Aus der Werkstatt des Historikers - Didaktik der Geschichte versus Didaktik des Geschichtsunterrichts

Aus der Werkstatt des Historikers - Didaktik der Geschichte versus Didaktik des Geschichtsunterrichts

von: Monika Fenn (Hrsg.)

Herbert Utz Verlag , 2008

ISBN: 9783831608287 , 205 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: DRM

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Preis: 14,99 EUR

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Aus der Werkstatt des Historikers - Didaktik der Geschichte versus Didaktik des Geschichtsunterrichts


 

Der neue Geschichtslehrplan für das Gymnasium in Bayern in historischer Perspektive(S. 75-77)

Ulrich Baumgärtner

»Die Schüler erlangen durch den Unterricht im Fach Geschichte am Gymnasium vertiefte Erkenntnisse über Strukturen, Entwicklungen, Ereignisse und Persönlichkeiten, welche die Vergangenheit geprägt haben und damit auch das Leben in der Gegenwart beeinflussen.« – »Der Geschichtsunterricht soll ferner die Fähigkeit zu selbständigem Urteilen und kausalem Denken entwickeln. Die Schüler sind demnach nicht bloß mit dem äußeren Verlaufe der Tatsachen[,] sondern auch mit ihrem inneren Zusammenhang, ihren Ursachen und Wirkungen bekannt zu machen.« Diese beiden Zitate, so ähnlich sie klingen, gehören nicht zusammen. Der erste Satz – »Die Schüler erlangen durch den Unterricht im Fach Geschichte am Gymnasium vertiefte Erkenntnisse über Strukturen, Entwicklungen, Ereignisse und Persönlichkeiten, welche die Vergangenheit geprägt haben und damit auch das Leben in der Gegenwart beeinflussen.« – stammt aus dem aktuellen Geschichtslehrplan für das Gymnasium in Bayern, die folgenden Sätze – »Der Geschichtsunterricht soll ferner die Fähigkeit zu selbständigem Urteilen und kausalem Denken entwickeln. Die Schüler sind demnach nicht bloß mit dem äußeren Verlaufe der Tatsachen sondern auch mit ihrem inneren Zusammenhang, ihren Ursachen und Wirkungen bekannt zu machen.« – finden sich in der Schulordnung für höhere Lehranstalten, die im Jahr 1914 im Königreich Bayern erlassen wurde.

Das Spiel mit den Zitaten macht deutlich, dass die Unterschiede zwischen den fast ein Jahrhundert auseinander liegenden Lehrplänen nicht so groß sind wie erwartet: »vertiefte Erkenntnisse« jetzt – »selbständiges Urteil und kausales Denken« damals, »Strukturen, Entwicklungen, Ereignisse und Persönlichkeiten « jetzt – »innerer Zusammenhang der Tatsachen und ihre Ursachen und Wirkungen« damals. Auch der aktuell eingeforderte Gegenwartsbezug – Stichwort »das Leben in der Gegenwart beeinflussen« – ist nicht neu, der Geschichtsunterricht sollte auch schon vor dem 1. Weltkrieg das »Verständnis für das öffentliche Leben der Gegenwart« wecken. Tempora non mutantur? Ändern sich die Zeiten nicht? Bleibt es, wie es ist? So scheint es auf den ersten Blick. Gelernte Historiker gehen jedoch vom Gegenteil aus: Tempora mutantur, und nicht nur wir ändern uns mit den Zeiten, sondern auch und sogar die Lehrpläne. Insofern bietet es sich angesichts der aktuellen Situation, dass der neue Geschichtslehrplan nun seit kurzem in Kraft ist, an, diesen in historischer Perspektive zu betrachten. Zunächst werden die Vorgaben von 2007 knapp charakterisiert, bevor eine Einordnung in die Entwicklung des Unterrichtsfaches Geschichte erfolgt, die abschließend in einige zusammenfassende Thesen mündet. Die Wahl dieser Perspektive schließt andere aus – wie etwa die detaillierte Analyse des Entstehungsprozesses oder die Erörterung der unterrichtspraktischen Umsetzbarkeit des neuen Lehrplans. Historisch informiert, lassen sie sich aber solche Fragen vielleicht sogar profunder diskutieren.

I.

Der kurzen Charakteristik des aktuellen Lehrplans liegen die in der Geschichtsdidaktik üblichen Analysekategorien zugrunde. So unterscheidet Bernd Schönemann sechs Dimensionen: »Werte und Normen«, also übergreifende Zielsetzungen, »Lernziele«, »Inhalte«, »Lehrmethoden« – denen Lernmethoden zur Seite gestellt werden müssten –, »Kontrollen«, d. h. Verfahren der Leistungsmessung, und der als »Gesamtarchitektur« bezeichnete Aufbau. Im Hinblick auf die letzte Dimension weist der aktuelle Lehrplan bei aller Kontinuität gegenüber seinem Vorgänger deutliche Veränderungen auf. Gab es bislang vier Ebenen – »Das Gymnasium im Ganzen«, »Unterrichtsfächer und fächerübergreifende Bildungs- und Erziehungsaufgaben«, »Rahmenpläne« und »Fachlehrpläne« – entfällt nun mit den Rahmenplänen für die jeweilige Jahrgangsstufe die dritte Ebene. Nach den allgemeinen Zielsetzungen für, so die entsprechende Überschrift, »Das Gymnasium in Bayern«, in denen »gewissermaßen der Geist des achtjährigen Gymnasiums in Bayern niedergelegt ist«, formuliert das »Fachprofil« das Selbstverständnis des Faches Geschichte, bevor die »Jahrgangsstufen-Lehrpläne« dieses konkretisieren. Während die allgemeinen »Werte und Normen« im ersten Teil sowie im Fachprofil breit ausgeführt werden, finden sich die fachspezifischen »Lernziele« z. T. im Fachprofil und vor allem in den – allerdings sehr kurzen – Einführungen zu den einzelnen Lehrplanabschnitten.