Albert Einstein

von: Hubert Goenner

Verlag C.H.Beck, 2015

ISBN: 9783406675935 , 128 Seiten

Format: PDF, ePUB, OL

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Preis: 7,49 EUR

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Albert Einstein


 

2. Beruf und Familiengründung


«Du willst Dir also gleich eine Stelle suchen, Schatzerl, und mich zu Dir nehmen! Wie glücklich bin ich gewesen, wo ich Dein Brieferl las und wie bin ich’s jetzt noch und werd es immer auch sein.» Ganz einfach würde sie es mit Albert nicht haben; ihn und sich beschrieb Mileva ihrer Freundin Helene so: «Mein Schatz hat ein sehr böses Maul und ist obendrein ein Jude. Aus allem siehst Du, dass wir ein trauriges Pärchen sind. Und doch, wenn wir zusammen sind, sind wir so lustig wie kaum jemand.» Im Mai 1901 fragte Albert in einem Brief: «Wie gehts Dir denn, Liebe? Was macht der Junge?» Mileva verbrachte die Sommerferien 1901 wie immer bei ihren Eltern in Serbien und schrieb noch Ende 1901: «Ich glaube wir sagen jetzt noch nichts vom Lieserl.» Im November trafen sie sich noch einmal vor der Geburt in Stein am Rhein, Albert kam aus Schaffhausen. Zurück in Serbien schrieb er ihr Anfang Dezember: «Ich hab Dein liebes Bauchwehbrieferl bekommen, […]. Pfleg Dich nur gut und sei munter und freu Dich auf unser liebes Lieserl, das ich mir allerdings ganz im geheimen (so dass es das Doxerl nicht merkt) lieber als Hanserl vorstelle.» Wohl im Januar 1902 kam die Tochter mit dem Brief-Namen Lieserl bei Milevas Eltern zur Welt; es war eine schwere Geburt für Mileva, das Kind vielleicht dadurch geschädigt. Einstein machte keinerlei Anstrengung, Mileva und die Tochter in ihrem Elternhaus zu besuchen. Zum Fotografen traute sie sich wohl nicht: Einstein hat daher sein erstes Kind nie gesehen.

Nach Prüfung durch Haller wurde Einstein zusammen mit einem Mitbewerber zum 16. Juni 1902 am Patentamt eingestellt. Marcel Grossmanns Witwe schrieb er nach dessen Tod: «[…] durch ihn und seinen Vater kam ich […] zu Haller ins Patentamt. Es war eine Art Lebensrettung, ohne die ich zwar nicht gestorben, aber geistig verkümmert wäre.» Mit der festen Anstellung konnte geheiratet werden. Einsteins von Schulden geplagter Vater starb nach kurzer Krankheit an Herzproblemen im Oktober 1902 in Mailand. Nach seinem Tod schlossen Albert und Mileva im Januar 1903 in Bern den Bund der Ehe – ein Jahr nach der Geburt von Lieserl. Das Kind blieb in Serbien. Von den beiden Familien war niemand auf dem Standesamt dabei. Aus einer letzten Erwähnung Lieserls in einem Brief Alberts vom September 1903 an Mileva, die sich wieder in Serbien aufhielt, wissen wir, dass das Kind an Scharlach erkrankt war. Er machte sich Sorgen: «Die Geschichte mit dem Lieserl thut mir sehr leid. Es bleibt so leicht vom Scharlach etwas zurück. Wenn nur alles gut vorbeigeht. Als was ist denn das Lieserl eingetragen? Wir müssen sehr Sorge haben, dass dem Kinde nicht später Schwierigkeiten erwachsen.» Danach verliert sich jede Spur vom Lieserl; es findet sich keine Eintragung von Geburt oder Tod in staatlichen oder kirchlichen Registern, kein schriftlicher oder mündlicher Bericht aus Milevas Familie und ihrer Umgebung oder von Zeitzeugen. Das Schicksal von Einsteins Tochter wird wohl immer ein Rätsel bleiben! Auch der mit Einstein seit dem gemeinsamen Studienjahr 1896/97 befreundete Physikstudent Friedrich Adler (1879–1960) aus Wien erfuhr wie alle Freunde und Bekannten nichts vom Lieserl. Beide tauschten sich als links-orientierte Pazifisten und Bewunderer von Ernst Mach aus. Adler hatte 1897 sein Diplom erhalten und wurde schon 1902 in Zürich promoviert. Im selben Jahr wie Einstein hatte er eine russische Studentin geheiratet.

Wenn auch der Lebensunterhalt der jungen Familie in Bern sichergestellt war, Alberts Bestreben, in der Wissenschaft Fuß zu fassen, hatte keinen Erfolg gehabt. Sein erster Versuch mit einem als Doktorarbeit auf dem Gebiet der kinetischen Gastheorie an der Universität Zürich im November 1901 eingereichten Manuskript war fehlgeschlagen; wohl auf Anraten des Direktors des Physikalischen Instituts, Alfred Kleiner, zog Einstein die Arbeit zurück. Mileva hatte das Manuskript gelesen und berichtete einer Freundin: «Albert hat nun eine prachtvolle Arbeit verfasst, die er als Dissertation eingereicht hat. […] Ich habe sie mit großer Freude und wahrer Bewunderung für mein kleines Schatzerl gelesen, das einen so gescheiten Kopf hat […].» Für Einstein war Kleiner «kein grossartiger Physiker aber ein prächtiger Mann, an dem ich meine Freude habe». Er ließ nicht locker, trotz der Tätigkeit im Patentamt: «Jeden Tag 8 Stunden Amt und eine Privatstunde mindestens & dann arbeite ich noch wissenschaftlich. Sogar mittags zwischen 1 und 2 bin ich nicht zuhause, sondern lese mit einem Freund in einem philosophischen Buch.» Aus dieser Lektüre entwickelte sich ein kleiner Lesezirkel, der sich auch in Einsteins Wohnung regelmäßig traf, um gemeinsam interessante Bücher und Schriften durchzuarbeiten. Er nannte sich ironisch «Akademie Olympia». Zu ihm gehörten ein der Philosophie zugeneigter rumänischer Student, Maurice Solovine (1875–1958), der spätere Übersetzer von Einsteins Büchern ins Französische, und der Mathematikstudent Conrad Habicht (1876–1958) aus Schaffhausen. Großen Eindruck machte das Buch des französischen Mathematikers Henri Poincaré, Wissenschaft und Hypothese, der den absoluten Raum (Äther) infrage gestellt hatte. In Solovines Erinnerung wurde das Buch wochenlang studiert und diskutiert. Es enthält Poincarés Vorstellungen zum Begriff der Gleichzeitigkeit und zu ihrer Herbeiführung mittels Uhrensynchronisation. Über vierzig Jahre später schrieb Albert seinem Freund «Solo»: «Es war doch eine schöne Zeit in Bern, als wir damals unsere lustige ‹Akademie› betrieben, die doch weniger kindisch war, als jene respektablen, die ich später kennen gelernt habe.»

Ein weiterer Bekannter seit Studienbeginn und bald sein bester Freund war der sechs Jahre ältere Maschinenbauingenieur Michele Besso. Die beiden waren sich 1896 auf einem Hausmusikabend in Zürich begegnet: Besso spielte ebenfalls Geige. Im nächsten Jahr machte Albert die älteste Tochter seiner Aarauer Gastfamilie, Anna Winteler, anlässlich eines Besuches in Zürich mit Michele bekannt. Besso hat Anna dann 1898 geheiratet. Mit Frau und Kind arbeitete er in Mailand, bis er auf Empfehlung von Albert ebenfalls eine Stelle am Berner Patentamt erhielt. Ironischerweise hatte Albert in seiner stellungslosen Zeit versucht, über Bessos Vater eine Beschäftigung zu bekommen. Als Michele nicht antwortete, hatte er Mileva missgünstig geschrieben: «Wenns einem eben nicht glänzend geht, dann lassen die guten Freunde einen gern sitzen. So ist halt der Welt Lauf.» Für Einstein wurde Michele in Bern ein anregender Gesprächspartner über naturwissenschaftliche und philosophische Themen. Einstein erklärte ihm seine eigenen Ideen und diskutierte mit ihm darüber: Besso als «Resonanzboden». Derselbe Begriff wird auf Mileva Marić angewandt. Aus ihrem Briefwechsel mit Albert wissen wir, dass er seine physikalischen Ideen mit ihr besprach. Sie las seine Manuskripte vor der Publikation und überprüfte die Rechnungen. In einem Brief von Ende März 1901 bekannte Einstein Mileva: «Wie glücklich und stolz werde ich sein, wenn wir beide zusammen unsere Arbeit über die Relativbewegung siegreich zu Ende geführt haben! Wenn ich so andere Leute sehe, da kommt mirs so recht, was an Dir ist!» Die im vorigen Kapitel erwähnte erste Publikation nennt Einstein an anderer Stelle «unsere Abhandlung». «Wir» und «unser», wie etwa in «unsere Theorie der Molekularkräfte», tauchen in seinen physikalischen Erörterungen in Briefen öfter auf. «Bis Du mein liebes Weiberl bist, wollen wir recht eifrig zusammen wissenschaftlich arbeiten, daß wir keine alten Philistersleute werden, gellst.» Es ist nicht bekannt, ob Mileva Ideen zu Einsteins Arbeiten beigesteuert hat und welche; die physikhistorische Forschung konnte zu dieser Frage bisher nichts zu ihren Gunsten beitragen.

Nach dem gescheiterten Anlauf zur Promotion in Zürich verhielt Albert sich wie der Fuchs, dem die Trauben zu sauer waren. Im Monat seiner Eheschließung erklärte er Besso: «Ich habe mich nun neuerdings entschlossen, unter die Privatdozenten zu gehen, vorausgesetzt nämlich, daß ichs durchsetzen kann. Den Doktor werde ich hingegen nicht machen, da mir das doch wenig hilft und die ganze Komödie mir langweilig geworden ist.» In der Tat bemühte sich Einstein nun an der Universität Bern um die venia legendi, die Erlaubnis zur Lehre, erhielt sie jedoch nicht. Auf die erste Schwangerschaft vor der Ehe folgte die zweite nach dem Sommer 1903; den von Einstein schon anstelle des Lieserls ersehnten Sohn Hans Albert brachte Mileva im Mai 1904 zur Welt. Zu diesem Zeitpunkt fiel die gleichberechtigte wissenschaftliche Zusammenarbeit endgültig der bürgerlichen Rollenvorstellung Einsteins zum Opfer: Mileva kochte, putzte, nähte und kümmerte sich um das Kind; er sorgte für das Einkommen und bildete sich mit seinen Freunden weiter. Fanden die Sitzungen der «Akademie» bei Einsteins statt, so konnte Mileva wohl zuhören, aber immer weniger mithalten. Vor der Heirat hatte Einstein nach der ersten noch zwei weitere wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht. Sie richteten sich auf die Erforschung der Kräfte zwischen Molekülen und auf das Verhältnis...