Normen für die rechtssichere Anwendung von Change-of-Control-Klauseln

von: Ralf Rittwage

Walter de Gruyter GmbH & Co.KG, 2009

ISBN: 9783899496277 , 238 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 89,95 EUR

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Normen für die rechtssichere Anwendung von Change-of-Control-Klauseln


 

5. Gesetzesimmanente Rechtsfortbildung (S. 102-104)

Die Untersuchungsergebnisse der vorangegangen Kapitel haben gezeigt, dass bei der Anwendung von Change-of-Control-Klauseln in wesentlichen Vereinbarungen im Sinne der §§ 289 Abs. 4, 315 Abs. 4 HGB bisher Rechtsunsicherheit besteht. Aufgrund dieser Rechtslage tragen die Wirtschaftsunternehmen, die sich mit Change-of-Control- Klauseln vor wirtschaftlichen und wettbewerblichen Gefahren schützen wollen, ein nicht unerhebliches Subsumtionsrisiko. Angesichts dessen erscheint die Weiterentwicklung der vorhandenen Normen zwingend erforderlich, denn als vertragliche Regelung ist die Changeof- Control-Klausel ein Rechtsakt und die Rechtsordnung muss über die Rechtswirkungen eines Rechtsaktes Regeln schaffen.

5.1. Voraussetzungen einer Analogie

Nach den vorstehenden Untersuchungsergebnissen könnte eine Gesetzeslücke bestehen, die geschlossen werden müsste. Eine solche liegt vor, wenn ein Rechtsfall nach dem bereits ausgelegten Recht nicht beurteilt werden kann, jedoch einer Beurteilung im Sinne der Festsetzung von Rechtsfolgen bedarf. Notwendig ist eine planwidrige Unvollständigkeit517. Vorliegend kommt eine so genannte unechte oder teleologische Lücke in Betracht, bei der der Gleichbehandlungsgrundsatz die Erstreckung der in einer oder mehreren Rechtsnormen vorgesehenen Rechtsgedanken und Rechtsfolgen auf einen vergleichbaren Sachverhalt erfordert.

Diese setzt voraus, dass der in einem Rechtsfall typischerweise auftretende Interessenkonflikt bereits Gegenstand vorhandener Nor men ist, seien dies geschriebene Gesetze oder von Rechtsprechung und Lehre entwickelte allgemeine Rechtsgrundsätze. Bei der analogen Anwendung von geschriebenen Gesetzen oder Rechtsgrundsätzen lassen sich die so genannte „gesetzesimmanente Rechtsfortbildung“ und die so genannte „gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung“ unterscheiden. Erstere bewegt sich „noch im Rahmen des ursprünglichen Plans, der Teleologie des Gesetzes selbst“. In diesem Bereich ist eine Regelungslücke dann planwidrig, wenn der Gesetzgeber bei der Schaffung gesetzlicher Vorschriften einen Anwendungsbereich schlicht übersehen hat. Letztere erfordert eine planwidrige Lückenhaftigkeit des Rechts, die sich nicht aus vorhanden gesetzlichen Vorschriften herleiten lässt, sondern sich aus „leitenden Prinzipien der Gesamtrechtsordnung“, also insbesondere aus Wertungen des Grundgesetzes, ergibt.

Um feststellen zu können, ob in Bezug auf Change-of-Control-Klauseln in wesentlichen Vereinbarungen im Sinne der §§ 289 Abs. 4, 315 Abs. 4 HGB eine Gesetzeslücke vorliegt, werden im Folgenden zunächst solche gesetzlichen Vorschriften untersucht, die einen unangemessenen Eingriff in den Rechtskreis der Vertragspartner und ihrer Gesellschafter in ähnlichen Zusammenhängen regeln. Anhand dieser Vorschriften soll geprüft werden, ob die bestehende Rechtsunsicherheit im Wege der „gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung“ beseitigt werden kann, also mit Hilfe einer analogen Anwendung vorhandener gesetzlicher Vorschriften. Im Anschluss daran wird im sechsten Kapitel danach gefragt, ob sich aus den Grundrechten der Vertragspartner und Aktionäre eine planwidrige Regelungslücke ergibt, die im Wege der „gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung“ geschlossen werden kann.

5.2. Analogie zu §§ 68 Abs. 2, 180 Abs. 2 AktG

Denkbar wäre zunächst eine analoge Anwendung der §§ 68 Abs. 2, 180 Abs. 2 AktG, denn diese Vorschriften über die Zulässigkeit einer Vinkulierung bilden die gesetzlich geregelte Ausnahme zu dem im Aktienrecht herrschenden Grundsatz der freien Übertragbarkeit der Aktien526. Die Interessenlage ist damit durchaus vergleichbar. Allerdings hat sich bereits bei der Behandlung drittbelastender Verträge unter 3.4. gezeigt, dass Vinkulierung und Change-of-Control-Klauseln mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten aufweisen. Es fehlt damit schon eine sichere Grundlage für die Annahme einer Regelungslücke.