Wahrnehmung von Online-Musikrechten durch Verwertungsgesellschaften im Binnenmarkt

von: Robert Heine

Walter de Gruyter GmbH & Co.KG, 2008

ISBN: 9783899495959 , 298 Seiten

Format: PDF

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 129,95 EUR

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Wahrnehmung von Online-Musikrechten durch Verwertungsgesellschaften im Binnenmarkt


 

Drittes Kapitel: Das System der Gegenseitigkeitsverträge (S. 109-110)

A. Definition und Bedeutung der Gegenseitigkeitsverträge

Die Musikverwerter sind nicht nur am nationalen Repertoire einer Verwertungsgesellschaft interessiert, sondern benötigen auch die Nutzungsrechte für Werke aus dem Ausland. Grund ist die Nachfrage der Konsumenten nach internationaler Musik. Aus dieser Nachfrage folgt umgekehrt, dass die Rechteinhaber einen Bedarf haben, ihre Rechte im Ausland effektiv wahrnehmen zu lassen. Die Verwertungsgesellschaften begegnen dem durch sog. Gegenseitigkeitsverträge. Unter Gegenseitigkeitsverträgen versteht man bilaterale Verträge zwischen Verwertungsgesellschaften aus unterschiedlichen Ländern.

Die Verwertungsgesellschaften beauftragen sich in den Verträgen gegenseitig mit der Wahrnehmung der ihnen von ihren Mitgliedern anvertrauten Rechte im Gebiet der anderen vertragsschließenden Gesellschaft.417 So mandatiert etwa die französische SACEM die deutsche GEMA mit der Wahrnehmung ihrer „französischen Rechte“ in Deutschland und erhält im Gegenzug von der GEMA den Auftrag, in Frankreich die Rechte der GEMA-Mitglieder wahrzunehmen. Die Verwertungsgesellschaften schließen nach Möglichkeit mit jeder Verwertungsgesellschaft im Ausland Gegenseitigkeitsverträge ab. Das dadurch entstehende Netz der Gegenseitigkeitsverträge führt dazu, dass jede beteiligte Verwertungsgesellschaft über die Rechte am sog. Weltrepertoire urheberrechtlich geschützter Musik verfügt.

Das Repertoire der Verwertungsgesellschaften setzt sich somit aus den Werken ihrer eigenen Mitglieder (nationales Repertoire) und aus den Werken ihrer ausländischen „Schwestergesellschaften“ zusammen (ausländisches Repertoire) Inhaltlich lassen sich die Gegenseitigkeitsverträge mit den Wahrnehmungsverträgen vergleichen.419 In beiden Verträgen geht es darum, dass eine Verwertungsgesellschaft mit der Wahrnehmung von Urheber- oder Leistungsschutzrechten beauftragt wird und ihr zu diesem Zweck Nutzungsrechte treuhänderisch eingeräumt werden. Dementsprechend wird der Gegenseitigkeitsvertrag nach deutschem Recht vertragstypisch wie der Wahrnehmungsvertrag beurteilt, nämlich als urheberrechtlicher Geschäftsbesorgungsvertrag. ,

Die Verwertungsgesellschaften schließen die Gegenseitigkeitsverträge zu dem Zweck ab, sich bei der Erfüllung ihrer wahrnehmungsvertraglichen Pflichten gegenüber ihren Mitgliedern zu unterstützen und eine weltweite Verwertung der Werke zu ermöglichen. Für die Gegenseitigkeitsverträge ist charakteristisch, dass sich die Vertragsparteien verpflichten, die ihnen eingeräumten ausländischen Rechte zu den gleichen Bedingungen wie die Rechte ihrer eigenen Mitglieder wahrzunehmen (Gleichbehandlungsgrundsatz). Die Pflicht zur Gleichbehandlung umfasst im Grundsatz sämtliche Wahrnehmungsbedingungen. Die Verwertungsgesellschaften müssen die gleichen Tarife zur Geltung bringen, bei der Durchsetzung der ausländischen Rechte ebenso effektiv vorgehen wie hinsichtlich der inländischen Rechte und die gleichen Verteilungsregeln anwenden.

B. Funktionen der Gegenseitigkeitsverträge

Die Gegenseitigkeitsverträge erfüllen für die Rechteinhaber, die Verwerter und die Verwertungsgesellschaften die folgenden Funktionen. I. Für die Rechteinhaber Die Urheber- und Leistungsschutzberechtigten profitieren von den Gegenseitigkeitsverträgen dadurch, dass sie ihre Rechte nicht an verschiedene nationale Verwertungsgesellschaften übertragen müssen, um eine weltweite Rechtewahrnehmung sicherzustellen.

Sie müssen nur einen Wahrnehmungsvertrag mit einer einzigen Verwertungsgesellschaft abschließen. Das führt zu einer erheblichen Ersparnis von Transaktionskosten. Darüber hinaus wäre es für die Rechteinhaber oftmals auch schwierig oder gar unmöglich, eine ausländische Verwertungsgesellschaft zu beauftragen, weil sich viele Gesellschaften jedenfalls primär, zum Beispiel sprachlich bedingt, an die nationalen Rechteinhaber richten.

Daran zeigt sich eine weitere Funktion der Gegenseitigkeitsverträge, die für die Rechteinhaber von Bedeutung ist. Aufgrund der internationalen Abkommen zum Urheberrecht sind die Vertragsstaaten dazu verpflichtet, den Urhebern den gleichen Schutz zu gewähren wie den eigenen Staatsangehörigen (Grundsatz der Inländerbehandlung).423 Dieser Grundsatz liefe in praktischer Hinsicht leer, wenn ein Rechteinhaber mit einer ausländischen Verwertungsgesellschaft entweder gar nicht oder zu ungünstigeren Bedingungen kontrahieren könnte als die dort ansässigen Rechteinhaber, obwohl er auf die Wahrnehmung seiner Rechte durch sie faktisch oder rechtlich angewiesen ist.