Darts-WM 2017 - Die Stars, die Regeln, das Spektakel

von: Ulrich Kühne-Hellmessen

riva Verlag, 2016

ISBN: 9783959714211 , 128 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 13,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Darts-WM 2017 - Die Stars, die Regeln, das Spektakel


 

Die WM 2017
Darts boomt: Wenn das Ally
Pally zum Tollhaus wird ...


Hereinspaziert: Das Alexandra Palace in London ist seit 2008 traditionell Austragungsort der Darts-Weltmeisterschaft.

von Elmar Paulke

Die Weltmeisterschaft ist das größte und wichtigste Turnier im Jahr. Sie ist im Jahr 2017 mit 1,65 Millionen Pfund so hoch dotiert wie nie zuvor. Dem Sieger winkt ein Rekord-Preisgeld von 350.000 Pfund. Seit 2008 wird die Weltmeisterschaft des Profiverbandes (PDC) im Alexandra Palace von London ausgetragen. Es ist längst bei Fans und Spielern bekannt als das Party-Turnier des Jahres. Knapp 70 000 Zuschauer waren im vergangenen Jahr im Ally Pally mit dabei. Bei keinem anderen Turnier der Welt sind derart viele Fans verkleidet und kostümiert. Es hat inzwischen Tradition, dass Fangruppen von 50 bzw. 60 Personen im gleichen Kostüm kommen, um einen ausgelassenen Abend zu erleben. Die Spieler müssen sich bei all dem Trubel auf ihr Spiel konzentrieren, auf acht Millimeter schmale Felder. Doch es lohnt sich: Wer bei der WM Erfolg hat, bekommt nicht nur seinen Eintrag in den Darts-Geschichtsbüchern, es ist die Möglichkeit, einen gewaltigen Karriereschritt zu gehen. WM-Siege oder auch -Finalteilnahmen haben in der Vergangenheit Leben von Profispielern verändert, weil durch diesen Erfolg der Sprung in die Weltspitze gelang. Da gibt es einige Beispiele. Auch wenn der letzte WM-Sieg des Phil Taylor 2013 inzwischen ein paar Jahre zurückliegt, er ist mit großem Abstand der erfolgreichste Spieler bei einer Weltmeisterschaft. 16-mal hat er sich den WM-Titel in den vergangen 27 Jahren sichern können. Auch 2017 gehört er zum engsten Favoritenkreis. Ein weiterer Erfolg könnte der krönende Abschluss seiner einzigartigen Karriere sein, doch viele Experten trauen ihm solch einen Triumph nicht mehr zu.

Tollhaus Ally Pally: Der Saal ist viel zu klein, die Tickets lange zuvor ausverkauft. Aber die Stimmung im Alexandra Palace in London ist unübertroffen.

Die Geschichte der Darts-Weltmeisterschaft geht bis in das Jahr 1978 zurück. Zu dieser Zeit existierte der Profiverband PDC noch nicht. Er wurde erst Anfang der 1990er Jahre gegründet. Die allererste Weltmeisterschaft veranstaltete die British Darts Organisation (BDO), die es seit 1973 gibt. Mit ihr wurden in England nationale Strukturen geschaffen, die nicht nur dem Breitensport dienen, sondern auch von Beginn an versuchen, Profispielern ein Dasein zu ermöglichen. Und das bedeutete nicht nur Preisgeldturniere zu veranstalten, sondern Darts auch ins Fernsehen zu bringen, um für große Sponsoren interessanter zu sein.

So sehen Sieger aus: Gary Anderson geht als Titelverteidiger an den Start, zeigt hier stolz die Sid-Waddell-Trophy für den Sieger.

Die erste Weltmeisterschaft war ein Einladungsturnier. Da es erst ab Mitte des Jahres 1978 eine Weltrangliste gab, stellte die BDO das Teilnehmerfeld zusammen, lud 16 Spieler ein. Die WM ging über fünf Tage, wurde in Nottingham im The Heart of Middlands ausgetragen, einem heutigen Musikclub, der mit dieser BDO-WM seine erste große Veranstaltung erlebte. Die BBC sendete bereits von diesem WM-Debüt, das mit insgesamt 10.500 Pfund dotiert war. 3.000 Pfund gingen an den Sieger Leighton Rees aus Wales. Er bezwang im Finale mit 11:7 Legs den Engländer John Lowe.

John Lowe prägte zusammen mit Eric Bristow die ersten 15 WM-Jahre. In jedem Jahr stand mindestens einer der beiden im Finale. Bristow, der die Weltmeisterschaft fünfmal in seiner langen Karriere gewinnen konnte, spielte alleine zehn Finals. Er war der erfolgreichste Spieler der 1980er Jahre und durch die vielen Fernsehübertragungen in England bekannt wie ein bunter Hund. In dieser Zeit erlebte Darts seine zweite große Boom-Phase. Die erste wurde vom Zweiten Weltkrieg gestoppt. Als die Queen persönlich die News of the World Championships im Jahr 1937 eröffnete, erreichte Darts in England zum ersten Mal die Mittelschicht. Darts wurde nicht mehr nur in Kneipen gespielt, sondern auch in neu geschaffenen Darts-Saloons. Doch mit Beginn des Zweiten Weltkriegs verschwanden diese Saloons wieder.

Szene aus dem Finale 2016: Der Schotte Gary Anderson besiegte Adrian Lewis.

In den 1980er Jahren erlebte Darts in England einen zweiten Popularitätsschub. Übertragungen im Fernsehen sorgten immer wieder für Quotenhits. Das WM-Finale von 1983 zwischen dem 23 Jahre jungen Keith Deller – „Del Boy“ – und der Nr. 1 der Welt, Eric Bristow – „The Crafty Cockney“ – verfolgten bis zu zehn Millionen Briten an den Fernsehbildschirmen. Es ist bis heute die höchste TV-Einschaltquote, die mit einem Darts-Match erreicht wurde. Deller war der erste Qualifikant, der ein WM-Finale erreichen konnte. Er arbeitete bis zu dieser Weltmeisterschaft als Hilfskraft in einer Kantine. Mit seinem Sieg über Eric Bristow kassierte er nicht nur das Preisgeld in Höhe von 8.000 Pfund, er bekam Sponsorenverträge, kaufte sich ein Haus mit Swimming Pool. Deller war über Nacht zum Volkshelden geworden. Die entscheidende Situation im Finale gegen Bristow war an Dramatik kaum zu überbieten. Bristow, damals bereits Doppel-Weltmeister, hatte beim Stand von 5:5 in den Sätzen einen Championship-Dart bei 50 Punkten Rest. Deller stand bei 138 Punkten. Doch anstatt auf das Bulls­eye zu werfen, zielte Bristow auf die 18, um bei der nächsten Aufnahme drei Chancen auf der Doppel-16 zu erhalten. Er traute seinem Gegner das 138er Finsh also nicht zu. Deller checkte mit T20, T18, D12. Dieses Finish ging als das Deller-Finish in die Geschichte ein und hat bis heute einen festen Platz im Darts-Vokabular für Fortgeschrittene.

Shakehands: Im Vorjahr scheiterte Rekordweltmeister Phil Tayler – „The Power“ – bereits in der 3. Runde an Jelle Klaasen.

Es gab in den vergangenen 39 Jahren natürlich einige denkwürdige WM-Finals. Das hochklassigste war das von 2007 zwischen Phil Taylor – „The Power“ – und Raymond van Barneveld – „Barney“. Es ist für viele das beste Match aller Zeiten. Barney gewann damals seine allererste PDC-WM. Er war im Februar 2006 mit einem Paukenschlag zur PDC gewechselt, nachdem er das BDO-WM-Finale gegen Landsmann Jelle Klaasen verloren hatte und zu wenig Anerkennung empfand. Damit spielten plötzlich die beiden besten Akteure der vorherigen zehn Jahre in einem Verband. Dieses Duell Taylor vs. van Barneveld prägte das gesamte Jahr 2006. Alle hofften auf den krönenden Abschluss dieser WM 2007, beide gewannen ihr Halbfinale mit jeweils 6:0-Sätzen, und dann spielten sie das allerletzte Match im WM-Austragungsort Circus Tavern von Purfleet, einer kleinen Stadt südlich von London. Im Jahr darauf wechselte die PDC zum Alexandra Palace. Taylor führte schnell mit 3:0 Sätzen, bevor der Niederländer eine große Aufholjagd begann, das Match in ein entscheidendes Sudden Death Leg brachte und sich den Sieg sicherte. Taylor hatte seit dem WM-Finale 2003 kein Match mehr bei der Weltmeisterschaft verloren. Dieser neue Zweikampf war für die PDC natürlich Gold wert.

Das ewige Duell: Fünfmal standen sich Phil Taylor und Dennis Priestley in einem WM-Finale gegenüber. Hier das Duell 1998.

Blickt man zurück auf weitere umkämpfte und besonders hochwertige WM-Finals, kommt man am BDO-Finale von 1992 nicht vorbei. Es ist das erste Finale seit 1983, seit dem Duell von Keith Deller und Eric Bristow, das in einen entscheidenden elften Satz geht. Phil Taylor benötigte den bis dahin höchsten Average eines WM-Finals (97,58), um den Briten Mike Gregory zu besiegen. Es ist das erste Finale, bei dem weder Bristow noch Lowe vertreten sind. Das 53. Leg dieses Matches war das Sudden Death Leg beim Stand von 5:5 in Sätzen und 5:5 in Legs. Nachdem Gregory bei 104 Punkten Rest die Möglichkeit vergab, Weltmeister zu werden, versenkte Taylor seinen ersten Championship-Dart in der Doppel-20. Er spielte im Entscheidungs-Leg einen 13-Darter, benötigte also nur 13 Darts, um die 501-Punkte auf null zu bringen. Im entscheidenden Moment seine besten Darts zu spielen, ist die Fähigkeit, die Taylor in den nächsten Jahrzehnten immer wieder auszeichnete. Taylor holte sich 1992 seinen zweiten WM-Titel.

Das PDC-WM-Finale von 1996 zwischen Taylor und Dennis Priestley ist auch so eine Partie, über die bis heute immer wieder gesprochen wird, weil sie ungewöhnlich viel Klasse und Dramatik hatte. Obwohl Priestley im Schnitt über 100 Punkte pro Aufnahme erzielte – er war der erste Spieler, der das in einem WM-Finale schaffte –, kam er an Taylor nicht vorbei. Priestley gegen Taylor, das war eine der großen Rivalitäten in der Geschichte von Darts. Sie spielten fünf WM-Finals gegeneinander. Oder das Finale von 2001, als Kevin Painter bereits mit 4:1-Sätzen gegen Taylor führte, Chancen zum 5:1 hatte und dennoch als Verlierer die WM-Bühne verließ. Oder 2003, als
Taylor nach 44 WM-Matchgewinnen das Finale gegen den Kanadier John Part verlor. Immer wieder war The Power in diese besonderen Partien bei Weltmeisterschaften verwickelt. Und so war auch sein bislang letztes WM-Finale 2015 gegen den Schotten Gary Anderson ein Match, das er erst im Entscheidungssatz aus den Händen gab. Auch dieses Finale war sehr besonders, vielleicht ja auch deshalb, weil es das letzte WM-Finale des großen Phil Taylor gewesen ist. Mal abwarten.

Jyhan Artut: der erfolgreichste deutsche WM-Teilnehmer.

1992 kommt es zum einen großen Bruch in der Darts-Geschichte. 16 Spieler, darunter beinah alle Weltmeister, schließen sich zusammen und gründen eine eigene Profi-Vereinigung, das World Darts Council. Darts hatte wegen des erlaubten Zigaretten- und Alkoholkonsums auf Darts-Bühnen ein großes Imageproblem. Erst...