Die Liebe der Pferde - Voneinander lernen, füreinander da sein

von: Nanda van Gestel - van der Schel

Cadmos Verlag, 2016

ISBN: 9783840464256 , 160 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 12,99 EUR

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Die Liebe der Pferde - Voneinander lernen, füreinander da sein


 

ABSCHIED UND NEUBEGINN


(Foto: Fotolia.com/Alexia Kascheva)

Als Natasha zwanzig Jahre alt war, musste ich eine schwere Entscheidung treffen. Der Weg unserer Familie führte uns zu diesem Zeitpunkt nach Amerika, wo mein Mann eine Stelle angeboten bekommen hatte. Ich wollte nichts lieber als diesen großen Schritt zu gehen, aber ich hatte Bedenken, ob ich Natasha diese lange Reise in ihrem Alter zumuten konnte. Genau zu dieser Zeit lernte ich Marijke kennen, eine nette Frau, die im gleichen Dorf wohnte wie wir. Sie träumte auch von einem eigenen Pferd und hoffte, diesem Pferd eines Tages zu begegnen. Es schien, als sei diese Begegnung vorbestimmt gewesen, was es für mich aber trotzdem nicht leichter machte. Ich wollte das tun, was für Natasha das Beste war, auch wenn das für mich weniger angenehm sein würde. Es gab einen Moment, in dem ich Natasha in Gedanken fragte, was sie am liebsten wollte. Ich erwartete nicht wirklich eine Antwort und war deshalb umso erstaunter, als sie mir trotzdem antwortete.

Liebe Nanda, hörte ich laut und deutlich in meinem Kopf, das Universum ist vollkommen. Alles ist miteinander verbunden, und wenn du dir, so wie wir Pferde es auch sind, dieser Verbundenheit bewusst bist, dann weißt du auch, dass alles gut ist, so wie es ist. Ich habe dir alles gezeigt, was ich dir beibringen konnte, und unsere Wege trennen sich hier. Wenn du mich an Marijke abgibst, kann ich auch ihr zeigen, was ich dir gezeigt habe. Dadurch würde mein Leben doppelt so wertvoll werden. Am anderen Ende der Welt wartet eine weiße Araberstute schon sehnsüchtig auf dich. Sie braucht dich sehr und wird auch deine neue Lehrmeisterin sein. Wenn du mich wirklich liebst, kannst du es beweisen, indem du mich loslässt, denn mein Leben geht hier weiter, so wie dein Leben dort weitergehen wird. Du wirst mich nicht verlieren, aber dadurch, dass du mich loslässt, werde ich dir näher sein, als ich es jemals war.

Ich wusste in diesem Moment, was ich zu tun hatte, und übergab Natasha schweren Herzens an Marijke.

Die weiße Araberstute, die in Amerika auf mich wartete, war Eden. Wir begegneten uns bald nach meinem Umzug. Dieses Pferd war eine fantastische neue Lehrmeisterin für mich. Die äußerst sensible und sehr ängstliche Stute hatte das Vertrauen zu Menschen verloren. Man konnte sich ihr kaum nähern, geschweige denn sie anfassen. Ich hatte gehofft, in Amerika alles über Natural Horsemanship zu lernen, und genau das konnte Eden mir beibringen. Die Stute ließ sich in keinster Weise zwingen oder begrenzen, schenkte mir aber alles, was sie in Freiheit zu geben hatte. Konventionelle Trainingsmethoden funktionierten bei Eden nicht, und so musste ich alles, was ich je gelernt hatte, überarbeiten. Den Prozess, den ich mit Eden durchmachte, habe ich in meinem Buch Die Seelenkraft der Pferde beschrieben. Ich erzähle darin, wie ich Eden half, die Wunden ihrer Vergangenheit zu heilen und wie sie zum Spiegel für mein eigenes Leben wurde.

Natasha hatte ihr Versprechen, dass ich sie nie verlieren würde, doppelt und dreifach eingelöst. Als ich in Amerika lebte, besuchte sie mich regelmäßig in meinen Träumen. Darin unterstützte sie mich nicht nur mit Tipps für den Umgang mit Eden, sondern hinterließ auch Nachrichten für Marijke. Durch diese Erlebnisse nahm ich die Verbundenheit, von der sie mir erzählt hatte, immer bewusster wahr.

Eines Tages dachte Marijke darüber nach, Natasha decken zu lassen. Sie hatte es mir zwar noch nicht erzählt, aber ich hatte schon davon geträumt. Marijke möchte gern, dass ich ein Fohlen bekomme, erzählte mir Natasha in diesem Traum. Kannst du ihr sagen, dass sie ihr Gefühl nicht trügt? Es gibt tatsächlich ein Fohlen, das durch mich bei ihr geboren werden wird. Marijke hat eine Verbindung mit dem Fohlen, die noch aus einem früheren Leben stammt. Es ist eine meiner Aufgaben, dieses Fohlen wieder mit Marijke zusammenzubringen. Für mich wäre es außerdem gut, das Muttersein noch zu erleben.

Ich versprach ihr die Nachricht an Marijke weiterzugeben. Gleichzeitig machte es mich ziemlich traurig und ein bisschen eifersüchtig, dass Marijke zusammen mit Natasha die Trächtigkeit und Geburt erleben durfte. Natürlich gönnte ich es Marijke von Herzen, aber ich hätte es selbst auch gewollt. Natasha spürte auch ohne Worte, was mich bewegte.

Hör zu, Nanda, hatte sie gesagt, so wie Marijke eine Seelenverbindung mit dem ungeborenen Fohlen hat, so sind auch unsere Seelen miteinander verbunden. Ich habe nicht mehr so lange zu leben. Einige Zeit nach der Geburt meines Fohlens werde ich sterben. Durch Eden werde ich danach wiedergeboren und komme so zu dir zurück. Alles ist miteinander verbunden, Nanda. Es gibt keinen Grund zur Trauer und schon gar nicht für Neid, denn das Universum ist vollkommen.

Marijke ließ Natasha decken und ein Jahr später wurde Fleur, eine wunderschöne Fuchsstute, geboren. Marijke machte dies sehr glücklich. Sie verschickte sogar Geburtsanzeigen. Ich fand es schade, dass ich zu weit weg wohnte, um bei Marijke und dem Fohlen vorbeischauen zu können. Marijke schickte mir aber ein Video, sodass meine Sehnsucht ein wenig befriedigt wurde. Natasha hat noch etwa ein Jahr lang ihr Fohlen genießen können, bevor sie starb. Nach ihrem Tod schien sie mir näher als je zuvor und gleichzeitig wurde mein Wunsch immer größer, sie auch physisch wieder in meinem Leben spüren zu können.

Mit Eden war ich im Lauf der Jahre so weit gekommen, dass ich sie sogar ohne Sattel und Zaumzeug reiten konnte. Die Geburt eines Fohlens würde eine schöne Krönung dieses Prozesses sein. Im kommenden Frühling sagte Natasha mir in einem Traum, dass die Zeit nun sowohl für sie als auch für Eden gekommen sei. Ich ließ Eden decken und genoss es sehr, dass ich nun an der Reihe war, die Trächtigkeit und Geburt aus nächster Nähe zu erleben. Obwohl Eden physisch trächtig war, fühlte ich mich in meiner Verbundenheit mit der ungeborenen Seele auch ein bisschen schwanger.

Als nach fast einem Jahr Edens Stutfohlen geboren wurde, kam ich im richtigen Moment in den Stall, um es in meine Arme schließen zu können. Ich nannte das Fohlen Hazel, weil es bei seiner Geburt so eine schöne haselnussbraune Farbe hatte. Es dauerte nicht lange und Hazel wurde genauso weiß wie ihre Mutter. Sie glich Eden äußerlich sehr, erinnerte mich in vielerlei Hinsicht aber auch an Natasha.

Marijke hatte Natasha nach ihrem Tod sehr vermisst. Ich war deshalb froh, dass sie Fleur noch hatte und nicht allein zurückblieb. Es war stimmig so; Natasha war wieder zu mir zurückgekommen, weil ich sie in Liebe losgelassen hatte, damit sie Marijke wieder mit ihrem Seelenpferd zusammenbringen konnte. Natasha hatte in Marijkes Leben viel in Bewegung gebracht. Außer Fleur kam noch ein Pony für die Kinder und ein großes Pferd für ihren Mann Karel zur Familie. Weil der Platz an ihrem Haus für drei Pferde nicht ausreichte, waren sie an einen Ort gezogen, an dem es eine große Wiese, Ställe und einen Reitplatz gab.

Mit der Zeit bekam ich immer mehr Anfragen von Menschen, die mich baten, ihnen mit ihren Pferden zu helfen. So konnte ich das, was ich von Eden gelernt hatte, nun für andere Menschen und Pferde nutzen. Hazel wuchs und gedieh und es machte mir viel Spaß, ihr schon in ihrem jungen Alter alles Mögliche beizubringen.

Viele Trainer in Amerika sind der Meinung, dass ein Pferd in den ersten Lebensjahren überhaupt nicht in der Hand eines Trainers sein sollte. Sie halten es für besser, junge Pferde einfach in einer Herde laufen zu lassen, bis sie ausgewachsen sind und eingeritten werden können. Ich verstehe gut, warum sie so denken. Fohlen sind nämlich sehr süß und es kommt immer wieder vor, dass Menschen dadurch geneigt sind, sie zu verwöhnen und ihnen keine Grenzen zu setzen. Oft wird dabei vergessen, dass ein Verhalten, das bei einem Fohlen niedlich ist, bei einem ausgewachsenen Pferd lebensgefährlich sein kann. Die Basis von Natural Horsemanship sind Vertrauen und Respekt. Damit die Beziehung mit dem Pferd gelingt, braucht man von beidem gleich viel. Fohlen, die von Anfang an oft unter Menschen sind, entwickeln relativ viel Vertrauen. Das ist eigentlich positiv zu sehen, solange man darauf achtet, dass sich die Entwicklung des Respekts damit die Waage hält.

Marijke war inzwischen eine gute Freundin. Wir telefonierten regelmäßig und ich freute mich, die Entwicklung von Fleur so ein wenig miterleben zu können. Sie gehörte zu Marijke, aber weil sie Natashas Fohlen war, fühlte ich mich auch mit ihr verbunden. Man könnte sagen, dass Marijke wie eine Mutter für Fleur war und ich wie eine Patentante, die sie ebenfalls in ihr Herz geschlossen hatte. Alle Geschichten von Marijke zeigten mir immer wieder, wie sehr Fleur in ihrer Familie geliebt wurde. Sie wurde wie eine richtige Prinzessin behandelt.

Hazel war drei Jahre nach Fleur geboren und als sie ein Jahr alt wurde, war Fleur schon vier. Während Hazel zu diesem Zeitpunkt schon viel gelernt und dadurch auch den nötigen...