Emotionale Kompetenz bei Kindern

von: Franz Petermann, Silvia Wiedebusch

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2016

ISBN: 9783840927102 , 299 Seiten

3. Auflage

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 26,99 EUR

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Emotionale Kompetenz bei Kindern


 

Kapitel 3 Entwicklung der Emotionsregulation (S. 69-70)

Emotionale Zustände werden durch die Intensität der erlebten Gefühle und die Erregungsschwelle für emotionale Reize beeinflusst sowie durch regulative Prozesse initiiert, moduliert und beendet (Campos, Frankel & Camras, 2004). Die Fähigkeit zur Emotionsregulation setzt sich aus diesen beiden Komponenten, nämlich der physiologischen Reaktivität und der Verfügbarkeit von Regulationsstrategien, zusammen (Grolnick, McMenamy & Kurowski, 1999; vgl. Abb. 3). Nach Walden und Smith (1997) ist bei der Bewertung der emotionalen Kompetenz zu berücksichtigen, dass ein Kind auf zwei verschiedene Arten den Eindruck erwecken kann, seine Gefühle gut kontrollieren zu können:

• Erstens kann von vorneherein eine geringe emotionale Erregbarkeit des Kindes bestehen, die mit einem geringeren Regulationsbedarf einhergeht und

• zweitens kann ein kompetenter Umgang mit emotionalen Erlebnissen vorliegen, der durch einen erfolgreichen Einsatz von Regulationsstrategien hervorgerufen wird.

Beide Komponenten der Emotionsregulation sind eng miteinander verbunden: Zum einen erfordert das Ausmaß der physiologischen Reaktivität, die auch als Stressanfälligkeit aufgefasst werden kann, unterschiedliche Emotionsregulationsstrategien für die verschiedenen Erregungsgrade (Grolnick et al., 1999). Wenn Kinder etwa bedingt durch eine niedrige Erregungsschwelle mit hoher Frequenz und Intensität negative Emotionen erleben, behindert dies eine effektive Emotionsregulation. Zum anderen können die eingesetzten Regulationsstrategien auch die Intensität und Dauer emotionaler Erregung, also die physiologische Reaktivität, modulieren (Petermann & Kullik, 2011).

Während sich die physiologische Reaktivität schon im Säuglingsalter zeigt, entwickeln sich die Fähigkeiten zur Emotionsregulation bis in die mittlere Kindheit hinein weiter (vgl. Kullik & Petermann, 2012), sodass sich das Zusammenspiel beider Komponenten der emotionalen Selbstregulation im Entwicklungsverlauf verändert. In einer Längsschnittstudie von Murphy, Eisenberg, Fabes, Shepard und Guthrie (1999) mit Vier- bis Zwölfjährigen nahm die negative Emotionalität der Kinder mit zunehmendem Alter ab und die Fähigkeiten zur Regulation von Emotionen nahmen zu. Auch McCabe und Brooks-Gunn (2007) berichteten, dass die Fähigkeit zur Emotionsregulation bei Kindern im Vorschulalter mit dem Alter anstieg, wobei Mädchen ihre Gefühle besser regulieren konnten als Jungen und es den Kindern leichter fiel, ihre Emotionen zu regulieren, wenn sie allein waren als wenn sie sich in einer Gruppe von Gleichaltrigen aufhielten. Frühe Fähigkeiten zur Emotionsregulation erwiesen sich bei vier- bis siebenjährigen Kindern zwei Jahre später als Prädiktor für die Resilienz dieser Kinder (Petermann & Kullik, 2011; Spinrad et al., 2006).

Im Folgenden wird zunächst auf die an der Emotionsregulation beteiligten Temperamentsfaktoren und dann auf die Entwicklung einer eigenständigen Regulation von Emotionen sowie den Erwerb von Emotionsregulationsstrategien eingegangen.

3.1 Kindliches Temperament

Mit dem Temperament eines Kindes wird ein Set von Verhaltenstendenzen beschrieben, das vermutlich biologisch bedingt ist, eine hohe Kontinuität über die Lebensspanne aufweist (Kagan & Fox, 2006; Rothbart & Bates, 2006; Bates, Goodnight & Fite, 2008) und bereits ab dem frühen Säuglingsalter mit spezifischen physiologischen Prozessen assoziiert ist (Huffman et al., 1998). Dabei lassen sich zwei Temperamentsfaktoren voneinander unterscheiden, nämlich

• die physiologische Reaktivität beim Erleben spezifischer Emotionen und

• genetische Einflüsse auf die allgemeine emotionale Befindlichkeit, also die Emotionalität eines Kindes (Zentner, 1999).

Zusammen mit den emotionalen Regulationsstrategien beeinflussen diese Temperamentsfaktoren die Emotionsregulation des Kindes (vgl. Abb. 3).