Medizinische Trainingstherapie bei chronischen Schmerzen - Für den Alltag trainieren durch Training im Alltag

von: Christoph Fox, Carsten Schmid

MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2014

ISBN: 9783954661695 , 176 Seiten

Format: PDF, ePUB, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 9,99 EUR

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Medizinische Trainingstherapie bei chronischen Schmerzen - Für den Alltag trainieren durch Training im Alltag


 

2 Die grundmotorischen Fähigkeiten. Die Durchführung eines gezielten Trainings


2.1 Die Koordination


2.1.1 Wissenschaftliche Grundlagen/methodische Grundsätze


Zur Verbesserung der allgemeinen körperlichen Leistungsfähigkeit ist die Koordination und vor allem eine gut ausgeprägte Körperwahrnehmung eine wichtige Grundlage.

Im Rahmen eines Koordinationstrainings arbeiten Sie mit Ihrem bereits vorhanden muskulären Potenzial und versuchen, durch gezielte koordinative Übungen, Ihre Bewegungsabläufe energiesparender durchzuführen.

Ein koordinatives Training hat nicht zum Ziel, Ihre Muskeln wachsen zu lassen oder diese strukturell bzw. morphologisch (Gestalt oder Form) zu verändern. Es soll Ihnen ermöglichen, die gleichen alltäglichen Bewegungen mit einem geringeren Kraftaufwand als bisher durchzuführen.

Sie lernen, durch koordinative Übungen, Ihre Muskeln zum richtigen Zeitpunkt mit eben genau der benötigten Spannung zu aktivieren, die Sie für diese Art der Bewegung benötigen. Gleichzeitig lernen Sie, (auf unbewusster Ebene) automatisch alle Muskeln zu entspannen, die Sie in der Bewegungsausführung bremsen würden. Auf diese Weise können Sie viel Energie und Kraft einsparen, die Sie an anderer Stelle nutzbringend einsetzen können.

Daher hat eine verbesserte allgemeine Koordinationsfähigkeit auch überaus positive Auswirkungen auf andere sportmotorische Grundfähigkeiten (Kraft/Ausdauer/Beweglichkeit/Schnelligkeit). Gerade unter dem Einfluss einer körperlichen Erkrankung, geht diese Fähigkeit jedoch stark zurück. Natürlich gibt es viele weitere Gründe dafür, dass Sie Ihre koordinativen Fähigkeiten, besonders im Zusammenhang mit körperlicher Bewegung und Sport, trainieren bzw. verbessern sollten.

Einige besonders interessante und bedeutsame Beispiele sind:

  • verbessertes Zusammenspiel zwischen dem Zentralnervensystem und der Skelettmuskulatur
  • verbesserte Bewältigung alltäglicher Bewegungen
  • Vermeidung von Überbelastungen
  • Wiederherstellung und Erhaltung Ihres Körpergleichgewichts
  • ökonomisierte Steuerung der Bewegung (geringere Beanspruchung Ihrer Gelenke)
  • schnellere Anpassung an äußere Veränderungen
  • allgemeine Verbesserung der Körperwahrnehmung
  • Verletzungsvorbeugung

und last but not least

  • Verringerung der haltungsbedingten Schmerzen!

Ihre Muskeln arbeiten bei einer gezielten Bewegung nie allein, sondern stets mit anderen Muskeln zusammen. Nur wenn Sie über eine gute Koordination verfügen, werden Sie Bewegungen flüssig und effektiv ausführen können. Das Zusammenspiel Ihrer Muskulatur richtet sich nicht automatisch ein, sondern muss erlernt werden.

!

Gehen und Laufen sind Bewegungen die wir alle erlernt haben!

Um Fehler und Fehlbelastungen zu vermeiden, sollten Sie diese „Kunst“ fortlaufend schulen, was aber leider nur wenige auch tatsächlich in ihrem Training umsetzen. Koordinationsübungen sind ein schwieriger, aber wichtiger Bestandteil des körperlichen Trainings. Dieser wirkt zwar oft spielerisch, aber um einen entsprechenden Erfolg zu erzielen, sollten Sie folgende Grundregeln beachten:

Grundregeln

  • Koordinationstraining sollte immer vor dem Kraft- und Ausdauertraining erfolgen.
  • Voraussetzung für eine gute Koordination ist eine Schulung der Körperwahrnehmung.
  • Sie sollten nur dann gezielt Ihre Koordination trainieren, wenn Sie körperlich ausgeruht sind.
  • Unbedingt auf eine exakte Bewegungsausführung achten.
  • Stets mit leichten Übungen beginnen.
  • Die Übungen sollten ohne Schmerzzunahme durchführbar sein.
  • Wenn die Möglichkeit besteht, führen Sie Ihre Übungen vor dem Spiegel durch.
  • Und eine der wichtigsten Grundregeln lautet (dies gilt für alle Bereiche des Trainings): Achten Sie auf Ihre Atmung! Vermeiden Sie es, die Luft anzuhalten!

Sollten Sie in eine sogenannte Pressatmung übergehen, d.h., dass Sie während Ihrer Übung die Luft anhalten, ist der Anspruch dieser Übung, die Sie in diesem Moment ausführen, zu hoch. Sei es, dass Sie sich übermäßig auf diese Übung konzentrieren müssen, sodass Sie Ihren Atem aus diesem Grund anhalten, weil Sie schlichtweg vergessen zu atmen oder weil die körperliche Beanspruchung zu hoch (z.B. zu hohes Gewicht) ist. Sie sollten dann auf jeden Fall in diesem Moment der Atemstille die Übung abbrechen! In beiden Fällen sollten Sie beim nächsten Anlauf versuchen, die Übung deutlich leichter zu gestalten, sodass Sie nicht wieder in Gefahr geraten, die Luft anzuhalten. Nach einiger Übungszeit werden Sie jedoch feststellen, dass die eingangs anspruchsvollen Übungen, mit denen Sie angefangen haben, spürbar leichter geworden sind.

Ab diesem Moment sollten und dürfen Sie den Schwierigkeitsgrad Ihrer koordinativen Übungen anheben.

Im Folgenden finden Sie eine kleine Auflistung von Hilfsmitteln und Variationsmöglichkeiten, mit denen Sie Ihr koordinatives Übungsprogramm nicht nur erweitern, sondern auch schwieriger gestalten können.

Hier nur einige Hilfsmittel/Möglichkeiten um ein koordinatives Training durchzuführen:

  • Airex® Balance-Pad (oder im häuslichen Bereich eine mehrfach gefaltete Decke)
  • Aero Step®/Balance Trainer/Pezzi-Gymnastikball®/Airex® Gymnastikmatte
  • Ballkissen (zur Erleichterung unter eine gefaltete Decke legen)
  • Therapiekreisel (zur Erleichterung auf eine gefaltete Decke legen)
  • Wackelbretter
  • mit geschlossenen Augen oder einbeinig auf den unterschiedlichen Unterlagen

Wie bei den Kräftigungsübungen ist die korrekte Ausführung der jeweiligen Übung entscheidend. Bei konsequentem Training ist eine Steigerung der Fähigkeiten sehr schnell festzustellen. Diese sollte aber nicht dazu führen, dass Sie nach einer gewissen Zeit Ihr Training vernachlässigen. Ein Training zur Verbesserung Ihrer koordinativen Fähigkeiten kann immer in Verbindung mit den anderen zu trainierenden Bereichen durchgeführt werden (s. oben: Grundregeln).

❱❱❱

In der zeitlichen Reihenfolge sollte das Koordinationstraining vor allen weiteren Trainingsinhalten durchgeführt werden.

Trainieren Sie vielseitig und abwechslungsreich. Der menschliche Körper besteht aus einer Vielzahl von Gelenken und Muskeln, die während einer Bewegung auf unterschiedliche Art und Weise eingesetzt und wahrgenommen werden können.

2.1.2 Die Wahrnehmung


Die Wahrnehmung bzw. die Körperwahrnehmung ist von zentraler Bedeutung für Ihr Training.

Erst wenn Sie sich ausreichend gut wahrnehmen können, ist es Ihnen möglich, alle hier vorgestellten Übungen nach ihrem Schwierigkeitsgrad für sich zu bewerten, welche von diesen Übungen gegebenenfalls zu leicht oder zu schwer sind. Durch Veränderungen und Anpassungen, wie z.B. im Trainingswiderstand oder in der Übungsauswahl, können Sie den Belastungsgrad der Übungen für sich einstellen.

Ohne einen direkten „Draht“ zu Ihrem Körper und seinen Bedürfnissen, wird es für Sie schwer sein, Veränderungen in Ihrem Körper wahrzunehmen oder einzuleiten. Allein durch eine gezielte Lenkung Ihrer Aufmerksamkeit, z.B. durch langsam und bewusst ausgeführte Bewegungen, können Sie die Qualität Ihrer Körperwahrnehmung deutlich verbessern.

Die Wahrnehmung wird grob in zwei Bereiche aufgeteilt:

  1. Wahrnehmung der Außenwelt (Exterozeption)
  2. Wahrnehmung des eigenen Körpers (Interozeption)

Beide Wahrnehmungsbereiche sind für das Training interessant. Die Exterozeption, vor allem das Sehen, Hören und Fühlen, ist vorwiegend bei Partnerübungen und bei diversen Team- und Mannschaftssportarten notwendig.

Für die qualitativ wertvolle Umsetzung Ihrer Eigenübungen ist die Interozeption, genau genommen die Propriozeption, erforderlich.

Die Propriozeption ist die Wahrnehmung

  • Ihrer Muskeln, Sehnen etc. und
  • der...