Alea iacta est - Faszinierende Geheimnisse eines ungewöhnlichen Spielwürfels

Alea iacta est - Faszinierende Geheimnisse eines ungewöhnlichen Spielwürfels

von: Peter P. Eckstein

UVK Verlagsgesellschaft mbH, 2016

ISBN: 9783739802350 , 174 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 19,99 EUR

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Alea iacta est - Faszinierende Geheimnisse eines ungewöhnlichen Spielwürfels


 

1 Betrachtungen eines gewöhnlichen Spielwürfels


1.1 Interessante geometrische Einblicke


Ein Bild ersetzt mitunter viele wohlgesetzte Worte: In Anlehnung an die Abbildung 1 stelle man sich einmal vor, ein „alter Germane“ würfe einen solchen eckigen Stein.

Beachtenswert sind in diesem Kontext zwei Notizen: Zum einen lässt sich in der deutschen Sprache das Verbum „würfeln“ als Tätigkeitswort aus dem Verbum „werfen“ herleiten, da der Konjunktiv II von „werfen“ mit „würfe“ zu vermerken ist. Zum anderen wird der geworfene und mit eingekerbten Augen gekennzeichnete eckige Stein umgangssprachlich mit dem Etikett eines Spielwürfels versehen und in der sogenannten Stereometrie der in der Abbildung 2 plakatierten Familie der fünf sogenannten regulären Polyeder zugeordnet.

Abb. 1: Würfeln

Abb. 2: Die fünf regulären Polyeder

In der Stereometrie, die gemäß ihrem griechischen Wortursprung die Lehre von der Messung und Berechnung von Körpern ist, kennzeichnet man die fünf regelmäßigen Vielflächner auch als platonische Polyeder, da sie zum einen von regelmäßigen und deckungsgleichen vieleckigen Flächen begrenzt werden und zum anderen an jeder Ecke gleichviele Kanten zusammentreffen.1

Abb. 3: Spielwürfel

Aufgrund dessen, dass analog zur Abbildung 3 ein gewöhnlicher Spielwürfel durch sechs kongruente und quadratische Flächen getragen wird, kennzeichnet man ihn in Anlehnung an das Griechische hex für „sechs“ und herda für „Fläche“ als ein Hexaeder, das als ein Sechsflächner zudem noch acht Ecken, in denen jeweils drei kongruente Quadrate zusammentreffen, und zwölf Kanten von jeweils gleicher Länge besitzt.

In diesem Zusammenhang erweist sich ein kurzer Blick auf die Briefmarke innerhalb der Abbildung 4 als interessant.

Abb. 4: Polyederformel

Es war im Jahr 1983, als die Post der DDR im Wert von 20 Pfennigen eine Briefmarke in Erinnerung an das 200 Jahre zurückliegende Todesjahr des bedeutenden Mathematikers Leonhard EULER (*1707, †1783) herausgab. Neben der geometrischen Figur eines Ikosaeders als ein Zwanzigflächner ist auf der Briefmarke die leicht zu übersehende Gleichung

ek + f = 2

vermerkt, die zu Ehren von EULER auch als Eulersche Polyederformel oder als Eulerscher Polyedersatz bezeichnet wird, gleichwohl vermutlich schon der legendäre Mathematiker der griechischen Antike ARCHIMEDES von Syrakus (*ca. 287 v.Chr., † 212 v.Chr.) und mit Gewissheit der französische Mathematiker René DESCARTES (*1596, †1650) den sogenannten Polyedersatz gekannt haben.2 Demnach gilt für platonische oder reguläre Polyeder die folgende Regel: Anzahl der Ecken e minus Anzahl der Kanten k plus Anzahl der Flächen f ist gleich zwei.

Gemäß Abbildung 3 gilt für ein regelmäßiges Hexaeder in Gestalt eines gewöhnlichen sechsseitigen Spielwürfels

ek + f = 8 − 12 + 6 = 2.

Die Polyederformel kann man sich auch anhand der restlichen vier regelmäßigen Vielflächner verdeutlichen. Während für ein Tetraeder als einen Vierflächner

ek + f =4 − 6 + 4 = 2

gilt, gelangt man für ein Oktaeder als einen Achtflächner wegen

ek + f =6 − 12 + 8 = 2,

für ein Pentagondodekaeder in Gestalt eines Zwölfflächners wegen

ek + f =20 − 30 + 12 = 2

und für ein Ikosaeder im Erscheinungsbild eines Zwanzigflächners wegen

ek + f =12 − 30 + 20 = 2

stets zu einem gleichen Resultat. In Erinnerung an die eigene Gymnasialzeit hätte der „Mathepauker“ die fünf auf der Polyederformel beruhenden Berechnungen noch mit der Abkürzung q.e.d. geschmückt, die gemäß dem Lateinischen quod erat demonstrandum für den finalen Kommentar „was zu zeigen war“ steht.

1.2 Die Augenzahlen und ihre exakten Geheimisse


Einen weiteren und nicht minder interessanten Einblick in die exakten Geheimnisse eines gewöhnlichen Spielwürfels gewährt das Ensemble der eingekerbten Augen, welche als „Augenmengen“ analog zur Abbildung 5 mit Hilfe der natürlichen Zahlen von eins bis sechs dargestellt und beschrieben werden können.

Abb. 5: Augen(an)zahlen

Beachtenswert ist dabei, dass die innerhalb der Abbildung 5 angebotene Zuordnung der ersten sechs natürlichen Zahlen auf die sechs kongruenten bzw. deckungsgleichen Flächen in Gestalt von sechs Quadraten nur eine von insgesamt 720 möglichen Anordnungen darstellt.

Im Blickwinkel der Kombinatorik, die gemäß ihrem lateinischen Wortursprung die Lehre von der Zusammenstellung von Elementen ist, kann die Anzahl der möglichen Augenzahlanordnungen als eine Permutation von sechs Elementen ohne Wiederholung dargestellt werden, wobei im konkreten Fall

1 · 2 · 3 · 4 · 5 · 6 = 6! = 720

gilt.3 Die verkürzende Notation 6! (lies: 6 Fakultät) in Gestalt des Produkts der natürlichen Zahlen von eins bis sechs geht auf den französischen Mathematiker Christian KRAMP (*1760, †1826) zurück.

Würde man analog zur Abbildung 5 die plakatierte Augenzahlzusammenstellung in Gestalt eines sogenannten Flächennetzes mit einer Schere ausschneiden und die erhaltene Vorlage zusammenfalten, erhielte man ein Hexaeder mit einer beachtenswerten Anordnung der Augenzahlen, die der Anschaulichkeit halber in der Abbildung 6 bildhaft dargestellt ist.

Abb. 6: Augenpaarsummen

Die drei Augenzahlpaare (1; 6) und (2; 5) sowie (3; 4) symbolisieren jeweils zwei sich auf der gegenüberliegenden Seite des Spielwürfels eingekerbte Augenzahlen, deren Summe jeweils sieben ergibt. Jedes Augenzahlpaar ist dabei ein Zahlenbündel, das aus einer ungeraden und einer geraden natürlichen Zahl besteht. In der Mathematik heißen natürliche Zahlen gerade, wenn sie ohne Rest durch zwei teilbar sind. Ansonsten heißen sie ungerade. Der Volksmund würde diesen Tatbestand vermutlich und lakonisch wie folgt verlauten lassen: So wie sich im normalen Leben ein Männlein mit einem Weiblein paart, so paart sich auf einem gewöhnlichen Spielwürfel eine ungerade mit einer geraden Augenzahl.

Dass die Summe aller sechs Augenzahlen eines gewöhnlichen Spielwürfels wegen

7 + 7 + 7 = 3 · 7 = 21

ergibt, ist offensichtlich und leicht nachvollziehbar.

Was beim Betrachten der Abbildung 6 vermutlich nicht sofort augenscheinlich wird, ist ein faszinierendes und allgemeingültiges Konstruktionsprinzip, das dem bedeutenden deutschen Mathematiker Carl Friedrich GAUß (*1777, †1855) zugeordnet wird und daher in der Mathematik auch unter dem Begriff „Gaußsche Summenformel“ firmiert.

Der Legende nach soll ausgangs des 18. Jahrhunderts im ärmsten Viertel der Stadt Braunschweig im Herzogtum Hannover ein gern prügelnder Schullehrer namens BÜTTNER seinen Schülern am liebsten Rechenaufgaben gestellt haben, an denen sie lange arbeiten mussten und die kaum ohne Fehler zu lösen waren, so dass es zum Schluss einen Anlass gab, den Schlagstock hervorzuholen, da ihm das Zuschlagen Spaß machte. Eine dieser Aufgaben bestand darin, die Zahlen von eins bis einhundert zusammenzuzählen. Zu des Lehrers Entsetzen soll nach gerade einmal drei Minuten der kleine und schüchterne Schüler GAUß mit seiner Schiefertafel, auf der nur eine einzige Zeile geschrieben war, vor dem Lehrerpult gestanden haben: „50 mal 101 macht 5050“.4

Abb. 7: Fünfzig mal einhunderteins

Einmal unterstellt, dass in Anlehnung an die Abbildungen 6 und 7 der kleine GAUß auf seiner Schiefertafel lediglich drei Zahlenzeilen vermerkt hätte, indem er einfach in der ersten Zeile die natürlichen Zahlen von eins bis fünfzig und in der zweiten Zeile in umgekehrter Richtung, also von rechts nach links, die natürlichen Zahlen von einundfünfzig bis einhundert notiert hätte, dann wird augenscheinlich, dass deren spalten- und paarweise Summation stets das in der dritten Zeile vermerkte Ergebnis von einhunderteins liefert, so dass sich das Endergebnis auf fünfzig (bzw. hundert Halbe) mal hunderteins gleich fünftausendfünfzig...