Abriss der Bierbrauerei

Abriss der Bierbrauerei

von: Ludwig Narziss, Werner Back, Martina Gastl, Martin Zarnkow

Wiley-VCH, 2017

ISBN: 9783527696734 , 486 Seiten

8. Auflage

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 64,99 EUR

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Abriss der Bierbrauerei


 

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Die Technologie der Malzbereitung


Unter Mälzen ist das Keimenlassen von Getreidearten unter künstlich geschaffenen bzw. gesteuerten Umweltbedingungen zu verstehen.

Das Endprodukt der Keimung heißt Grünmalz; durch Trocknen und Darren wird es zum Darrmalz.

Der Zweck des Mälzens ist hauptsächlich die Gewinnung von Enzymen, die bei der Keimung bestimmte Umwandlungen der im Getreidekorn aufgespeicherten Reservestoffe herbeiführen. Jede zu geringe oder übermäßige Enzymbildung oder -wirkung während der Keimung ist unerwünscht und setzt die Qualität des Keimproduktes herab.

1.1 Die Braugerste


Zur Malzbereitung können eine Reihe von Getreidearten Verwendung finden (s. Abschn. 1.9), doch ist die Gerste in ihrer zweizeiligen Form, bei der alle Körner symmetrisch und gleichmäßig entwickelt sind, am besten geeignet. Die mehrzeiligen Gersten, die eigentliche Urform, werden infolge der unsymmetrischen und schwachen Ausbildung der Seitenkörner (Krummschnäbel) in Europa nur zu einem geringen Anteil zur Vermälzung herangezogen. In Übersee dienen derartige Gersten aufgrund ihres höheren Eiweißgehaltes und höherer Enzymkräfte der Verarbeitung von größeren Rohfruchtschüttungen.

Die zweizeilige Gerste wird in zwei Hauptgruppen unterteilt:

  1. Die aufrechtstehende Gerste. Die Ähre ist dicht, breit und steht während der Reifezeit in der Regel aufrecht; die einzelnen Körner liegen dicht aneinander (Hordeum distichum erectum).
  2. Die nickende Gerste: Die Ähre ist lang, schmal und hängt während der Reife. Die Körner liegen locker aneinander (Hordeum distichum nutans).

Als Braugerste kommen die verschiedenen Sorten der nickenden Gerste in Betracht, die überwiegend als Sommergerste angebaut wird. Durch Züchtung leistungsfähiger Sorten, die den Aufwuchs- und Erntebedingungen entweder des kontinentalen europäischen oder des maritimen Klimas angepasst sind, ist eine hohe Stabilität der Gersteneigenschaften gegeben. Darüber hinaus werden die Sorten auf eine verbesserte Resistenz gegen Pflanzenkrankheiten (Mehltau, Zwergrost, Netzflecken u. a.) gezüchtet, um die Zahl der Schutzbehandlungen zu verringern.

Von den zweizeiligen Wintergersten sind einige Sorten durch jüngste Züchtungsergebnisse auf einem qualitativ hohen Stand, wenn auch über ihre Verbreitung erst die Braugerstenpolitik der nächsten Jahre entscheiden wird. Nacktgersten konnten sich noch nicht nachhaltig einführen, ebenso wenig die Züchtung procyanidinfreier Gersten (s. Abschn. 1.1.2.6), von Gersten mit niedriger Lipoxygenasenaktivität oder von Gersten mit dünnen Zellwänden, d. h. niedrigerem β-Glucangehalt (s. Abschn. 1.1.2.2). Derartige Sorten zeigen bei ungünstigeren Witterungsverhältnissen wesentlich stärkere Einbußen an Ertrag und Qualität als normale Braugersten.

Die Zugehörigkeit einer Gerste zu den beiden Hauptgruppen ist noch am einzelnen reifen Gerstenkorn an der Form der Kornbasis sowie an der Behaarung und Form der Basalborste erkennbar. Außer diesen Merkmalen kann auch die Form der Schüppchen und die Bezahnung der Seitenrückennerven zur Sortenidentifizierung herangezogen werden.

Eine gute Sicherheit bieten elektrophoretische Methoden zur Auftrennung der Prolaminfraktion (s. Abschn. 1.1.2.8), auch immunologische Analysen sind möglich. Neuerdings kommt auch die Polymerase Chain Reaction (PCR) in zwei Stufen zur Anwendung. Der Vorteil dieser DNA-Bestimmung ist, dass sich ihre Aussage auch durch den Mälzungsprozess nicht abschwächt. Dies ist bei der elektrophoretischen Methode bei überlösten Malzkörnern der Fall.

Die Braugersten werden nach Provenienz und Sorte gehandelt. Je nach den klimatischen Bedingungen und den Eigenschaften der Sorten können sich beträchtliche Unterschiede in der Vermälzungsfähigkeit und im Brauwert der Gersten ergeben. Eine Vermischung ist deshalb zu vermeiden.

1.1.1 Die Morphologie der Gerste


Am Gerstenkorn, das die Frucht der Gerste darstellt, sind zu unterscheiden:

1.1.1.1 Der Keimling: Er stellt den lebenden Teil des Kornes dar, liegt am unteren Ende des Korns auf der Rückenseite und besteht aus den Anlagen der künftigen Achsenorgane, des Blattkeimes und des Wurzelkeimes. Mit ihm verwachsen ist das Schildchen, welches an den Mehlkörper grenzt und dem wachsenden Keimling von dort die Nährstoffe zuleitet. Diesem Zweck dient besonders das dem Mehlkörper zugewandte Aufsaugeepithel mit seinen schlauchartigen Zellen.

1.1.1.2 Der Mehlkörper (Endosperm): Er besteht im Wesentlichen aus zwei Gewebelagen, den stärkeführenden und den fettführenden Zellen.

Den Kern des Mehlkörpers bilden die stärkehaltigen Zellen, die in ein Gerüst von eiweiß- und gummiartigen Stoffen eingebettet sind.

Die stärkeführenden Zellen sind von einer dreifachen Schicht rechteckiger, dickwandiger Zellen umgeben, die man Aleuron- oder Kleberschicht nennt. Ihr Inhalt besteht aus Eiweißstoffen und Fett. In der Nähe des Keimlings besteht diese Schicht nur mehr aus einer Zelllage. Zwischen dem stärkeführenden Gewebe des Endosperms und dem Keimling liegt eine dünne Schicht leerer zusammengedrückter Zellen, die aufgelöste Endospermschicht, deren Inhalt vom Keimling bereits verbraucht wurde.

Im Mehlkörper spielen sich alle biologischen und chemischen Veränderungen des Gerstenkorns ab. Mit fortschreitender Entwicklung des Keimlings wird er allmählich abgebaut und verwertet. Beim Mälzen soll der Mehlkörper aus wirtschaftlichen Gründen so wenig wie möglich verbraucht werden; hierbei kommt der Bildung von Enzymen und dem Abbau von Stütz- und Gerüstsubstanzen die größte Bedeutung zu.

1.1.1.3 Die Umhüllung: Sie schützt den wachsenden Keimling und besteht aus der inneren, auf der Bauchseite und der äußeren, auf der Rückenseite des Kornes liegenden Spelze. Darunter liegt das äußere Hüllblatt, die Fruchtschale (Perikarp) und das innere Hüllblatt, die Samenschale (Testa). Beide haben mehrere Zelllagen und sind scheinbar miteinander verwachsen. Die Testa ist halbdurchlässig (semipermeabel), d. h. es kann zwar Wasser durch die Membrane eindringen, während höhermolekulare Stoffe zurückgehalten werden. Verschiedene Ionen gelangen jedoch mit dem Wasser in das Korninnere.

1.1.2 Chemische Zusammensetzung der Gerste


Die Gerste besteht aus Trockensubstanz (80–88 %) und Wasser (12–20 %). Die Trockensubstanz enthält organische Verbindungen ohne und mit Stickstoff sowie anorganische Bestandteile (Asche).

1.1.2.1 Die Stärke: Den Hauptanteil der stickstofffreien organischen Verbindungen stellen die Kohlenhydrate, vor allem die Stärke. Sie ist in einer Menge von 60–65 % (auf Trockensubstanz berechnet) gegeben. Ihre Bildung erfolgt durch Assimilation von CO2 und H2O unter Einwirkung des Sonnenlichtes, mithilfe des Chlorophylls, unter Abgabe von Sauerstoff.

Der Zweck dieser Stärkeanhäufung ist die Anlage eines Nährstofflagers für den Keimling während der Zeit seiner ersten Entwicklung. Die Ablagerung erfolgt in Form von Stärkekörnern, die in zwei Formen, als linsenförmige Großkörner und mehr kugelförmige Kleinkörner, zu erkennen sind. Die Letzteren nehmen mit dem Eiweißgehalt der Gerste zu, sie sind reicher an Mineralstoffen als die Großkörner.

Das Stärkekorn besteht aus zwei strukturell verschiedenen Kohlenhydraten, der Amylose und dem Amylopectin. Die Amylose (Normal- oder n-Amylose) beträgt 17–24 % der Stärke; sie befindet sich in der Regel im Innern der Körner und besteht aus langen, unverzweigten, spiralig gewundenen Ketten von 60–2000 Glucoseresten in α-1→4-Bindung (Maltosebindung). Das Molekulargewicht der verschieden langen Moleküle beträgt zwischen 10 000 und 500 000 Da. Amylose färbt sich mit Jod rein blau; sie löst sich im Wasser kolloidal und bildet keinen Kleister. Beim enzymatischen Abbau, z. B. durch α- und β-Amylase, wird das Disaccharid Maltose gebildet.

Das Amylopectin (Iso- oder i-Amylose) macht etwa 76–83 % der Stärke aus. Im Gegensatz zur Amylose besteht es aus verzweigten Molekülketten, die neben der vorherrschenden α-1→4-Bindung auch α-1→6-Bindungen (etwa 1/15) aufzuweisen haben. Im Durchschnitt verzweigt sich die Amylopectin-kette nach etwa 15 Glucoseeinheiten. Diese räumlich verzweigte Struktur bedingt die Verkleisterungsfähigkeit des Amylopectins; bei 6000–40 000 Glucoseresten liegt das Molekulargewicht zwischen 1 und 6 Mio. Da. Das Amylopectin enthält etwa 0,23 % Phosphorsäure in esterartiger Bindung. Die wässrige Lösung färbt sich mit Jod violett bis reinrot.

Die Stärke ist geschmack- und geruchlos, hat ein spezifisches Gewicht von 1,63 g/cm3 in wasserfreiem Zustand, ihre Verbrennungswärme beträgt 17 130 kJ/kg (4140 kcal/kg). Das optische Drehvermögen liegt bei 201–204.

1.1.2.2 Nichtstärkeartige Polysaccharide sind in einer Menge von...