Typgerecht trainieren - Die perfekte Methode - Selbsttest: Welcher Körpertyp bin ich?

von: Arlow Pieniak, Martina Steinbach

Südwest, 2016

ISBN: 9783641178369 , 192 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 12,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Typgerecht trainieren - Die perfekte Methode - Selbsttest: Welcher Körpertyp bin ich?


 

Die Defizitmethode

Beschwerden treten unter anderem dann auf, wenn ein Muskel stärker oder schwächer ist als sein Gegenspieler. Dieses Ungleichgewicht wird von Experten als muskuläre Dysbalance bezeichnet. Rückenschmerzen entstehen zum Beispiel dadurch, dass jemand wie verrückt seinen Bauch trainiert, aber nichts für den Rücken tut. Beide Muskelgruppen müssen jedoch im richtigen Verhältnis stark sein, um in der ihnen zugedachten Rolle als Teamplayer zu funktionieren.

Wie es zu Fehlhaltungen und muskulären Dysbalancen kommen kann, ist schnell erklärt: Unser heutiges Leben ist schuld. Überlegen Sie doch einmal: Wann sind Sie das letzte Mal gesprintet? Hoch gehüpft? Über den Boden gekrochen? Klingt vielleicht komisch, aber genau diese Bewegungen entsprechen unserer evolutionären Bestimmung. Und wie oft fahren Sie mit dem Auto, der Rolltreppe und sitzen am Schreibtisch oder auf dem Sofa? Eben. Die meisten Menschen verlernen ihr Bewegungsmuster schlichtweg, weil es in unserem modernen Alltag nur allzu selten gefragt ist. Das Resultat sind Übergewicht, Schmerzen, Schonhaltungen, eine geringe Leistungsfähigkeit und schließlich Bewegungsunlust – ein Teufelskreis, der sich durch eine Operation nicht durchbrechen lässt. Doch niemand ist diesem Schicksal ausgeliefert. Auch (ältere) Erwachsene können das für sie ideale Bewegungsmuster zu jedem Zeitpunkt neu erlernen. Egal, ob sie vorher schon ganz viel oder gar keinen Sport getrieben haben. Mit dem Vorsatz, vom eigenen körpertypischen Muster Gebrauch zu machen, ist der entscheidende Schritt getan, um alle orthopädisch bedingten Bewegungsschmerzen zu lindern oder gar zu beseitigen. Dabei setzt meine Methode an einem Punkt an, der vielen Fachleuten vielleicht nicht ausreichend bewusst ist. Ich fokussiere mich auf die Defizite, die Menschen daran hindern, ihr typgerechtes Bewegungsmuster (optimal) zu nutzen. Mit diesem Trainingsansatz kann ich tatsächlich 95 Prozent aller Schmerzpatienten helfen.

Der Scannerblick

Fehlhaltungen wie ein Hohlkreuz fallen Ihnen wahrscheinlich allenfalls an Menschen auf, mit denen Sie häufig zu tun haben. Bei mir ist das anders. Zum einen natürlich berufsbedingt, zum anderen besitze ich ein Talent für dieses Erkennen. Wie manche Menschen gut rechnen oder zeichnen können, kann ich mich gut in körperliche Zusammenhänge und Befindlichkeiten hineinfühlen. Ich nenne das körperliche Empathie. Mit einer Art Scannerblick, der sich nicht abstellen lässt, beobachte ich, wie die Menschen gehen, sitzen und aufstehen. Meine besondere Gabe ist, beinahe augenblicklich zu wissen, woran es liegt, wenn der Körper dabei eine falsche Haltung einnimmt.

Diese Analyse ist nicht rein intuitiv, sie lässt sich auch erlernen. Die Trainer in meinem Studio beherrschen sie inzwischen ebenfalls ausgezeichnet. Dabei gehen wir wie folgt vor: Einen neuen Kunden fragen wir zunächst nach seinem Alter, Gewicht, Beruf, Alltag, seinen Sporterfahrungen, früheren Verletzungen sowie der Anzahl und dem Alter der Kinder. Der Hintergrund dieser Fragen ist, zu erfahren, ob dieser Mensch viel sitzt, ob er mit dem Auto zur Arbeit fährt oder oft Kleinkinder trägt. Die Antworten legen bereits gewisse Vermutungen über seine Beschwerden und deren Ursache(n) nahe. Wenn jemand Zahnarzt ist, weiß ich schon vorher, dass ihn rechts Verspannungen im Schulter-Nacken-Bereich plagen und er Schmerzen in der linken Hüfte hat.

Doch nicht nur Schmerzen führen die Kunden zu mir, auch die Optik spielt oft eine Rolle. Ein Hohlkreuz lässt beispielsweise den Bauch größer erscheinen, als er ist. Ein ungeliebtes Phänomen, doch der Bauch ist dabei im wahrsten Sinne des Wortes nur vordergründig das Problem. Tatsächlich sind es der Rückenstrecker, die Hüftbeugemuskulatur und der vordere Oberschenkel, die im Vergleich zu ihren Gegenspielern zu stark arbeiten und so den Bauch ungewollt in Szene setzen.

Nach dem Eingangsgespräch lasse ich meinen Kunden zuerst einmal eine Kniebeuge ausführen – allein bei dieser Bewegung sind unzählige „Fehler“ erkennbar. Danach bitte ich ihn um einige weitere Testübungen: den Oberkörper nach vorn neigen, einen Ausfallschritt machen, das Becken aufrichten und kippen, die Brustwirbelsäule einrollen und wieder aufrichten. Im Liegen taste ich schließlich noch den ganzen Körper von Kopf bis Fuß ab. Auf diese Weise ermittele ich steife Stellen und teste sie auf Beweglichkeit. Erkenne ich beispielsweise bei dem Ausfallschritt, dass das Becken und ein Fuß des Kunden zur Seite fallen (ich spreche von „wegbrechen“), fehlt es ihm zum Beispiel an faszialer Spannung im Körper.

Der Schwächste fliegt auf

Der Körper ist nur so stark wie das schwächste Glied in der Kette. Und um ihn stark und schmerzfrei zu machen, muss dieses schwächste Glied identifiziert werden. Wenn aus irgendeinem Grund ein Körperteil nicht wie vorgesehen funktioniert, übernimmt ein anderes. Ein Beispiel: Ist die Rückseite des Oberschenkels (zu) schwach, kompensiert der Körper dieses Defizit und benutzt (verstärkt) die Oberschenkelvorderseite. Logisch, dass die Rückseite so immer schwächer und die Vorderseite bis zur Überlastung immer stärker wird. Was zur Folge hat, dass das Becken in eine falsche Position kippt, sich Rückenschmerzen bemerkbar machen und nach und nach Beschwerden in allen anderen denkbaren Körperregionen auftreten können. In vielen Fällen sind davon vor allem der Nacken, der Kopf und die Schultern betroffen. Nur wenn das schwächste Glied des Bewegungsapparats – also beispielsweise die Oberschenkelrückseite – erkannt wird, lässt sich das Übel an der Wurzel bekämpfen. Und zwar dauerhaft. Ein Patient kann seine Schmerzen natürlich auch symptomatisch behandeln, etwa indem er zur Massage geht und seine Muskeln lockert, doch dann werden die Beschwerden vielleicht schon eine Woche später zurückkehren. Ist das Defizit jedoch einmal grundsätzlich behoben, funktioniert der Körper wieder wie ein in sich stabiles System.

Man muss allerdings keine akuten oder chronischen Beschwerden haben, um nach meiner Methode zu trainieren. Ein Defizit führt nämlich nicht nur zu Schmerzen, es hemmt auch die Leistung im Alltag und in jeder Sportart. Ein Fußballer mit unerkanntem Defizit ist langsamer und häufiger verletzt als sein Konkurrent, der im richtigen Bewegungsmuster über den Platz rennt. Jeder, der ein körperliches Ziel hat, wird es mit der Defizitmethode am besten und schnellsten erreichen.

Vom Defizit zur Korrektur

Wenn ich mich umblicke, sehe ich so viele Menschen, die sich falsch bewegen, sei es im Sport oder schlicht im Alltag. Dabei ist es gar nicht schwer, seinen Körper so zu benutzen, wie es für ihn ideal ist. Zwar ist jeder anders, aber für jeden Körper gibt es ein anatomisch vorgesehenes Bewegungsmuster, das sich einem von zehn Typen (siehe Kapitel 2 zuordnen lässt. Dieses Muster muss nur erkannt, erlernt und trainiert werden.

Faszinierend, diese Faszien

Den Begriff Faszien kann man vereinfacht mit Bindegewebe übersetzen. Darunter fallen Sehnen und Bänder, aber auch bindegewebige Hüllen, die sämtliche Muskel(faser)n, Knochen und Organe ummanteln. So durchzieht das fasziale Netz den gesamten Körper und hilft, alles am richtigen Platz zu halten. Zusätzlich ist dieses Netzwerk mit vielen Rezeptoren bestückt, die unsere Körperwahrnehmung verbessern. Sie können sich das fasziale Gewebe besser vorstellen, wenn Sie an eine Apfelsine denken. Entfernen Sie die farbige Schale, wird die Orange immer noch von der weißen Haut zusammengehalten, die wiederum jedes kleine Fruchtstück und jede Fruchtfaser umhüllt. Faszien besitzen kaum Zellen, ihr Hauptbestandteil ist eine wässrige Grundsubstanz, in der sich besonders zugfeste Kollagen- sowie sehr dehnbare Elastinfasern finden. Dabei fließt die eiklarähnliche klebrige Flüssigkeit durch das gesamte fasziale Netzwerk und verbindet sämtliche Körperstrukturen miteinander. Sie hält das System schön geschmeidig, aber leider nimmt der Wassergehalt des Körpers im Laufe des Lebens stetig ab, und so wird auch das Fasziengewebe spröder und verliert an Elastizität. Zu trockene, verklebte Faszien spüren Sie durch Verspannungen oder Schmerzen. Das Gewebe wieder in Fluss zu bringen, gelingt Ihnen aber wider Erwarten nicht allein durch eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr, sondern nur durch Bewegung. Massagen oder Muskelaktivität bewirken nämlich, dass die Faszien entweder komprimiert oder auseinandergezogen werden, und diese Beanspruchung regt den Stoffwechsel an: Beim Zusammendrücken wird Flüssigkeit aus dem Gewebe herausbefördert, sobald die Belastung nachlässt, fließt neue Flüssigkeit nach und macht die Faszien wieder frisch. Durch diesen Austausch werden auch Schadstoffe abtransportiert. Kein Wunder also, dass Ihre Gesundheit und Ihr Wohlbefinden davon abhängen, wie aktiv Sie Ihren Tag verbringen.

Die Voraussetzungen dafür trägt jeder Mensch in sich. Als Kleinkinder bewegen wir uns alle intuitiv stimmig, leicht und kraftvoll. Aber bei Erwachsenen dominieren leider meist die falschen Bewegungsmuster den Alltag. Deswegen bekommen wir Schmerzen, leiden unter geringer Leistungsfähigkeit oder haben einfach keinen Spaß am Sport und nehmen zu. Doch für ein Zurück ist es nie zu spät. Wenn Erwachsene das für sie ideale Bewegungsmuster wieder neu erlernen, lassen sich damit sehr wahrscheinlich alle orthopädischen Schmerzen deutlich lindern oder gar beseitigen. Wer seine schlechte Haltung verbessert, sieht besser aus. Und wer sein Bewegungsmuster wiederfindet, ist...