Unsterbliche Seele? - Antworten der Philosophie

von: Hartmut Sommer

Topos, 2016

ISBN: 9783836760478 , 181 Seiten

Format: PDF, ePUB, OL

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Preis: 7,99 EUR

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Unsterbliche Seele? - Antworten der Philosophie


 

Zweiter Teil


Philosophische Antworten auf die Frage nach dem Tod


Sowohl die Intuition der Menschen aller Zeiten und Weltteile als auch Berichte über Nahtoderlebnisse und vor allem die religiösen Offenbarungsschriften haben erhebliches Gewicht bei der Beantwortung der Frage nach dem Tod. Hier aber wollen wir uns dem Thema rein philosophisch nähern, indem wir uns auf das beschränken, was wir mit den Mitteln der Vernunft begründet erschließen können.

Fragen wir also jetzt philosophisch, was der Tod des Menschen bedeutet und ob das Aktzentrum des Menschen, seine Seele, wie das traditionelle Wort dafür lautet, mit dem Leib vergeht oder ob es ein Weiterleben nach dem Tod gibt. Die philosophischen Antworten darauf hängen davon ab, wie jeweils die Stellung des Menschen in der Welt bestimmt wird, und diese wiederum ergibt sich aus dem philosophischen Verständnis der Welt selbst. Insbesondere die Aussagen über das, was Leib und Seele wesenhaft sind und in welchem Zusammenhang sie stehen, entscheiden darüber, wie die Frage nach dem Tod beantwortet wird. Zwei grundsätzliche Positionen lassen sich unterscheiden, die wir im Folgenden betrachten werden:

Monistische, die nur von einem einzigen Weltprinzip ausgehen, sei es Materie, Geist, Weltwille, Weltseele oder eine pantheistisch verstandene Allnatur.

Dualistische, die neben einer materiellen Dimension des Wirklichen eine davon wesensverschiedene geistige annehmen.

Zum Schluss werden wir noch fragen, was die Philosophie über ein Leben nach dem Tod sagen kann, wenn man begründet ein solches annehmen kann.

I. Können wir philosophisch überhaupt etwas über Tod und Weiterleben sagen?


Zunächst aber müssen wir uns noch versichern, dass wir auf dem Wege der Philosophie tatsächlich wahre Aussagen über Tod und Weiterleben finden können. Dagegen stehen erkenntniskritische Auffassungen, die alles Suchen danach mit den Mitteln der Vernunft, also die Metaphysik, für vergeblich halten. Damit wären wir hier bereits am Ende. Vor allem David Humes Empirismus und Immanuel Kants Transzendentalphilosophie haben die Metaphysik infrage gestellt, mit weitreichenden Nachwirkungen bis heute. Es lässt sich aber zeigen, dass diese Auffassungen in sich widersprüchlich sind und keineswegs das letzte Wort haben.

Der skeptische Empirismus David Humes

Der schottische Aufklärungsphilosoph David Hume (1711–1776) und der englische Empirismus vor allem haben die Reichweite unserer Erkenntnismöglichkeiten radikal auf das uns unmittelbar sinnlich Gegebene beschränken wollen. Danach bilden sich unsere Erkenntnisse nur aus Sinneseindrücken (impressions) und davon abgeleiteten Vorstellungen (ideas). Erst durch Assoziierung, also Verknüpfung der Vorstellungen durch wiederholtes gemeinsames Auftreten, entstehen Ganzheiten. Sie entsprechen nicht realen Ganzheiten der äußeren Welt. So sei Kausalität nur die gewohnheitsmäßige Verbindung regelmäßig nacheinander sich ereignender Vorgänge, nicht ein realer Zusammenhang von Ursache und Wirkung. Eine Ursache ist demnach ein Gegenstand, „dem ein anderer folgt, und dessen Eintritt immer die Gedanken auf diesen anderen führt“26. Ebenso gibt es kein in der Zeit beharrendes reales Etwas, also keine Substanz, sondern nur eine verknüpfende Zusammenfassung von Vorstellungen unter einem Begriff. Dementsprechend löst Hume das Ich auf in ein Bündel flüchtiger Wahrnehmungen im Bewusstseinsstrom. Reißt dieser Strom ab, etwa durch Schlaf, existiert das Ich nicht.27

Damit sind wir gefangen in psychologischen Mechanismen und ohne Zugang zu objektiven Erkenntnissen. Die Konsequenz ist ein Skeptizismus, demzufolge alle Wissenschaften nur Annäherungen sind. Metaphysik, die über das sinnlich Wahrnehmbare hinaus denken will, also auch nach dem Weiterleben der Seele fragt, ist gar nicht möglich. Hume hat mit diesen Ansichten grundstürzend gewirkt und war außerordentlich einflussreich bis hin zum Positivismus des 20. Jahrhunderts, der die Gegenstände der Metaphysik für reine Scheinprobleme hielt.

Aber auch Hume hat sich über den Tod geäußert. Seine Auffassung ergibt sich notwendig aus der Bestimmung des Ich als Bewusstseinsstrom. Da es damit eine substanzielle Seele, die weiterleben könnte, nicht gibt, bedeutet das endgültige Abreißen dieses Bewusstseinsstroms eben schlicht das Ende des Ich (what I call myself). Es wird einfach zu nichts (non-entity), denn es ist ja nichts anderes als eine Aneinanderreihung von Wahrnehmungen.

Exkurs

Als Anekdote sei noch ein Argument von Hume gegen die Unsterblichkeit angeführt, das verdeutlicht, wie selbst ein so scharfsinniger Geist zu Abstrusitäten gelangt, wenn er sich von den Grundlagen metaphysischen Denkens entfernt. Er meint, dass im Jenseits gar nicht genug Platz sein könne für all die Gestorbenen und Auferstanden, denn er kann nur in Kategorien des Raum-Zeitlichen und Sinnenhaften denken: „Auch die Verfügung über die unendliche Zahl posthumer Existenzen muss der religiösen Theorie Schwierigkeiten machen. Jeden Planeten jedes Sonnensystems haben wir die Freiheit als bevölkert mit intelligenten sterblichen Wesen vorzustellen, wenigstens lässt sich eine gegenteilige Annahme nicht beweisen. Für diese müsste demnach bei jeder neuen Generation eine neue Welt jenseits der Grenzen der gegenwärtigen erbaut werden, oder es müsste am Anfang eine so wunderbar weite Welt geschaffen sein, dass sie diese beständig einströmenden Wesen fassen kann.“28

Kants erkenntniskritische Transzendentalphilosophie

Immanuel Kant (1724–1804) konnte sich mit Humes Thesen nicht abfinden. Deren Konsequenzen beurteilte er kritisch, insbesondere den daraus folgenden Skeptizismus. Er wollte an der Möglichkeit objektiver Erkenntnis festhalten, meinte aber, hinter Humes Beschränkung auf die Sinneserfahrung nicht zurückgehen zu können. So setzte er, nachdem er als Universitätslehrer lange die klassische Metaphysik gelehrt hatte, unter dem Einfluss von Hume in seinem Alterswerk noch einmal zu einem bahnbrechenden Neuansatz an und entwarf seine Transzendentalphilosophie. Transzendental nennt er sie, weil sie die Bedingungen unserer Erkenntnismöglichkeit selbst aufhellen soll, im Unterschied zu Transzendenz, die ein Sein jenseits unserer raumzeitlichen Erfahrung meint.

Auch nach Kant ist die Erkenntnis des Menschen auf das beschränkt, was wir von der Welt über die Sinne erfahren. Insoweit folgt er Hume, aber anders als bei diesem verbindet sich das aus der Sinneserfahrung kommende Anschauungsmaterial nicht willkürlich durch Assoziation und Gewohnheit zu größeren Einheiten, wodurch es rein subjektiv bliebe. Kant nimmt vorgegebene Strukturen der Erkenntnis an, die den Sinnesstoff und unsere Vorstellungen gesetzmäßig ordnen. Dies sind zunächst die Anschauungsformen von Raum und Zeit, die dem ungeordnet auf uns einströmenden Sinnesmaterial Form geben und es zu geordneten Wahrnehmungen umbilden. Die Wahrnehmungen wiederum sind Stoff für den Verstand, der aus ihnen nach festen Denkformen Begriffe bildet. Denkformen sind zum Beispiel Substanz und Kausalität. Kant nennt sie auch Kategorien und unterscheidet insgesamt zwölf. Damit ist zwar eine gewisse Sicherheit des Erkenntnisaktes gegeben, da er in feste Formen eingespannt ist, er bleibt aber subjektiv. Erkenntnis ist ja nach Kant immer aus dem gebildet, was wir über die Sinne von der Welt erfahren, und dem, was wir durch Anschauungsformen und Denkformen hinzutragen. Das traditionelle Verständnis wurde damit von Kant geradezu auf den Kopf gestellt, indem er als Grundannahme davon ausging, „die Gegenstände müssen sich nach unserem Erkenntnis richten“ und nicht die Erkenntnis nach ihrem Gegenstand.29 Objektiv ist für ihn die Erkenntnis aber trotzdem, weil die Anschauungsformen und Denkformen a priori gültig sind, das heißt, sie sind notwendig und allgemeingültig. Sie stellen sicher, dass sich Wahrnehmung und Objekt immer und zuverlässig zu einer bestimmten Erkenntnis verbinden. Kant erläutert das am Beispiel der Schwere eines Körpers. Wir erfahren nicht nur das subjektive Gefühl der Schwere, auf das wir nach Hume beschränkt wären, sondern erkennen tatsächlich auch, dass der Körper schwer ist, denn „diese beiden Vorstellungen sind im Objekt, d. i. ohne Unterschied des Zustandes des Subjekts, verbunden, und nicht bloß in der Wahrnehmung (sooft sie auch wiederholt sein mag) beisammen“30. Dies ist die transzendentale Einheit der Apperzeption, womit Kant die objektiv gültige Synthese aus Sinnesdaten sowie Anschauungs- und Denkformen meint. Wir erkennen also tatsächlich nicht nur Schein, sondern ein reales Etwas, das erscheint. Welche absolute Wirklichkeit aber hinter dem ist, das uns vermittelt über die Sinneseindrücke erscheint, bleibt uns verborgen, denn Raum und Zeit und die Kategorien gelten nur im Bereich...