C.S. Lewis - Die Biografie - Prophetischer Denker. Exzentrisches Genie.

von: Alister McGrath

Fontis, 2014

ISBN: 9783038485902 , 496 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 20,99 EUR

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C.S. Lewis - Die Biografie - Prophetischer Denker. Exzentrisches Genie.


 

VORWORT

Wer ist C.S. Lewis (1898–1963)? Für viele, wohl für die meisten, ist Lewis der Schöpfer der fabelhaften Welt Narnia, die zu den bekanntesten und meistdiskutierten Kinderbüchern des zwanzigsten Jahrhunderts zählen und immer noch auf eine begeisterte Leserschaft treffen und millionenfach verkauft werden. Fünfzig Jahre nach seinem Tod ist Lewis nach wie vor einer der einflussreichsten populären Schriftsteller unserer Zeit. Neben seinem ebenso berühmten Oxforder Kollegen und Freund J.R.R. Tolkien (1892–1973), dem Verfasser von Der Herr der Ringe, gilt Lewis weithin als literarisches und kulturelles Wahrzeichen. Die Welten der Literatur und des Kinos sind durch diese beiden Oxforder Schriftsteller tief geprägt worden. Doch ohne Lewis wäre Der Herr der Ringe vielleicht nie geschrieben worden. Lewis mag seine eigenen Bestseller geschaffen haben, doch er war auch Geburtshelfer für Tolkiens Meisterwerk und schlug Tolkien sogar aufgrund dieses epischen Werkes für den Literaturnobelpreis 1961 vor. Schon aus diesen Gründen lohnt es sich, die Geschichte von C.S. Lewis zu erzählen.

Doch hinter C.S. Lewis steckt noch weit mehr als dies. Wie sein langjähriger Freund Owen Barfield (1898–1997) einmal sagte, gab es eigentlich drei C.S. Lewisse. Neben Lewis als Autor von Bestsellerromanen gibt es eine zweite, weniger bekannte Persona: Lewis als christlicher Schriftsteller und Apologet, dem es darum ging, seine prächtige Vision der intellektuellen und imaginativen Kraft des christlichen Glaubens mitzuteilen und weiterzugeben – eines Glaubens, den er in der Mitte seines Lebens entdeckte und den er rational und spirituell unwiderstehlich fand. Sehr zum Ärger mancher Leute wird sein Buch Mere Christianity (dt. Pardon, ich bin Christ) heute oft als einflussreichstes religiöses Werk des zwanzigsten Jahrhunderts angeführt.

Vielleicht gerade wegen seines unverhohlenen öffentlichen Bekenntnisses zum Christentum ist Lewis bis heute eine umstrittene Gestalt. Bei manchen von denen, die seine Begeisterung für den christlichen Glauben teilen, trifft er auf Zuneigung und Bewunderung; bei manchen derer, die das nicht tun, auf Spott und Verachtung. Doch ob man das Christentum nun für etwas Gutes oder etwas Schlechtes hält, wichtig ist es allemal – und Lewis ist vielleicht der glaubwürdigste und einflussreichste populäre Vertreter des «bloßen Christentums», für das er sich starkmachte.

Doch es gibt noch eine dritte Perspektive auf Lewis, mit der vielleicht die meisten seiner Bewunderer und Kritiker am wenigsten vertraut sind: den angesehenen Oxforder Hochschullehrer und Literaturwissenschaftler, der vor überfüllten Hörsälen ohne schriftliche Vorlage seine Reflexionen über englische Literatur vortrug und später der erste Inhaber des Lehrstuhls für Englische Literatur des Mittelalters und der Renaissance an der Universität Cambridge wurde. Mag sein, dass heute nur noch wenige sein Preface to «Paradise Lost» (1942) lesen. Zu seiner Zeit hingegen setzte es durch seine Klarheit und seinen Scharfblick neue Maßstäbe.

Lewis’ professionelle Berufung lag in den Weihen der Wissenschaft. Seine Wahl zum Fellow der British Academy im Juli 1955 war eine öffentliche Beglaubigung seines hohen Ansehens als Gelehrter. Manche in der akademischen Welt freilich sahen seinen kommerziellen und populären Erfolg als unvereinbar mit dem Anspruch an, ein ernsthafter Wissenschaftler zu sein. Seit 1942 hatte Lewis Mühe, seine akademische Glaubwürdigkeit angesichts seiner eher populären Werke zu wahren, vor allem seiner humorvollen Gedanken über die diabolische Welt Screwtapes.

Wie also verhalten sich diese drei Lewisse zueinander? Sind sie getrennte Abteilungen seines Lebens oder gibt es Querverbindungen zwischen ihnen? Und wie hat sich jeder von ihnen entwickelt? Dieses Buch will die Geschichte erzählen, wie Lewis’ Denken geprägt wurde und seinen Ausdruck fand. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf seinen Schriften. Es geht hier nicht darum, jeden Aspekt von Lewis’ Leben zu dokumentieren, sondern den komplexen und faszinierenden Verbindungen zwischen Lewis’ Außen- und Innenwelt nachzuspüren. Darum gliedert sich diese Biografie nach den realen und den imaginären Welten, in denen Lewis lebte – vor allem Oxford, Cambridge und Narnia. Wie lässt sich die Entwicklung seiner Gedanken und Vorstellungen in den physischen Welten, die er bewohnte, nachzeichnen? Wer half ihm dabei, seine intellektuelle und imaginative Vision der Wirklichkeit zu schmieden?

In unserer Erörterung werden wir Lewis’ Aufstieg zum Ruhm und einige der dabei wirksamen Faktoren betrachten. Doch dass Lewis berühmt wurde, ist eine Sache; dass er es fünfzig Jahre nach seinem Tod immer noch ist, eine ganz andere. Viele, die sich damals in den 1960ern über ihn äußerten, waren der Meinung, Lewis’ Ruhm sei nur vorübergehend. Sein unvermeidlicher Abstieg in die Vergessenheit, so glaubten viele, sei nur eine Frage der Zeit – vielleicht höchstens eines Jahrzehnts. Aus diesem Grund versucht das letzte Kapitel dieses Buches nicht nur zu erklären, warum Lewis zu einer so einflussreichen Autorität geworden, sondern auch, warum dies bis heute so geblieben ist.

Einige der wichtigeren früheren Biografien wurden von Leuten geschrieben, die Lewis persönlich kannten. Diese Bücher bleiben von unschätzbarem Wert, weil sie schildern, was für ein Mensch Lewis war, und zugleich wichtige Einschätzungen zu seinem Charakter liefern. Die umfangreichen wissenschaftlichen Arbeiten der letzten beiden Jahrzehnte dagegen haben Fragen von historischer Bedeutung geklärt (wie etwa Lewis’ Rolle im Ersten Weltkrieg), sind Aspekten der intellektuellen Entwicklung Lewis’ nachgegangen und haben kritische Interpretationen seiner wichtigsten Werke geliefert. Diese Biografie versucht, diese Fäden miteinander zu verweben und ein Verständnis Lewis’ zu präsentieren, das fest auf frühere Untersuchungen gegründet ist und dennoch über sie hinausgehen kann.

Jeder Versuch, sich mit Lewis’ Aufstieg zur Prominenz zu befassen, muss auch sein Unbehagen davor erwähnen, eine öffentliche Rolle einzunehmen. Lewis war in der Tat ein Prophet für seine Zeit und darüber hinaus. Doch es muss auch gesagt werden, dass er ein widerwilliger Prophet war. Selbst seine eigene Bekehrung schien seinem Urteil zu widerstreben; und nachdem er sich dem Christentum zugewandt hatte, ergriff Lewis vor allem wegen des Schweigens oder der Unverständlichkeit derjenigen, die er für besser als sich selbst geeignet hielt, sich öffentlich zu religiösen und theologischen Fragen zu äußern, das Wort zu christlichen Themen.

Darüber hinaus erscheint Lewis in gewissem Maß als Exzentriker im eigentlichen Sinne des Wortes – als jemand, der von anerkannten, konventionellen oder etablierten Normen und Verhaltensmustern oder vom Zentrum der Dinge abweicht. Seine merkwürdige Beziehung zu Mrs. Moore, auf die dieses Buch mit einiger Ausführlichkeit eingehen wird, rückte ihn weit ab von den sozialen Normen im Großbritannien der 1920er Jahre. Viele seiner akademischen Kollegen in Oxford begannen um 1940, ihn als einen Außenseiter zu betrachten, sowohl wegen seiner unverhohlen christlichen Anschauungen als auch seiner einem Gelehrten nicht wohl anstehenden Gewohnheit, Romane und apologetische Werke auf populärer Ebene zu schreiben. Lewis selbst beschrieb seine Distanz zu den vorherrschenden akademischen Trends seiner Zeit, als er sich in seiner Antrittsvorlesung an der Universität Cambridge 1954 als «Dinosaurier» bezeichnete.

Diese Distanz vom Zentrum zeigt sich auch in Lewis’ religiösem Leben. Obwohl Lewis zu einem höchst einflussreichen Wortführer innerhalb der britischen Christenheit wurde, agierte er eher von deren Rändern her als aus ihrem Zentrum. Zur Pflege von Beziehungen zu den führenden Köpfen des religiösen Establishments hatte er keine Zeit. Vielleicht war es dieser Zug, den manche Medienvertreter, die auf der Suche nach einer authentischen religiösen Stimme außerhalb der Machtstrukturen der etablierten Kirchen waren, so sehr an ihm schätzten.

Diese Biografie strebt nicht danach, Lewis zu bejubeln oder ihn zu verdammen, sondern ihn zu verstehen – vor allem sein Denken und die Art und Weise, wie es sich in seinen Schriften ausdrückt. Diese Aufgabe wird dadurch erleichtert, dass mittlerweile nahezu alles von Lewis Geschriebene, was noch erhalten ist, veröffentlicht wurde. Ebenso steht ein beträchtlicher Apparat akademischer Literatur zur Verfügung, die sich mit seinen Werken und seinem Denken auseinandersetzt.

Die riesige Menge biografischen und wissenschaftlichen Materials, die heute über Lewis vorliegt, droht den Leser mit kleinsten Einzelheiten zu überwältigen. Wer sich ein Bild von Lewis zu machen versucht, wird mit einem «Meteoritenhagel von Fakten» bombardiert, der vom Himmel herabregnet,1 wie die amerikanische Dichterin Edna St. Vincent Millay (1892–1950) es nannte. Wie, so ihre Frage,...