist dies der Code „Angebot – Nachfrage". Die Wirtschaft verfügt über einen symbolisch generalisierten Kommunikationsmechanismus in Form des Mediums Geld, dessen Einführung eine monetäre Zweitcodierung „Zahlungsangebot – Zahlungsnachfrage" mit sich gebracht hat.

Die Zweitcodierung führt zur Preisbildung für Güter und Dienstleistungen. Dieser hoch effiziente Preismechanismus koordiniert Transaktionen von Verfügungsrechten über den Markt und alloziert knappe Ressourcen. Die Funktion der Wirtschaft für die Gesellschaft ist die Bewältigung von Knappheit – in dieser Hinsicht ist die Wirtschaft ein autonomes, autopoietisches Teilsystem. Offen ist sie bezüglich ihrer Leistungserbringung: der Befriedigung von Bedürfnissen nach Gütern und Dienstleistungen. Um diese Leistung erbringen zu können und dadurch die eigene Stabilität zu gewährleisten, lernt die Wirtschaft permanent von den Leistungsanforderungen anderer Teilsysteme und übersetzt diese für sich in Preissignale.