Der Alltag der Mönche. Studien zum Klosterplan von St. Gallen

von: Andrea zur Nieden

Diplomica Verlag GmbH, 2008

ISBN: 9783836617161 , 502 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: frei

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Preis: 44,99 EUR

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Der Alltag der Mönche. Studien zum Klosterplan von St. Gallen


 

Kapitel 5.3.1 Schreiben und Schreiber:

Über dem Eingang zum Skriptorium des Klosters Fulda las der Besucher einen Vers, den Alkuin für ein Gedicht übernommen hatte: „Fodere quam vites melius est scribere libros“.

Konzentriert schwang der Schreiber die Feder und formte präzise jeden einzelnen Buchstaben des Werkes. Nur mit Pergament und Griffel bewaffnet, arbeitete er rastlos im Skriptorium an seinem Pult, umgeben vom Geruch der Farben, die der Maler neben ihm für die Initialen eines weiteren Werkes verwendete. Der wissbegierige Besucher durfte die Schreibstuben allerdings nicht so frei betreten, wie er sich vorstellte, immerhin lagen hier besonders kostbare Schätze der Buchkunst, die sich die Brüder zum Kopieren ausliehen (Abb. 14).

Ein Gang durch die Schreibstube des Klosters führte ihm vor Augen, dass immer mehrere Mönche an der Entstehung eines Buches beteiligt waren. Neben dem Schreiber und Maler verrichteten dort noch weitere unermüdliche Klosterbewohner ihre Aufgaben im Skriptorium, erfahrungsgemäß war hier nämlich eine strenge Arbeitsteilung erforderlich. Zur Entstehung der Texte und Glossen trugen sowohl der Vorsteher der Schreibstube, als auch die Abschreiber, die Korrektoren, und die Mönche bei, die mit Geschick ihre Miniaturen oder Initialen malten, ebenso wie der Buchbinder. Unter Abt Salomons III. Leitung ergänzten sich auf diese Weise der Künstler Tuotilo und der Schreiber Sintram hervorragend. Im Skriptorium kopierte der eine mühevoll den Text, während sich der andere über seine Elfenbeintafel beugte und behutsam die Bilder in das empfindliche Material schnitzte.

Der junge Mönch und zukünftige Schreiber erfuhr sehr früh am eigenen Leibe, die asketische und mühevolle Seite des Abschreibens für die Brüder. Am Rand oder in der Schlußbemerkung vieler Werke erfuhr der Leser durch die Beschwerden der Schreiber über die starke körperliche Belastung, welche diese Arbeit mit sich brachte. Ein Schreiber beschrieb dem Leser anschaulich, dass alle Muskeln des Körpers bei der Anstrengung der Finger gespannt waren und die Konzentration nicht nachlassen durfte, da Texte revidiert, verbessert und kollationiert und kritisch durchgesehen werden mussten. Ein Mensch, der dieses kunstvolle Handwerk nicht beherrschte, vielleicht sogar verachtete, weil er nicht schreiben konnte, wurde schnell eines Besseren belehrt, wenn er sah, welche Arbeit hinter einem einfachen Buch steckte. Ein Spruch aus dem 10. Jahrhundert, mit dem ein Schreiber seine Arbeit beschrieb, lautete: Sicut aegrotus desiderat sanitatem, ita desiderat scriptor finem libri. (Wie sich der Kranke die Gesundheit ersehnt, so wünscht sich der Schreiber das Ende des Buches herbei). Aus dem 9. Jahrhundert heißt ein abschließender Satz: Ego Eadberct hunc librum non sine corporis labore depingens opitulante deo usque ad finem perduxi. (Ich führte dieses Buch nicht ohne körperliche Mühe mit Gottes Hilfe zu Ende). Qui nescit scribere non putat esse laborem (Wer nicht schreiben kann, wähnt, das sei keine Arbeit), tres enim digiti scribunt, totum corpus laborat (zwar schreiben nur drei Finger, doch der ganze Körper ist mitangestrengt.)

Auf Unverständnis traf diese Arbeit etwa bei dem neidischen Sindolf, der selbst nicht besonders gebildet war. So begab sich tagtäglich Notker in das Skriptorium, um dort ein einmaliges Buch kanonischer Briefe, zudem ein griechisches Exemplar, mühsam abzuschreiben, das ihm Bischof Liutward zur Verfügung gestellt hatte. Nun bemächtigte sich aber Sindolf in bösartigerweise unbemerkt dieses fertig kopierten Buches, schnitt die Blätterlagen heraus und zerfledderte sie. Ein herber Rückschlag für den armen Schreiber, der seine ganze Kraft und Zeit in dieses Exemplar gesetzt hat.

Dennoch schreckten diese Schilderungen zukünftige Schreiber nicht ab. In St. Gallen hatten die Mönche mit Fenstern und Wärmestube sogar verhältnismäßig gute Bedingungen zum Schreiben vorgefunden, während in anderen Klöstern die Schreiber zumeist in schlecht geheizten Stuben mit mangelnder Beleuchtung an nicht ergonomisch geformten Pulten saßen.

Aus dem Kloster St. Gallen sind einige Schreiber namentlich überliefert. Ein bekannter Name der in die Anfänge der St. Galler Buchkunst gehört, war der Schreiber und Mönch Winithar, von 761 frühester bekannter Schreiber in St. Gallen. Er gehörte neben Waldo zu den Schreibern in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts in St. Gallen. Die Initialmalerei erfasst man dort erst mit dem Rheinauer Psalter (Codex rh 34). Hier verwendete der Bruder für die Farbgebung noch die Töne minium (orange), grün und ocker. Die alten Mönche wußten noch von einigen ihrer großen Schreiber und Buchmaler zu berichten, etwa von dem Schreibmeister Hartmut, dem Iren Moengal-Marcellus und dem Alemannen Folchart, sowie Ratpert, Notker Balbulus und Tuotilo, die ebenfalls im Skriptorium für die Buchmalerei ihren Teil leisteten. "