Individuelle Weiterbildungsstrategien - Zum Lernen von Professionellen in Unternehmen

von: Stefan Böhm

wbv Media, 2008

ISBN: 9783763946112 , 279 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 35,00 EUR

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Individuelle Weiterbildungsstrategien - Zum Lernen von Professionellen in Unternehmen


 

1. Einleitung (S. 8-9)

In Veröffentlichungen zur Erwachsenenbildung wird ein hohes Interesse an den individuellen Strategien der Teilnehmerinnen und Teilnehmer vorgetragen (bspw. Ludwig 2000, 305, Arnold/Siebert 1999, 150f). Gefragt wird nach den biografischen Beweggründen der Individuen für die Weise ihres Weiterbildungsengagements. Es wird also von den jeweiligen, sozial-zeitlichen Bedingungen des Lernens abstrahiert und eine lebensgeschichtlich gewachsene Struktur des Umgangs mit Lernanforderungen unterstellt. Die Frage der Literatur lautet, wie das zu beschreiben wäre, was die Individuen als eigene Konstanten in den Lehr-Lern-Zusammenhang einbringen.

1.1 Individuelle Strategien als Forschungsfrage der Erwachsenenbildung

Der Blick der Erwachsenenbildung auf die individuellen Beiträge der Teilnehmenden wurde von den zeitdiagnostischen Analysen der vergangenen Jahrzehnte vorbereitet. So stiess die Rezeption der Humanistischen Psychologie (vgl. COHN 1975) in der Erwachsenenbildung eine breite Debatte um die Teilnehmerorientierung an. Deren didaktische Bezugnahme auf die Individualität der Lernenden legte die Frage nahe, wie die individuelle Zielbestimmung des Lehr-Lern-Prozesses beschrieben werden kann. Später drängte die Auseinandersetzung um die Postmoderne (Lyotard 1999) mit dem darin festgestellten Verfall der Plausibilität monoperspektivischer Weltauffassungen die Frage auf, wie die Teilnehmenden in der Erwachsenenbildung selbst ihr Lernen auffassen und steuern. Auch die Auseinandersetzung mit der „Risikogesellschaft" (BECK 1986) stellt dar, wie Risiken zunehmend individualisiert werden.

Wo die Erwachsenenbildung keine zentrale Orientierung zu drängenden Fragen zu geben vermag, weil Entscheidungen fraglich geworden sind, bleibt ihr der Bezug auf „riskante Biographien" (KADE 2001, 15ff) und damit ein Interesse daran, wie diese Biografien gesteuert werden. Mit einer solchen Perspektive kommt in den Blick, wie die Akteurinnen und Akteure dieser Biografien in der Erwachsenenbildung ihre Operationen steuern. In der Literatur zur Erwachsenenbildung wird im Kontext des lebenslangen Lernens auf die Individualität der Teilnehmenden referiert. Die Debatte interessiert sich für den Status der Institutionen der Erwachsenenbildung in Abgrenzung zu demjenigen der Teilnehmenden.

Dabei verschiebt sich die Selbstbeobachtung der Erwachsenenbildungseinrichtungen weg von der Vorstellung werteorientierter Institutionen, die ihre Legitimation durch die Abgrenzung vom Schulsystem erfahren. Vielmehr, so wird festgestellt, entwickelten sich die Einrichtungen unter den Zumutungen lebenslangen Lernens zu „flexibel am Bildungsmarkt agierenden Dienstleistungsunternehmen in Sachen Bildung und Lernen …

Im Zeichen des lebenslangen Lernens verschiebt sich die personenbezogene Veränderungserwartung von der Institutionsebene zur Ebene der Individuen" (KADE 2005, 20). Die Orientierung seiner Lernbiografie muss vom Individuum selbst wahrgenommen werden, das aus seinen Erfahrungen und den Erfordernissen seiner Gegenwart sein Lernen plant. Lernen wird zu einem Wechsel der Teilnahme an institutionellen Lerngelegenheiten und „Selbstpädagogisierung" (Kade 2005, 21).

Das Individuum selbst ordnet die Lernaktivitäten nach einem individuellen Sinn, der nicht unbedingt die Intension der Anbieterinnen und Anbieter aufgreift. PETER ALHEIT und BETTINA DAUSIEN beschreiben beispielsweise, wie eine Teilnehmerin bei Kursen zur Einführung in den Marxismus und in die Malerei des 19. und 20. Jahrhunderts ein anderes Thema verfolgt, nämlich die Reflexion und Bearbeitung ihrer Unzufriedenheit in der Familiensituation (ALHEIT/DAUSIEN 1996, 38ff). Aufgrund solcher Befunde der Selbstpädagogisierung stellt sich die Frage, wie die individuelle Orientierung der Teilnehmenden angemessen beschrieben werden kann.