Möglichkeiten und Instrumente zur Erhöhung der Kundenbindung im Einzelhandel

von: Torsten Drews

Examicus Verlag, 2012

ISBN: 9783656995692 , 91 Seiten

Format: PDF, ePUB

Kopierschutz: frei

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Preis: 36,99 EUR

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Möglichkeiten und Instrumente zur Erhöhung der Kundenbindung im Einzelhandel


 

1. Grundlagen der Untersuchung


 


1.1. Begriffliche Abgrenzung der Einzelhandelsunternehmung


 

Der Handel übernimmt in einer arbeitsteilig gegliederten Volkswirtschaft eine Überbrückungsfunktion hinsichtlich räumlicher, zeitlicher, qualitativer und quantitativer Spannungen zwischen dem Vorgang der Produktion und der Konsumtion.[1] Diese weitgefaßte Handelsaufgabe umschließt jeglichen Austausch von Gütern und Dienstleistungen zwischen den Organisationseinheiten einer Wirtschaft.[2] In der Handelsliteratur wird zwischen einem funktionalen und einem institutionalen Handelsbegriff unterschieden. Der funktionale Handelsbegriff erstreckt sich auf alle beschaffungs- und absatzwirtschaftlichen Verrichtungen zwischen Organisationseinheiten, d.h. er ist mit dem Begriff Distribution identisch. Dem steht der institutionale Handelsbegriff gegenüber, der nur jenen Teilbereich des Güteraustausches zwischen den Organisationseinheiten der Wirtschaft erfaßt, der von den auf Distributionsaufgaben spezialisierten Betrieben vollzogen wird.[3] Hierzu zählen vor allem die Groß- und Einzelhandelsbetriebe. „Großhandelsbetrieb“ und „Einzelhandelsbetrieb“ werden als Betriebsformen bezeichnet, die sich hinsichtlich der Merkmale Abnehmerkreis sowie Absatzmenge pro Verkaufsakt unterscheiden.[4]

 

Als Einzelhandelsbetriebe werden Handelsbetriebe bezeichnet, die Konsumwaren an Letztverwender absetzen. Agiert der Einzelhandelsbetrieb in einem marktwirtschaftlichen System, so bezeichnet man ihn als Einzelhandelsunternehmung.

 

Von dem Begriff der Betriebsform ist der Begriff des Betriebstyps zu trennen. Der Betriebstyp kennzeichnet die wirtschaftszweigspezifische Möglichkeiten der Artenglie­derung von Handelsbetrieben.[5] Folglich kann je nach der Art der Kombination von Betriebsfaktoren menschliche Arbeit, Betriebsmittel und Ware und damit einhergehender Leistungsausprägung in Groß- und Einzelhandelsbetriebstypen gegliedert werden.[6] Auf­grund dynamischer Wandlungsprozesse ist es außerordentlich schwierig, einen bestimmten Betriebstyp auf Dauer mit einer festgelegten Kombination von Struktur- und Instru­mentalmerkmalen zu bestimmen.[7]

 

Für die weitere Vorgehensweise soll zur Kennzeichnung der Einzelhandelsunternehmung insofern eine Einschränkung vorgenommen werden, als sich die Betrachtung ausschließlich auf den institutionalen Einzelhandel in Form von Ladengeschäften, d.h. auf Unternehmen des stationären Einzelhandels konzentriert.

 

1.2. Der Einzelhandel in der Bundesrepublik Deutschland


 

Der Einzelhandel in der Bundesrepublik Deutschland sieht sich seit Jahren mit einem tiefgreifenden Strukturwandel konfrontiert.[8] Die Einzelhandelsunternehmen agieren zunehmend in gesättigten Märkten, bei denen sich Marktanteilsgewinne im wesentlichen nur noch durch einen Verdrängungswettbewerb realisieren lassen.[9]

 

Als Ursachen werden vor allem die Sättigungstendenzen im traditionellen Bedarf durch den vorhandenen hohen Standard innerhalb der Ausrüstung der Haushalte, eine Verschiebung des Konsums von Waren zu Dienstleistungen, eine steigende Sparquote infolge höherer Versorgungsaufwendungen als Konsequenz aus der wachsenden Unsicherheit und die Abnahme der Kaufkraft der Konsumenten genannt.[10]

 

Die Folge waren Internationalisierungsstrategien der großen Handelsunternehmen nach West- und Osteuropa, die neben dem erhofften Umsatzwachstum allerdings auch zu einer weiteren Verschärfung der Wettbewerbssituation in den meisten Ländern führten.[11]

 

Gleichzeitig sind zahlreiche Handelsunternehmen bestrebt, ihre Marktanteile über eine massive Expansion der Verkaufsflächen abzusichern. Während die Gesamtumsätze im Einzelhandel stagnieren, expandieren die Verkaufsflächen in den alten Bundesländern im Jahresdurchschnitt bis zur Jahrhundertwende um 2% bis 2,5%, in den neuen Bundesländern um 3,5% bis 4%.[12] Aus den resultierenden Rentabilitätsproblemen ist zu erwarten, daß die Konzentrations- und Kooperationstendenzen im Handel weiter forcieren. Der Strukturwandel im Einzelhandel kennzeichnet sich auch durch die fortwährende Entstehung neuer Betriebstypen, die mit Hilfe einer innovativen Geschäftspolitik versuchen, Marktanteile bestehender Handelsunternehmen zu gewinnen.[13] Erfolgreiche Unterneh­menskonzepte unterliegen aufgrund fehlender Schutzrechte einer konkurrenzseitigen Imitation, da immaterielle Innovationen im Handel nicht im Sinne von Patenten oder Rechten schützbar sind.[14] Die Imitation erfolgreicher Unternehmenskonzepte führt zu einer Angleichung der Betriebstypen. Begründet wird diese Angleichung u.a. durch das „Wheel of Retailing“ von McNair (1931) bzw. durch die Dynamik der Betriebsformen von Nieschlag (1974).

 

Die zunehmende Perfektion und Ähnlichkeit der Produkte, die innerhalb einer Branche im Einzelhandel angeboten werden, bewirken eine fortschreitende Homogenisierung der Sortimente, da mit der Ausweitung des Warenvolumens eine gewisse qualitative Vereinheitlichung verbunden ist.[15] Mit der weitgehenden Vereinheitlichung der Sortimente verlieren die Handelsunternehmen die Möglichkeiten der Profilierung ihrer Einkaufsstätten über das Sortiment.

 

Zusätzlich bewirkt der Trend zur Ausweitung des Leistungsangebotes im Einzelhandel eine zunehmende wettbewerbliche Überschneidung von Handelssortimenten zwischen den Betriebstypen[16] mit der Folge, daß der Aufbau kundenseitiger Präferenzen für eine Einkaufsstätte immer problematischer wird. Dieser Trend wird durch das Phänomen des „information overload“ in der Kommunikationspolitik nachdrücklich verstärkt, wonach unter dem Einfluß der Informations- und Reizüberflutung bei den Konsumenten die Wirkungen einzelner Kommunikationsmittel dramatisch nachlassen.[17]

 

Weitere Konsequenzen aus der Austauschbarkeit der Sortimente sowie der Profillosigkeit der Handelsunternehmen sind nach Esch und Levermann:[18]

 

Verlust bzw. Einbuße der eigenen Identität,

 

Abhängigkeit von den im Sortiment geführten Marken,

 

abnehmende Geschäftstreue der Kunden,

 

hohe Disproportionalität zwischen Aktionsumsätzen und herkömmlichen Umsätzen,

 

hohe Preisreagibilität der Kunden bei Produkten, die mit jenen anderer Handelsunternehmen vergleichbar sind,

 

sinkende Handelsspannen.

 

Neben den strukturellen Veränderungen im handelsbetrieblichen Umfeld ist in den letzten Jahren eine Veränderung im Nachfrageverhalten der Konsumenten erkennbar. Ein homogenes, stabiles Verhalten, das nach linearen Gesetzmäßigkeiten verläuft, ist heute nicht mehr erkennbar.[19] Während bei Versorgungskäufen preisgünstige Einkaufsstätten präferiert werden, bei denen u.a. auch spartanische Ausstattungen, quantitative und qualitative Personaldefizite, geringe Auswahl, Unbequemlichkeit des Einkaufs hingenommen werden, sind die Konsumenten bereit, für Erlebniskäufe deutlich höhere Preise zu akzeptieren, wenn sie in entsprechender Form u.a. Ambiente, Atmosphäre, Exklusivität, Kultur, persönliche Betreuung, Stil, neue und wechselnde Reize geboten bekommen.[20] Dieses hybride Konsumentenverhalten unterstützt die Polarisierungs­tendenzen des Handels in Versorgungs- und Erlebnishandel.[21] Vor allem dem Erlebnishandel ist in letzter Zeit eine nicht unerhebliche Bedeutung beigemessen worden, da über innovative Erlebniskonzepte die Chance besteht, Kunden an eine Einkaufsstätte erfolgreich zu binden.[22]

 

Diese Entwicklung geht einher mit einem vagabundierenden Kaufverhalten, das sich dadurch kennzeichnet, daß sich die Konsumenten aufgrund der Angebotsdichte und der Austauschbarkeit der Sortimente nicht mehr an bestimmte, einmal ausgewählte Einkaufsstätten binden.[23]

 

Auch ohne den Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen, wird deutlich, welche komplexen Probleme und Herausforderungen sich das Handelsmanagement heute zu stellen hat. Als Konsequenzen der skizzierten Veränderungen im handelsbetrieblichen Umfeld setzt sich im Handelsmanagement zunehmend die Erkenntnis durch, daß es zur Realisierung von Wettbewerbsvorteilen einer konsequenten Kundenorientierung[24] bedarf.

 

1.3. Problemstellung und Zielsetzung


 

Vor dem Hintergrund der dargestellten Entwicklungen im handelsbetrieblichen Umfeld werden in der Theorie und Praxis verstärkt Management-Konzepte diskutiert, die der Verbesserung der Kundenorientierung und Kundenzufriedenheit dienen. Exemplarisch kann hier auf das Total Quality Management-Konzept sowie auf das Konzept der Efficient Consumer Response verwiesen werden. Beiden Managementkonzepten ist zu eigen, daß sie das Ziel verfolgen, das handelsbetriebliche Leistungsbündel optimal an die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden anzupassen bzw. auszurichten. Die...