Das Kosmos Welpenbuch

von: Viviane Theby

Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, 2016

ISBN: 9783440152294 , 208 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 14,99 EUR

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Das Kosmos Welpenbuch


 

ENTWICKLUNGSPHASEN DES HUNDES


Die Entwicklung der Welpen kann man in bestimmte Phasen einteilen, die jeweils durch bestimmte Entwicklungsschritte charakterisiert werden. Dort passieren entscheidende und meist nicht wiederholbare Dinge für das spätere Leben.

Nach langer Suche hat ein Züchter zu einer netten, freundlichen Hündin einen ebenso tollen Rüden gefunden. Er war mit der Hündin bei ihm zum Decken.

Verhaltensänderungen der Hündin lassen einen erfahrenen Züchter schon relativ bald erkennen, ob alles geklappt hat. Mit ziemlicher Sicherheit wird das jedoch erst die tierärztliche Untersuchung zeigen. Der erfahrene Tierarzt kann die Bauchdecke abtasten und gegen Ende des ersten Trächtigkeitsmonats die sogenannten Früchte in der Gebärmutter fühlen (Palpation). Mithilfe der Ultraschalluntersuchung kann er ab dem 18. Tag der Trächtigkeit die Fruchtkammern oder später ab dem 25. Tag sogar die Herzpulsation der Welpen und damit ihr Leben darstellen. Nun entwickelt sich, wenn nichts mehr dazwischenkommt, dieses neue Leben immer weiter.

Die Entwicklung der Welpen kann anhand einiger charakteristischer Vorgänge in bestimmte Phasen eingeteilt werden. Wir werden uns im Folgenden mit der vorgeburtlichen Phase bis zur Sozialisationsphase und deren entscheidenden Charakteristika beschäftigen.

ENTWICKLUNGSPHASEN DES HUNDES

Vom Deckakt bis zur Geburt

Vorgeburtliche Phase

Von der Geburt bis zum 13. Tag

Neugeborenenphase

Vom 14. bis zum 21. Tag

Übergangsphase

Vom 21. Tag bis zur 12. – 16. Woche

Sozialisationsphase

Bis zum Eintritt der Geschlechtsreife

Junghundphase

Ab dann

Erwachsenenphase

VORGEBURTLICHE PHASE


Ich möchte die Entwicklung des Welpen nicht erst ab der Geburt vorstellen, sondern schon im Mutterleib beginnen. Leider gibt es meines Wissens nach noch keine so schönen Aufnahmen von dieser Entwicklung, wie es das von menschlichen Babys gibt. Dennoch ist diese Zeit nicht uninteressant. Schon hier geschehen spannende und wichtige Dinge, die für das spätere Verhalten unseres Hundes wichtig sind.

Einen bis dreizehn oder gar mehr Welpen kann eine Hündin austragen, was unter anderem auch ein wenig von der Rasse abhängig ist.

Im zweiten Trächtigkeitsmonat nimmt das Wachstum der Hundebabys und damit der Bauchumfang der Hündin ständig zu. So wie das Herz der Welpen schon früh zu schlagen anfängt, übernehmen auch viele andere Organe bereits im Mutterleib ihre Funktion. Wichtig aus verhaltensbiologischer Sicht ist hier vor allem das Gehirn. Schon im Mutterleib werden die Gehirnnerven weitgehend vollständig angelegt und übernehmen teilweise ihre Funktion.

Einer der Sinne, der schon im Mutterleib entwickelt ist, ist der Geschmackssinn. Das wurde anhand von Versuchen festgestellt, in denen die Geschmacksvorlieben der jungen Hunde später getestet wurden, nachdem sie schon im Mutterleib mit bestimmten Stoffen konfrontiert worden waren.

DER STREICHELEFFEKT

Ein anderer Sinn, der in dieser Zeit funktioniert, ist der Tastsinn. Die kleinen Hundebabys können also schon in der Gebärmutter Berührungen fühlen. Untersuchungen haben gezeigt, dass junge Hunde viel unempfindlicher bei Berührungen sind, wenn sie in der Gebärmutter, durch den Mutterbauch hindurch, „gestreichelt“ wurden. Das nennt man den sogenannten „Streicheleffekt“. Die Welpen werden dadurch in ihrem Verhalten viel ausgeglichener. Es gibt auch Hinweise, dass sich dieser Streicheleffekt über das Nervensystem später auf eine bessere Bindung zum Besitzer auswirkt.

© Heike Schmidt-Röger

Beim Streicheln der Hündin werden die Welpen mitgestreichelt.

Lebt die tragende Hündin beim Züchter mit in der Familie und kümmert man sich sorgfältig um sie, kommt dieser Streicheleffekt häufig ganz unbewusst zum Tragen. Denn meist genießt es die Hündin, wenn sie ihren Bauch gestreichelt bekommt, und diesen Gefallen tut man ihr gern. Bei tragenden Hündinnen bei Massenvermehrern fehlt dafür jede Zeit und persönliche Bindung, bzw. es ist auch gar kein Interesse vorhanden, einer Hündin, und damit auch den Welpen, auf diese Art und Weise etwas Gutes zu tun. Das ist eines von vielen Beispielen, die zeigen, wie viel Einfluss der Züchter auf die späteren Welpen hat. Leider wird dieser Einfluss meist viel zu wenig beachtet. Ich hoffe, dass dieses und folgende Beispiele den Massenvermehrern das Leben künftig schwerer machen.

REIZÜBERTRAGUNG UND STRESSBEWÄLTIGUNG

Hunde haben – genau wie wir – in ihrem Körper eine Vielzahl chemischer Botenstoffe in ihrem Nervensystem. Das Fachwort dafür ist „Neurotransmitter“. Diese Neurotransmitter werden z.B. an den Nervenenden ausgeschüttet und übertragen den elektrischen Impuls, der über den Nerv bis zum Ende ankommt und dort über den sogenannten synaptischen Spalt auf den nächsten Nerv oder auch den Muskel übertragen wird, je nachdem, wo der Nerv endet.

Diese Neurotransmitter werden von sogenannten Rezeptoren erkannt, sie passen dort wie ein Schlüssel ins Schloss. Die Neurotransmitter und die dazugehörigen Rezeptoren entwickeln sich in der vorgeburtlichen Zeit bzw. beginnen dort schon, ihre Arbeit aufzunehmen. Das Spannende für uns in diesem Zusammenhang ist, dass die Zahl dieser Rezeptoren bzw. die Menge der Neurotransmitter sich unter anderem nach der Häufigkeit ihres Gebrauches richtet. Vereinfacht kann man sagen, je mehr Informationen ein bestimmter Nerv überträgt, desto mehr Neurotransmitter werden gebildet und desto mehr Rezeptoren werden angelegt. Sind viele Rezeptoren da, ist der Nerv entsprechend empfindlicher für die ihm zugedachte Information. Dieser Zusammenhang wird noch komplizierter durch die Tatsache, dass auch die Neurotransmitter der Hündin darauf einen Einfluss haben, die der Welpe ja über das Blut sozusagen mitbekommt. Hat eine Hündin während der Trächtigkeit aus irgendwelchen Gründen sehr viel Angst, selbst wenn sie normalerweise nicht besonders ängstlich ist, kann sich diese Ängstlichkeit über die sich bildenden Rezeptoren bei den Welpen so auswirken, dass sie später sehr schnell ängstlich sind. Aus diesem Grund ist es bei einer trächtigen Hündin besonders wichtig, stark angstauslösende Situationen zu vermeiden!

MILDER STRESS

Das heißt jedoch nicht, dass die tragende Hündin in Watte gepackt werden muss. Hier und da ist etwas Stress durchaus sinnvoll, denn auch die biochemischen Abläufe im Stresszustand werden schon beim Hundebaby in der Gebärmutter trainiert. Ab und zu leichter Stress bewirkt, dass die Tiere später viel besser mit Stress umgehen können.

© Heike Schmidt-Röger

Eine trächtige Hündin muss nicht …

© Heike Schmidt-Röger

… in Watte gepackt werden. Milder Stress …

© Heike Schmidt-Röger

… hat auch Vorteile für die Welpen.

Es gibt Versuche mit Ratten, die zeigen, dass milder Stress in der Trächtigkeit dazu führt, dass die Babys später nach der Geburt stress- und krankheitsresistenter sind. Starker Stress führt hingegen dazu, dass die Jungen viel stressanfälliger sind und sehr viel weniger gut lernen können.

Ich habe den Verdacht, dass viele Probleme, wie z.B. beim Border Collie, hier ihre Ursache haben. Das sind Hunde, die auch im Spiel besonders leicht aufdrehen, was nichts anderes als Stress ist. Wird das nun übertrieben, sind die Jungen von vornherein „vorgeschädigt“, insofern, dass sie immer schneller aufdrehen, immer nervöser und hyperaktiv werden und immer schwieriger lernen. Es ist nur ein Verdacht, aber ich würde mit sehr erregbaren Hündinnen entweder gar nicht züchten oder sie während der Trächtigkeit möglichst ruhig halten, um sie so wenig wie möglich aufzuregen.

AUSWIRKUNGEN AUF DAS VERHALTEN

Einen weiteren wichtigen Aspekt für die Verhaltensentwicklung, der sich in der vorgeburtlichen Phase findet, möchte ich noch ansprechen. Zunächst sind die männlichen und weiblichen Welpen von ihrem Verhalten her gleich angelegt. Kurz vor der Geburt sind die Hoden der männlichen Tiere das erste Mal aktiv und es kommt zu einer ersten Testosteronausschüttung. Dadurch wird die Grundlage für das spätere männliche Verhalten gelegt. Versuche an Mäusen lassen vermuten, dass auch die weiblichen Tiere indirekt davon betroffen sind. Liegt ein weibliches Tier in der Gebärmutter in der Nähe von nur männlichen, könnte es sein, dass sein Verhalten später auch viele männliche Eigenschaften aufweist.

Sie sehen, wie viele Faktoren bei der Verhaltensentwicklung schon eine Rolle spielen, bevor die Hundebabys das Licht der Welt erblicken, und welche Einflussmöglichkeiten es da schon gibt. Sehen wir uns die Entwicklung weiter an. Es wird noch spannender!

VORGEBURTLICHE PHASE

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