Kein Angsthasenbuch - Warum sich Risikofreude für Frauen lohnt

von: Irene Becker

Campus Verlag, 2009

ISBN: 9783593405193 , 232 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 18,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Kein Angsthasenbuch - Warum sich Risikofreude für Frauen lohnt


 

Einleitung: Mit angezogener Handbremse durchs Leben Pudding. Um genau zu sein, Wackelpudding. So und nicht anders fühlten sich ihre Knie an. Sarah schluckte und wankte weiter. Wie war sie nur auf diese wahnwitzige Idee gekommen? Welcher Teufel hatte sie geritten? Nun war es zu spät, umkehren war ausgeschlossen, ein Rückzieher unmöglich. Sie saß in der Falle. Der gesamte Vorstand befand sich schon im Konferenzraum und wartete nur darauf, dass sie endlich mit ihrer Präsentation für ihren Verbesserungsvorschlag zur Kundenbetreuung begann. Nur eine theatralische Ohnmacht hätte sie noch retten können, aber sie wusste beim besten Willen nicht, wie sie die auf Kommando erzeugen sollte. Vorsichtig streckte Sarah eine Hand von sich. Gott sei Dank, wenigstens zitterte die nicht auch noch - aber Wackelpuddingknie waren ja auch schon Plage genug. Und wenn ihr womöglich gleich die Stimme versagen würde? Welche Blamage! Bis an ihr Lebensende würde sie sich davon nicht erholen; die Karriere war ruiniert, morgen wahrscheinlich schon würde sie auf der Straße stehen und nie wieder einen Job finden ... und nie wieder würde sie sich so weit aus dem Fenster lehnen. Sie ist ja schließlich nicht so ein furchtloser, in ihren Augen fast tollkühner Draufgänger wie ihr Kollege Frank. Der hatte vor ein paar Monaten vehement darauf gepocht, das Resultat seines Projekts höchstpersönlich vor der Geschäftsleitung vorzustellen, damit klar wurde, was er da Tolles geleistet hatte. Und bei ihm hat es ja auch super geklappt - er ist vor zwei Wochen zum Teamleiter befördert worden. Aber sie! Gleich so ein umfassender, nassforscher Vorschlag! Wie hatte sie es nur wagen können, dem Marketingleiter von ihrer Idee zu erzählen! Galoppierenden Größenwahn nennt man so etwas wohl in Fachkreisen. Eine ernsthafte Störung. Behandlungswürdig. Und nun hatte ihr Chef sie beim Wort genommen, und sie stand mit weichen Knien vor dem Konferenzraum mit der gesammelten Geschäftsführung ... Sie atmete tief durch, murmelte innerlich ein paar aufmunternde Worte zu sich, reckte die Schultern und öffnete die Tür. Typisch Frau? Angst vor der eigenen Courage? Stimmt der Mythos vom schwachen Geschlecht, das sich nicht gerade durch Mut und Risikofreude auszeichnet? Das zögernd und zagend furchtsam durchs Leben huscht und dauernd mit weit aufgerissenen Augen ängstlich über die zarte, bebende Schulter blickt? Wenn man ein Geschichtsbuch aufschlägt oder nach einer spannenden Biografie außergewöhnlicher, mutiger Menschen sucht, so werden in der Regel die Lebensgeschichten mehr oder weniger draufgängerischer, risikofreudiger Männer geschildert. Sind Frauen einfach nicht so mutig wie Männer oder fallen sie nur einer perfiden männlichen Zensur zum Opfer? In der Tat scheint es so zu sein, dass im Durchschnitt Frauen wirklich nicht so risikofreudig sind wie Männer. Im Berufs-leben tendieren sie dazu, lieber eine weniger gut bezahlte Stelle mit einem Fixgehalt anzunehmen, statt eine mit einer leistungs-abhängigen variablen Komponente. Und ein möglicher Sprung in die berufliche Selbstständigkeit erscheint vielen gegenüber der Sicherheit einer festen Anstellung geradezu aberwitzig verrückt. Sie halten sich mit eigenen Vorschlägen und Ideen eher zurück und überlassen die Position im Rampenlicht des Chefs gerne ihren Kollegen. Sie agieren bei Finanzgeschäften meist vorsichtig und konservativ. Auch beim Autofahren riskieren sie deutlich weniger als Männer, und sie sind in extremen Risikosportarten nicht so stark vertreten wie das draufgängerische männliche Geschlecht. Die geringere Risikofreude zeigt sich nicht nur in den klassischen Situationen, mit denen man Mut assoziiert wie großartige Heldentaten in extremen Gefahrensituationen, souveränes Meistern von fürchterlichen Bedrohungen aus dem All oder sonst woher, lächelnd und lässig mit einer Hand in der Hosentasche getroffene existenzielle Entscheidungen; nein, auch im ganz normalen Alltag sind Frauen oft zögerlicher, risikoscheuer und zurückhaltender: lieber sitzen sie einsam zu Haus und lassen sich die Decke auf den Kopf fallen, als allein in eine Gaststätte zu gehen. Jahrelang schlucken sie Neid oder Wut auf die bessere Bezahlung des Kollegen herunter, weil sie sich nicht trauen, den Chef um eine - gerechtfertigte! - Gehaltserhöhung zu bitten. Sie wählen lieber den Urlaubsort, den sie schon kennen, damit sie ja nicht mit unbekannten Situationen und Örtlichkeiten in Berührung kommen. Sie gehen doch im kleinen Schwarzen wie alle anderen auf die Vernissage, weil sie sich nicht getraut haben, das enge freche Rote mit dem großen Ausschnitt anzuziehen. Aus Angst vor einer unangenehmen Situation schauen sie lieber weg und sagen nichts, wenn eine überforderte Mutter ihr kleines Kind in der Öffentlichkeit heftig schlägt und anschreit. Genauso lassen sie sich jahrelang die Sticheleien und den Tratsch der gehässigen Nachbarin gefallen, weil sie es nicht wagen, sich diesen bösartigen Klatsch zu verbitten.