Das Elliott-Wellen-Prinzip - Der Schlüssel zu einem besseren Börsenverständnis

von: A. J. Frost, Robert Prechter

FinanzBuch Verlag, 2016

ISBN: 9783862489442 , 336 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 29,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Das Elliott-Wellen-Prinzip - Der Schlüssel zu einem besseren Börsenverständnis


 

Vorwort


Vor rund 2000 Jahren hat ein Mann folgende Worte gesprochen, die über die Jahrhunderte hinweg nichts an ihrem Wahrheitsgehalt eingebüßt haben:

Ein Geschlecht vergeht, das andere kommt; die Erde bleibt aber ewiglich. Die Sonne geht auf und geht unter und läuft an ihren Ort, dass sie wieder daselbst aufgehe. Der Wind geht gen Mittag und kommt herum zur Mitternacht und wieder herum an den Ort, da er anfing. Alle Wasser laufen ins Meer, doch wird das Meer nicht voller; an den Ort, da sie her fließen, fließen sie wieder hin. Was ist’s, das geschehen ist? Eben das hernach geschehen wird. Was ist’s, das man getan hat? Eben das man hernach wieder tun wird; und geschieht nichts Neues unter der Sonne.

Diese Weisheit lässt die Schlussfolgerung zu, dass Charakter und Verhaltensweisen der Menschen unwandelbar sind. Im Wirtschaftsbereich haben vier Männer unserer Epoche ihren Ruf auf dieser Wahrheit begründet: Arthur Pigou, Charles H. Dow, Bernard Baruch und Ralph Nelson Elliott.

Es sind schon Hunderte von Theorien über das Auf und Ab des Geschäftslebens, die so genannten Wirtschaftszyklen, aufgestellt worden: Schwankungen im Geldvorrat, zu starke oder schwache Dispositionslagen, Veränderungen im Welthandel. Sie alle werden auf politische Entscheidungen, das Konsumverhalten, den Kapitalaufwand oder sogar auf Sonnenflecken und Planetenkonstellationen zurückgeführt. Pigou, der englische Wirtschaftswissenschaftler, hat dieses Phänomen auf eine einfache menschliche Formel gebracht. Seiner Meinung nach werden die Auf- und Abschwünge des Wirtschaftslebens von einem übermäßigen Optimismus der Menschen verursacht, dem immer wieder ein genauso extremer Pessimismus folgt. Das Pendel schwingt zuerst viel zu weit in die eine Richtung und es herrscht Überfluss, dann schwingt es zu weit in die andere und es herrscht Mangel. Die Exzesse in der einen Richtung führen zu den Exzessen in der anderen und so weiter und so fort, Diastole und Systole in endloser Reihenfolge.

Charles H. Dow, einer der tiefgründigsten amerikanischen Denker im Börsenbereich, wurde sich in den ständigen Marktschwankungen gewisser Wiederholungen bewusst. Im vermeintlichen Chaos der Kursbewegungen konnte er beobachten, dass der Markt nicht wie ein Ballon im Wind ziellos mal hier- mal dorthin getrieben wird, sondern mit seinen Bewegungen einer wohlgeordneten Sequenz folgt. Dow hat aus dieser Beobachtung zwei Prinzipien formuliert, die bis heute Bestand haben. Dem ersten dieser Prinzipien zufolge ist der Markt in primären Aufwärtstrends von drei Aufschwüngen gekennzeichnet. Den ersten dieser Aufschwünge führte Dow auf eine Kurserholung zurück, die dem exzessiven Pessimismus des vorhergehenden, primären Abschwungs folgt. Der zweite Aufschwung passt sich seiner Meinung nach in die zunehmend freundlichere Geschäfts- und Ertragslage ein und den dritten und letzten Aufschwung hielt er für eine übermäßig hohe Kursbewertung der eigentlichen Basiswerte. Dows zweites Prinzip besagt, dass es an einem gewissen Punkt eines jeden Marktschwungs, unabhängig davon, ob es sich um einen Auf- oder Abschwung handelt, zu einer Umkehrbewegung kommt, die drei Achtel oder mehr der schwunghaften Kursbewegung zunichte macht. Obwohl Dow selbst diese Gesetze wahrscheinlich nicht bewusst mit dem Einfluss des menschlichen Verhaltens in Zusammenhang brachte, werden die Märkte doch von Menschen gestaltet. Die von Dow entdeckten Kontinuitäten und Wiederholungen sind somit zwangsweise auch auf den menschlichen Einfluss zurückzuführen.

Der Börsenmillionär und amerikanische Präsidentschaftsberater Baruch hat mit wenigen Worten den Nagel auf den Kopf getroffen, als er sagte: „Aber was die Schwankungen der Aktienmärkte in Wirklichkeit registrieren, sind nicht Ereignisse an sich, sondern die menschlichen Reaktionen auf diese Ereignisse. Kurz gesagt handelt es sich um die Stimmungslage von Millionen von Männern und Frauen hinsichtlich der möglichen Auswirkungen dieser Ereignisse auf ihre Zukunft.“ Und dann fügte er hinzu: „Anders ausgedrückt, besteht der Aktienmarkt vor allem aus Menschen. Es handelt sich um Menschen, die ihre Zukunft lesen wollen. Und es ist genau diese äußerst menschliche Eigenschaft, die die Börse zu einer so dramatischen Arena macht, in der Männer und Frauen ihre unterschiedlichen Beurteilungen, ihre Hoffnungen und Befürchtungen, Stärken und Schwächen, ihre Gier und ihre Ideale aneinander messen.“

Und das bringt uns zu Ralph N. Elliott, der zu der Zeit, als er seine Theorie entwickelt hat, wahrscheinlich noch nie von Pigou gehört hatte. Elliott hatte in Mexiko gearbeitet, aber wegen eines Gebrechens – soweit ich mich erinnere, bezeichnete er es als eine Anämie – hatte er sich selbst eine Ruhepause in einem Schaukelstuhl auf einer kalifornischen Veranda verordnet. Während er sich mit seinen gesundheitlichen Problemen herumschlug, blieb ihm viel Freizeit, in der er eine Studie über die Börse als Reflektion der Geschichte und über die Schwankungen des Dow Jones Industrial Index generell begann. Mithilfe dieser langwierigen Studie konnte Elliott dann dieselben, sich ständig wiederholenden Phänomene entdecken, die schon der Prediger Salomo so treffend ausgedrückt hatte, wie unser Zitat am Anfang dieser Einleitung belegt. Indem Elliott seine Nachforschungen durch Beobachtung, intensives Studium und reine Denkarbeit voranbrachte, konnte er nicht nur Dows Entdeckungen mit einbeziehen, sondern auch seine eigene Theorie bedeutend umfassender und akkurater formulieren. Zwar hatten beide Männer den Verstrickungen menschlicher Verhaltensweisen und ihrer Dominanz im Marktgeschehen nachgespürt, aber wo Dow noch mit groben Strichen skizzierte, ging Elliott viel mehr ins Detail und erreichte so eine größere Tiefe.

Ich habe Elliott ursprünglich durch einen Briefwechsel kennen gelernt. Damals arbeitete ich als Herausgeber eines wöchentlichen Börsenbriefs, in dem Elliott einen Beitrag veröffentlichen wollte. Ein reger Briefwechsel folgte, aber erst Anfang 1935 kam es zu dem wirklich auslösenden Ereignis: Der Aktienmarkt befand sich gerade im Anfangsstadium einer Erholung, nachdem er von den Höchstständen des Jahres 1933 auf den Tiefpunkt von 1934 gefallen war, als der Dow Railroad Average im ersten Quartal 1935 unter seinen vorigen Tiefstand von 1934 fiel. Da Anleger, Wirtschaftsexperten und Marktanalysten sich noch nicht ganz von den verheerenden Märkten der Jahre 1929-32 erholt hatten, sorgte dieser Kursverfall Anfang 1935 für große Unruhe. War es möglich, dass dem Land weitere Schwierigkeiten bevorstanden?

Am letzten Tag dieses Kursverfalls der Eisenbahntitel bekam ich ein Telegramm von Elliott, in dem er nachdrücklich behauptete, der Kursrückgang sei nun beendet und dass es sich dabei nur um den ersten Rückschlag eines Bullenmarktes gehandelt habe, der noch viel stärker werden würde. Die folgenden Monate gaben Elliott so ausdrücklich Recht, dass ich ihn als Wochenendgast in mein Haus in Michigan einlud. Elliott nahm die Einladung an und erklärte mir seine Theorie etwas ausführlicher. Leider konnte ich ihn nicht für meine Firma gewinnen, da er darauf bestand, alle Entscheidungen müssten auf seiner Theorie basieren. Also habe ich ihn an der Wall Street untergebracht, seine Theorie niedergeschrieben und in einem Büchlein mit dem Titel The Wave Principle unter seinem Namen veröffentlicht, sozusagen als Dank dafür, dass er mich daran hatte teilhaben lassen.

Später stellte ich Elliott den Redakteuren der Zeitschrift Financial World vor, für die ich damals als freier Mitarbeiter tätig war. In einer Reihe von Artikeln konnte er hier endlich die Grundsätze seiner Theorie erklären. Etwas später nahm Elliott den Text von The Wave Principle in einen größeren Band mit dem Titel Nature’s Law auf, in dem er die magische Anziehungskraft der Fibonacci-Zahlen und bestimmte esoterische Mutmaßungen beschrieb, die seiner Meinung nach seine Ansichten bestätigten.

Robert R. Prechter und A. J. Frost, die Autoren des vorliegenden Bandes, sind begeisterte Schüler Elliotts. Alle Leser, die von Elliotts Entdeckungen und deren Beitrag zu Erfolg versprechenden Kapitalanlagen profitieren möchten, werden seine Lektüre nicht bereuen.

 

Charles J. Collins
Grosse Point
Michigan 1978

R. N. Elliott
833 Beacon Avenue
Los Angeles, California

28. November 1935

Herr C. J. Collins
Investmentberater
Detroit, Michigan

Sehr geehrter Herr Collins,

ich versuche schon seit geraumer Zeit, dieses Schreiben zu formulieren, nur leider scheint es mir unmöglich, Ausdrucksweisen zu finden, die den beabsichtigten Effekt erzielen, und langsam überkommen mich Zweifel, ob ich je dazu imstande sein werde. Wir kennen uns nicht, aber durch ihren Börsenbrief, den ich sehr bewundere, habe ich trotzdem das Gefühl, wenigstens Sie zu kennen. Auf meine Empfehlung hin sind einige meiner Freunde Abonnenten Ihres Börsenbriefs geworden. Ich war einer der ersten Kunden von Herrn Rheas Buch und seinen...