Austausch impliziten Erfahrungswissens - Neue Perspektiven für das Wissensmanagement

von: Stephanie Porschen

VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2008

ISBN: 9783531908830 , 282 Seiten

Format: PDF

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 33,26 EUR

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Austausch impliziten Erfahrungswissens - Neue Perspektiven für das Wissensmanagement


 

I Funktionswandel von Arbeit und neue Arbeitsformen (S. 141-142)

Der Funktionswandel von Arbeit ist ein komplexer Prozess, der durch Individualisierung, Globalisierung, Dezentralisierung, unternehmensübergreifende und unternehmensinterne Netzwerkbildung, Informatisierung und Tertiarisierung beeinflusst wird.96 Näher beschreiben lässt sich der Funktionswandel der Arbeit mithilfe der durch ihn forcierten Arbeitsformen als „Entgrenzte Arbeit" (Kratzer u.a. 2004, Sauer 2005), „Interkulturelle Arbeit" (von Behr, Knoblach 2002), „Verteilte Arbeit" (Meil, Heidling 2005), „Informatisierte Arbeit" (Boes, Pfeiffer 2005) und „Interaktive Arbeit" (Dunkel, Rieder 2004, Porschen, Bolte 2005). Dabei gewinnt insbesondere die interaktive Arbeit für den Großteil der Beschäftigten in Unternehmen immer mehr an Bedeutung (Böhle, Rose 1992, Knoblauch 1996, Rammert 1999). Sie steht für den gesteigerten Bedarf an zu mobilisierendem Wissen in Unternehmen (vgl. Wilkesmann 2005, S. 57 ff.).

1 Funktionswandel von Arbeit und der neue Stellenwert interaktiver Arbeit Mit dem Abbau tayloristischer Bürokratien und den seit einigen Jahren permanent stattfindenden Reorganisationsprozessen, die als Antwort auf den gestiegenen Druck seitens des Marktes erfolgen (Fürstenberg 2005, S. 61 ff.), verändert sich auch das Anforderungsprofil an die Mitarbeiter. Interaktive Arbeit und damit kooperative und kommunikative Fähigkeiten werden gegenüber operativen und instrumentellen Aspekten der Arbeit in den verschiedensten Beschäftigtenbereichen immer wesentlicher. Der Grad der Subjektivität und die Einzigartigkeit der Tätigkeiten steigen (Derboven u.a. 2002, S. 7).

Dahinter steht eine veränderte Auffassung der Planbarkeit von Prozessen und der Rollen der betrieblichen Akteure. Heute geht man auch in der Produktion nicht mehr von der ausführenden, von der Planung getrennten Tätigkeit aus, die an die Metapher der Maschine geknüpft war (ist sie einmal konstruiert und gebaut, sind nur noch identische Arbeitsschritte viele Male auszuführen). Vielmehr wird angenommen, dass alle Tätigkeiten ein gewisses Maß an schöpferischer Kraft benötigen und damit keine rein mechanischen Vorgänge darstellen. Denn durch die sich zunehmend am Markt orientierenden Organisationsstrukturen ergibt sich eine Dynamik, die sich für die Mitarbeiter als „Bewältigung des Unplanbaren" (Böhle u.a. 2004, Böhle, Sevsay-Tegethoff 2005) bemerkbar macht. Mitarbeiter müssen ihr Wissen in neuen oder erweiterten Aufgabengebieten anwenden und können dabei nicht immer auf vorhandenes Wissen zurückgreifen. Die Mitarbeiter sind deshalb immer mehr darauf angewiesen, situativ neues Wissen zu entwickeln.

Diese „Wissensarbeit" ist als interaktive Tätigkeit näher zu fassen. In der interaktiven Arbeit wird über Kooperation und Kommunikation ein praktisches, aktuelles und situationsbezogenes Wissen entwickelt bzw. von den Mitarbeitern gemeinsam konstruiert (vgl. Teile A, C).98 Damit gehen aber auch neue Anforderungen an Kooperation und Kommunikation einher (Endres, Wehner 1993, Porschen, Bolte 2004). Aufgrund neuer Organisationsprinzipien, die eine flexible bereichsübergreifende Wissensmobilisierung bedingen, werden vor allem verstärkte Anforderungen an die bereichsübergreifende Kooperation und Kommunikation gestellt.

Die Verbesserung der – auch bereichsübergreifenden – Kooperation und Kommunikation wird in wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Publikationen, Ratgebern und in der Presse dementsprechend als eine wesentliche Voraussetzung für den Unternehmenserfolg propagiert (Böhle, Bolte 2002, S. 11 ff.). Das kann exemplarisch anhand der Diskussion um neue Anforderungen an Kooperation und Kommunikation etwa bei industriellen Fachkräften, die insbesondere für Ingenieure untersucht wurden (Porschen 2002), verdeutlicht werden. Ingenieure eignen sich deshalb besonders gut zur Darstellung des Wandels, weil hier lange Zeit nur traditionelle, vor allem technisch-funktionale Fähigkeiten gefordert (und ausgebildet) wurden. Zunächst werden Hinweise auf veränderte Organisationsprinzipien als Ursache für die neuen Anforderungen an interaktive Arbeit aufgezeigt.