Ändere deine Gedanken - und dein Leben ändert sich - Die lebendige Weisheit des Tao

von: Wayne W. Dyer

Goldmann, 2016

ISBN: 9783641212100 , 512 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 10,99 EUR

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Ändere deine Gedanken - und dein Leben ändert sich - Die lebendige Weisheit des Tao


 

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Das Tao, das mitgeteilt werden kann,
ist nicht das ewige Tao.
Der Name, der genannt werden kann,
ist nicht der ewige Name.

 

Das Tao ist sowohl benannt wie namenlos.
Das Namenlose ist der Ursprung aller Dinge,
als Benanntes ist es die Mutter der zehntausend Dinge.

 

Stets frei von Wünschen, erkennst du klar das Geheimnis.
Stets in Wünschen verstrickt, siehst du nur die Erscheinungsformen.
Doch das Geheimnis selbst ist das Tor
zu allem Verstehen.

 

 

 

Das Geheimnis

 

 

Im ersten Spruch des Tao Te King sagt uns Laotse, das Tao sei »sowohl benannt wie namenlos«. Das klingt für den westlichen Verstand paradox – und ist es auch! Paradoxes Denken ist in östlichen Vorstellungen verwurzelt, so gibt es zum Beispiel Yin und Yang oder weiblich und männlich. Dort werden Dinge problemlos als sowohl dies als auch das beschrieben. Im Westen hingegen begreifen wir Gegensätze eher als miteinander unvereinbar und widersprüchlich. Das Tao Te King jedoch fordert dazu auf, unsere eingefahrenen Denkweisen zu ändern und zu beobachten, wie sich unser Leben infolgedessen verändert.

Das Tao ist ein unbegreiflicher, unsichtbarer Bereich, in dem alles seinen Ursprung nimmt. Gleichzeitig steckt das Tao unsichtbar in allem. Wenn wir die Unsichtbarkeit (das Geheimnis) sehen wollen, versuchen wir, es in Begriffen der äußeren Formenwelt zu definieren, die Laotse »die zehntausend Dinge« nennt. Sein Rat lautet: Erst das Geheimnis nicht mehr sehen zu wollen, lässt es uns sehen. Oder wie ich es gern betrachte: »Lass los und lass Gott gewähren.« Wie aber können wir das? Eine Möglichkeit wäre, uns mehr paradoxes Denken zu erlauben und uns darin zu üben, indem wir erkennen, dass wünschen (wollen) und wunschlos sein (zulassen) verschieden und gleich sind – etwa so wie die rätselhaften Enden eines Kontinuums.

Wünschen drückt sich durch das Schaffen physischer Bedingungen aus, unter denen wir aufnahmefähig sind, das heißt, es ist die materielle Vorbereitung zum Empfangen. Laotse zufolge offenbart der Wunsch, das Geheimnis des Tao kennen lernen oder sehen zu wollen, Hinweise auf dessen Existenz in einer Vielfalt von Erscheinungsformen, das Geheimnis selbst jedoch nicht. Doch dies ist keine Sackgasse! Auf dem Boden des Wünschens wächst die Blüte des geheimnisvollen Tao. Es ist, als verwandle sich Wollen in müheloses Zulassen. Wünschen hilft, Erscheinungsformen wahrzunehmen. Wunschlos sein hilft, das Geheimnis selbst zu sehen.

Wenn wir uns darauf einstimmen, was uns Laotse sagt, wird bald klar, dass die Welt reichlich Beispiele für dieses Paradox liefert. Denken Sie an Gartenarbeit und den Wunsch nach köstlichen selbstgezogenen Tomaten oder Narzissen. Schließlich muss man sie wachsen lassen. Denken Sie nun an etwas im Leben, bei dem es um Wünschen geht und inwiefern es sich von Zulassen unterscheidet: Zum Beispiel einschlafen wollen statt einschlafen. Eine Diät machen wollen statt sie durchführen. Lieben wollen statt lieben. In Bezug auf das Tao bedeutet wunschlos sein vertrauen, erlauben und zulassen. Der Wunsch ist sowohl Anfang als auch Nährboden des Wunschlos-Seins, Wollen jedoch ist auch der Anfang und Nährboden des Zulassens. Sie sind gleich und verschieden.

Achten Sie auf Momente, in denen Sie körperlich spüren, wo Sie sich auf dem Kontinuum zwischen Wünschen und Zulassen (oder Versuchen und Tun) befinden. Versuchen, Klavier zu spielen, Auto zu fahren oder Rad zu fahren ist dasselbe – und anders – wie tatsächlich Klavierspielen, Autofahren und Fahrradfahren. Hat man diese Tätigkeiten in der Außenwelt erst einmal gewünscht und gelernt, kommt die Zeit, in der man sie geschehen lassen muss. Hier geht es darum, erst den Unterschied zwischen Versuchen und Zulassen körperlich zu spüren und dann die Mühelosigkeit des Zulassens bewusst wahrzunehmen. Die Übung führt zudem zu einem größeren Gewahrsein des unsichtbaren Geheimnisses und der zehntausend Dinge – der sichtbaren Erscheinungen der Welt.

Die zehntausend Dinge, die Laotse nennt, stellen die kategorisierten, klassifizierten und wissenschaftlich benannten irdischen Objekte dar, mit deren Hilfe wir miteinander kommunizieren und festlegen, worüber wir sprechen und denken. Doch trotz aller technologischer Fachkenntnisse und wissenschaftlicher Kategorisierungen können wir in Wirklichkeit kein menschliches Auge, keine menschliche Leber und nicht einmal ein Weizenkorn erschaffen. Das alles – mit allem Übrigen, aus dem die bekannte oder benannte Welt besteht – geht aus dem Geheimnis hervor: dem ewigen Tao. Ebenso wie die Welt nicht identisch ist mit ihren benannten Bestandteilen, sind wir nicht ausschließlich Haut, Knochen und Bäche von Flüssigkeiten, aus denen wir körperlich bestehen. Auch wir sind das ewige Tao, das unsere Zunge unsichtbar zum Sprechen, die Ohren zum Hören und die Augen dazu animiert, die Erscheinungsformen und das Geheimnis zu sehen und zu erleben. Die Art, wie man das Tao übt, besteht letztlich darin, das namenlose Geheimnis bewusst zuzulassen.

Bedeutet dies, dass man sich Leiden aussetzen soll? Natürlich nicht. Bedeutet dies, in dem Moment, in dem Sie ausgeraubt oder misshandelt werden, auf das Geheimnis zu vertrauen? Wahrscheinlich nicht. Bedeutet dies, nie etwas ändern zu wollen? Nein. Es bedeutet hingegen sehr wohl zu üben, im Geheimnis zu verweilen und zuzulassen, dass es ungehindert durch Sie hindurchfließt. Es bedeutet, das Paradox zuzulassen, gleichzeitig in der Form zu sein und zuzulassen, dass sich das Geheimnis offenbart.

Leben Sie das Tao. Suchen Sie sich Ihre eigene Art, im Geheimnis zu leben. Wie Laotse im ersten Spruch sagt: »Das Geheimnis selbst ist das Tor zu allem Verstehen.«

Hier mein Rat, um diesen Abschnitt in eine tägliche Übung im 21. Jahrhundert zu übertragen:

 

 

Erstens und vor allem: genießen Sie das Geheimnis!

 

Lassen Sie die Welt sich entfalten, ohne immer alles verstehen zu müssen. Lassen Sie beispielsweise Beziehungen einfach sein, da sich alles nach göttlicher Ordnung ausbreitet. Versuchen Sie nicht so verbissen, etwas zum Erfolg zu führen – lassen Sie es einfach zu. Bemühen Sie sich nicht ständig, Ihren Gefährten, Ihre Kinder, Ihre Eltern, Ihren Chef oder wen auch immer zu verstehen, denn das Tao ist jederzeit am Werk. Zerschlagen sich Erwartungen, so üben Sie, die Dinge sein zu lassen, wie sie sind. Entspannen Sie sich, lassen Sie los, lassen Sie zu und anerkennen Sie, dass es bei einigen Ihrer Wünsche um die Vorstellung geht, wie Ihre Welt sein sollte, nicht wie sie im Augenblick ist. Werden Sie ein scharfer Beobachter. Beurteilen Sie weniger und hören Sie mehr zu. Nehmen Sie sich Zeit, sich innerlich dem faszinierenden Geheimnis und der Ungewissheit aufzuschließen, die wir alle erleben.

 

 

Üben Sie, nicht mehr alles benennen und bezeichnen zu müssen.

 

Benennen haben die meisten in der Schule gelernt. Das haben wir eifrig getan, um die Dinge korrekt zu definieren und so genannte »gute Noten« zu bekommen. In den meisten Schulen wurde darauf bestanden, alles zu bestimmen. Das hat Schulabgänger mit Anhängeschildchen aus uns gemacht, auf denen Kenntnisse nach bestimmten Kategorien festgelegt waren. Dabei wissen wir, ohne dass jemand es uns zu sagen braucht, dass es keinen Titel oder akademischen Grad und kein spezifisches Etikett gibt, das uns wirklich definieren könnte. Ebenso wie Wasser nicht das Wort Wasser – oder agua, water oder H2O – ist, ist nichts im Weltall identisch mit seiner Benennung. Trotz endloser Kategorisierungen lässt sich kein Tier, keine Blume, kein Mineral und kein Mensch wirklich beschreiben. Ebenso sagt uns das Tao: »Der Name, der genannt werden kann, ist nicht der ewige Name.« Wir sollten uns in der Herrlichkeit des Gesehenen und Empfundenen sonnen, statt uns stets alles merken und es einordnen zu wollen.

 

 

Leben Sie das Tao – jetzt

 

Registrieren Sie heute bewusst etwas, was Sie an jemandem oder in einer Situation ärgert oder irritiert. Beschließen Sie, genau in diesem Moment das Tao zu leben (bzw. den Weg zu üben), indem Sie sich neugierig nach innen wenden, um herauszufinden, wo Sie auf dem Kontinuum zwischen Wünschen und Zulassen stehen. Lassen Sie das Paradox zu: zu wünschen, das Irritierende solle verschwinden, und es sein zu lassen, was es ist. Suchen Sie es in Ihren Gedanken und erlauben Sie sich, es zu spüren, wo immer es sich befindet und wie es sich in ihrem Körper bewegt.

Konzentrieren Sie sich ganz darauf, offen zu sein und lassen Sie zu, dass die Toleranz sich mit dem Geheimnis in Ihrem Inneren anfreundet. Nehmen Sie wahr, wie sich das...