Übergewicht als Politikum? - Normative Überlegungen zur Ernährungspolitik Renate Künasts

von: Felissa Mühlich

VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2008

ISBN: 9783531909769 , 112 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 33,26 EUR

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Übergewicht als Politikum? - Normative Überlegungen zur Ernährungspolitik Renate Künasts


 

3 Dokumentenanalyse (S. 55-56)

Die sozialwissenschaftliche Dokumentenanalyse wurde aus der Quellenanalyse der Geschichtswissenschaft entwickelt und gehört zu den interpretativen Verfahren. Laut Werner Reh ist die Quellen- und Dokumentenanalyse auch für politikwissenschaftliche Forschung „unverzichtbar" (Reh 1995: 203). Trotzdem wird sie in politikwissenschaftlichen Methodenlehrbüchern eher vernachlässigt. Die Folgen davon sind eine uneinheitliche Terminologie und unterschiedliche, vage Angaben zur Vorgehensweise. Im Allgemeinen wird entsprechend der Fragestellung eine Quellenauswahl getroffen, die alle für die Fragestellung einschlägigen Quellen umfassen sollte.

Diese Quellen werden in ihrer Aussagekraft bewertet, bevor dann die eigentliche sprachliche und inhaltliche Analyse durchgeführt wird (vgl. dazu ebd.). Nach Atteslander gehe es um eine „intensive, persönliche Auseinandersetzung mit dem Dokument, welches in seiner Einmaligkeit möglichst umfassend durchleuchtet und interpretiert wird" (Atteslander 1971: 67, zitiert nach Mayring 1993: 33). Da es mir um eine inhaltliche Aufschlüsselung der Quellen geht, entspricht mein genaueres Vorgehen der Inhaltlichen Strukturierung nach Philipp Mayring (1988), einer Version der dort als „qualitative Inhaltsanalyse" bezeichneten Methode.43 Ziel einer solchen Strukturierung ist es, unter vorher festgelegten Gesichtspunkten „bestimmte Themen, Inhalte, Aspekte aus dem Material herauszufiltern und zusammenzufassen" (Mayring 1988: 82).

Wonach in den Quellen genau gesucht wird, hängt von der Fragestellung ab. In einem ersten Durchgang werden die Fundstellen im Material gekennzeichnet, bei denen das gesuchte Thema angesprochen wird. Dann werden die Fundstellen extrahiert und die Inhalte zusammengefasst. Die aus dem Material herausgearbeiteten Inhalte können dann im breiteren Rahmen der Fragestellung diskutiert und kritisiert werden (ebd.). Als Quellen habe ich regierungsamtliche Veröffentlichungen Renate Künasts und des BMVEL gewählt, sowie das von Renate Künast selbst geschriebene Buch Die Dickmacher. Regierungsamtliche Quellen sind für meine Fragestellung wichtig, da die offizielle Politik und Haltung von Renate Künast als Bun desministerin gegenüber Ernährung und Übergewicht normativ untersucht werden soll.

Da die meisten ernährungspolitischen Publikationen über den aid44 und in Absprache mit diesem erscheinen, bleiben als wichtigste Dokumente die regelmäßigen Ernährungs- und Agrarpolitischen Berichte des Ministeriums und die Regierungserklärung Renate Künasts Eine neue Ernährungsbewegung für Deutschland vom 17.06.2004. Das Buch Die Dickmacher ist keine regierungsamtliche Äußerung, die sonst mit anderen Ressorts oder dem Kabinett hätte abgestimmt werden müssen, sondern wurde von Frau Künast als Privatperson und ohne Arbeitsbeteiligung des Ministeriums veröffentlicht.

Das Dokument ist jedoch für meine Fragestellung auch wichtig, weil Renate Künasts persönliche Ansichten zum Thema Ernährung und Übergewicht dort ausführlich dargestellt werden, die sicherlich ihre Positionen als Ministerin beeinflussen, und das noch in einer publikumswirksamen und einer breiten Öffentlichkeit zugänglichen Weise. Die drei Materialarten Regierungserklärung, Berichte des BMVEL und Die Dickmacher werde ich zunächst getrennt von einander darstellen und analysieren, damit die jeweiligen Besonderheiten nicht aus dem Blick geraten. Antworten zu den folgende Fragen, die sich auch aus den theoretischen Aspekten herleiten, werde ich aus den Dokumenten herausarbeiten:

1. Wie wird Übergewicht thematisiert und welche Ursachen für Übergewicht und Adipositas werden genannt?
2. In welchen Zusammenhängen taucht „Privatheit" bzw. die Grenze zwischen öffentlich und privat in den Dokumenten im Kontext von Ernährungspolitik direkt oder indirekt auf?
3. In welchem Zusammenhang taucht „Autonomie" direkt oder indirekt auf?
4. Wie wird die Notwendigkeit von politischem Handeln bezüglich der Ernährungsweise und Übergewicht begründet oder abgelehnt?
5. Welche politischen Instrumente sollen zum Einsatz kommen, bzw. wie soll politisches Handeln hier aussehen? Welche politischen Maßnahmen gibt es bereits?