Agent 21 - Survival

von: Chris Ryan

cbt Jugendbücher, 2015

ISBN: 9783641155308 , 336 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 8,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Agent 21 - Survival


 

Spielewelt

Johannesburg, Südafrika, Samstag, 11:00 Uhr

Auf der kalten Colaflasche hatte sich eine dünne Eisschicht gebildet und Kondenswassertropfen rannen daran herunter.

Fast so wie die Schweißperlen, die Zak übers Gesicht liefen.

Das hier sollte eine einfache Mission sein. Warum war er dann so nervös?

Die Cola hatte er bisher nicht angerührt, denn er war viel zu sehr damit beschäftigt, aus dem Fenster des Cafés zu schauen.

Zak konnte nur die Hälfte seines Spiegelbilds im Fenster erkennen, doch es überraschte ihn immer noch. An einem anderen Ort zu einer anderen Zeit hätte er sein neues Aussehen blöd gefunden. Doch hier nicht. Es hatte einen Grund. Man hatte ihm die Haare blond gefärbt und lässig kurz geschnitten. Außerdem trug er blaue Kontaktlinsen, und eine falsche Sonnenbräune färbte seine Haut dunkler. Mit der Baseballkappe, die vor ihm auf dem Tisch lag, sah er aus wie ein Surfertyp und nicht wie ein Teenager, der auf einer windumtosten Insel vor der Küste Schottlands wohnte.

Es war unglaublich, wie man sein Aussehen verändern konnte.

Er sah über den Tisch zu Gabs hinüber. Sein Schutzengel schaffte es irgendwie immer, ein wenig glamourös zu wirken – selbst wenn sie verkleidet war. Heute konnte man nur ein paar Strähnen ihres blonden Haares sehen, die unter einem Barett hervorspitzten. Sie trug ein T-Shirt mit einem glitzernden Rolling-Stones-Logo und hatte einen halb ausgetrunkenen Cappuccino vor sich stehen.

»Du solltest deine Cola trinken, Kleiner«, sagte sie leise. »Nur für den Fall, dass uns jemand beobachtet …«

»Uns beobachtet niemand.«

»Zak!«

Gabs Stimme klang gereizt und Zak wurde rot. Er wusste es schließlich besser. Wenn Zak – oder Raf oder Gabs oder sonst jemand, den er kennengelernt hatte, seit sein Leben eine so außergewöhnliche Bahn eingeschlagen hatte und er von Zak Darke zu Agent 21 geworden war – jemanden in diesem Café überwachte, würde der ihn dann bemerken?

Auf keinen Fall.

Aber das galt auch umgekehrt.

Ein einziger prüfender Blick durch das Café hatte ihm gezeigt, dass einige Leute möglicherweise nach etwas oder jemandem Ausschau hielten. Der Kellner, der hinter der Bar die Kaffeemaschine putzte, die erschöpfte Mutter am Nebentisch mit den beiden Eis essenden Kindern, die Kellnerin, die sie bedient hatte …

Er sah Gabs entschuldigend an und nahm einen Schluck von seiner Cola.

Dann starrte er wieder aus dem Fenster.

Sie beobachteten einen Spielwarenladen namens Spielewelt. Er erstreckte sich über vier Stockwerke und war breit genug für sechs Schaufenster. Auf jedes Fenster war ein großes Clownsgesicht aufgemalt. Sie sollten lustig aussehen, doch Zak fand sie nur beängstigend – er hatte das Gefühl, als würden sie ihn direkt anstarren, und er musste ein Schaudern unterdrücken.

Als er noch klein war, hatten seine Eltern ihn einmal zu Hamleys mitgenommen, dem riesigen Spielwarenladen in London, um den Weihnachtsmann zu besuchen. Die Spielewelt war zwar ähnlich groß, aber weit weniger gut besucht.

Kurz gesagt: Der Laden war gruselig. Er sah überhaupt nicht sehr nach Spielen aus.

Was auch irgendwie logisch war.

Denn Agent 21 und seine Schutzengel waren schließlich nicht nach Südafrika geschickt worden, um Spielzeug zu kaufen.

»Glaubst du, dass er da drin ist?«, fragte Zak.

»Cruz?«

Zak nickte. Natürlich Cruz. Cruz Martinez, sein früherer Freund, der zum mexikanischen Drogenbaron geworden war. Cruz Martinez, dessen Vater die Ermordung von Zaks eigenen Eltern angeordnet hatte und der sich zum Dank dafür eine Kugel aus Gabs Gewehr einhandelte. Cruz Martinez, der, als er ihn das letzte Mal gesehen hatte, von einem sinkenden Schiff ins stürmische Meer gestürzt war. Den jeder für tot hielt, obwohl Zak spürte, dass er noch lebte, und dessen Name ihm eine Gänsehaut verursachte.

Geheimagenten vor Ort hatten ihn im letzten Monat dreimal dabei beobachtet, wie er diesen Spielzeugladen besuchte.

Und niemand glaubte, dass er dort war, um Teddybären zu kaufen.

»Ja«, antwortete Zak. »Cruz.«

»Ich bezweifle es«, erwiderte Gabs. »Es ist schließlich Samstagmorgen. Ich glaube nicht, dass er dort auftaucht, wenn es so voll ist.«

»So voll ist es nicht«, bemerkte Zak.

Gabs zuckte mit den Schultern. »Hier haben die Leute nicht viel Geld für Spielzeug«, erklärte sie, sah aus dem Fenster und stieß leise hervor: »Da ist Raf!«

Sie hatte recht. Wie aus dem Nichts war Raf aufgetaucht. Er stand vor dem Haupteingang der Spielewelt. Seine leichte Leinenjacke hatte er ausgezogen und über die Schulter geworfen. Das war ein Signal und bedeutete, dass er die Umgebung ausgekundschaftet und nichts Verdächtiges bemerkt hatte.

Die Mission konnte beginnen.

Gabs leerte ihre Kaffeetasse und bedeutete Zak, ebenfalls auszutrinken.

»Denk daran«, ermahnte sie ihn. »Es geht nur um eine Überwachung, nichts weiter. Verstanden?«

»Es geht nur um eine Überwachung, nichts weiter.«

Zaks Betreuer Michael hatte bei ihrem Briefing vor zwei Tagen auf der kargen Insel St. Peter’s Crag, die jetzt sein Zuhause war, genau dieselben Worte benutzt.

»Du bist der Einzige, der in den inneren Kreis der Martinez-Organisation vorgedrungen ist. Du musst lediglich herausfinden, ob jemand, den du aus deiner Zeit in Mexiko kennst, bei der Spielewelt arbeitet.«

»Aber die haben doch bestimmt Überwachungskameras in diesem Geschäft«, hatte Zak eingewandt. »Können Sie sich da nicht einfach einhacken? Ich kann mir die Bilder ansehen und sagen, ob ich jemanden erkenne. Das wäre doch viel sicherer, oder?«

»Viel sicherer. Leider sind alle Überwachungsaufnahmen verschlüsselt und werden an einen anderen Server weitergeleitet. Wir haben unsere besten Leute darauf angesetzt. Die können nicht mal den Server lokalisieren, geschweige denn die Bilder entschlüsseln. Das funktioniert also nur, wenn du vor Ort bist. Und jetzt hör mir zu, Zak: Wenn du jemanden erkennst, versuche nicht, ich wiederhole: Versuche auf keinen Fall, ihn festzuhalten. Überlass das den Experten. Du musst nur aussehen wie ein Junge in einem Spielzeugladen. Das ist der einzige Grund, aus dem du dort bist.«

»Verstanden«, meinte Zak.

Obwohl er gerade eben erst die Cola getrunken hatte, fühlte sich sein Mund ganz trocken an. So war es immer kurz vor Beginn eines Einsatzes. Er verspürte eine Mischung aus Aufregung und Furcht, ein Gefühl, von dem man abhängig werden konnte. Zak war es bereits.

Er nahm sein Handy, ein wichtiges Hilfsmittel für ihn. Wenn er Schwierigkeiten bekam, musste er nur einen Code eingeben – 6482 –, schon bekamen Raf und Gabs eine Alarmmeldung und konnten innerhalb von Sekunden eingreifen.

Als er das Handy in die Hand nahm, vibrierte es. Ein einziges Mal. Der Bildschirm leuchtete auf und Zak und Gabs sahen sich an. Nur vier Menschen kannten diese Nummer: Zak selbst, Gabs, Raf und Michael in London.

Er wischte über den Bildschirm.

Und dann riss er die Augen auf. Es war eine Bildnachricht. Das Bild war schwarz-weiß und grobkörnig – wie ein Bild von einer Überwachungskamera. Doch es gab keinen Zweifel, was es zeigte: Zak mit einer Tasche über der Schulter, wie er durch die Zollabfertigung am Flughafen OR Tambo Johannesburg ging. Das war vor zwei Stunden gewesen.

Unter dem Bild stand: Willkommen in Südafrika! Malcolm.

Zak runzelte die Stirn und zeigte Gabs den Bildschirm.

»Malcolm? Woher zum Teufel weiß der, dass wir hier sind?«, fragte sie.

Die Rädchen in Zaks Gehirn arbeiteten bereits auf Hochtouren. Malcolm war ein hochintelligenter Computerhacker, der Zak bei seiner letzten Mission in London geholfen hatte. Ein seltsamer Kerl, aber brillant. Die Behörden hatten ihn einsperren wollen, doch mit Zaks Hilfe war Malcolm ihnen entwischt. Zak und seine Schutzengel waren die Einzigen, die wussten, dass er sich unerkannt in Südafrika aufhielt, und sie hatten ihn nicht verraten. Der Junge hatte eine Pause verdient.

Zak war der festen Überzeugung, dass es kein Computersystem gab, in das sich Malcolm nicht einhacken konnte. Dazu gehörten die Sicherheitssysteme am Flughafen, was dieses Bild bewies.

»Das ergibt Sinn«, murmelte er.

»Was?«, fragte Gabs.

»So wie ich Malcolm kenne, hat er sich ins Flughafensystem eingehackt und lässt jeden, der ankommt, von einer Gesichtserkennungssoftware überprüfen. Als eine Art Frühwarnsystem sozusagen, falls jemand hinter ihm her sein sollte.«

Gabs dachte einen Moment darüber nach. »Das gefällt mir nicht«, meinte sie dann.

»Mir auch nicht.«

»Wir sollten die Aktion abbrechen.« Sie hob ihr Handgelenk zum Mund, um in das dort verborgene Mikro zu sprechen, das drahtlos mit dem Empfänger in Rafs Ohr verbunden war.

Blitzschnell packte Zak Gabs Handgelenk und legte es wieder auf den Tisch. Er konnte ihre Zweifel nachvollziehen. Sie hätten eigentlich unbemerkt bleiben sollen, und jetzt sah es so aus, als wären sie entdeckt worden. Doch Zak sah das anders. Malcolm war ein schräger Vogel, das stand außer Frage. Er war jemand, mit dem man nicht gern im Aufzug stecken bleiben wollte. Aber mit Zak kam er aus. Das hier war nur seine merkwürdige Art, Hallo zu sagen.

»Ich vertraue...