Der Islam als Diskursfeld - Bilder des Islams in Deutschland

von: Dirk Halm

VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2008

ISBN: 9783531910895 , 142 Seiten

2. Auflage

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 24,99 EUR

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Der Islam als Diskursfeld - Bilder des Islams in Deutschland


 

5 Ergebnisse (S. 48-49)

5.1 Christlich-islamischer Dialog

5.1.1 Quantitative Entwicklung des Dialogs

Nach der Bitte einer Abschätzung der quantitativen Entwicklung des Dialogs an die Befragten, auch mit Blick auf einen eventuell gestiegenen Informationsbedarf nach dem 11. September 2001 auf christlicher Seite bzw. eine eventuell häufigere Kontaktaufnahme seitens der Muslime mit christlichen (oder jüdischen) Gemeinden, wird die Notwendigkeit deutlich, verschiedene Formen des Dialogs zu differenzieren, die sich nach Aussage der Gesprächspartner sehr unterschiedlich entwickelt haben. Allerdings ist auffällig, dass auf christlicher Seite keine gemeinsam geteilten Dialogkonzepte zu bestehen scheinen, wie etwa das katholische Vier- Ebenen Konzept eines wäre (auf dieses beziehen sich aber nicht einmal die katholischen Akteure).

Im Sinne dieses Konzeptes können die Einschätzungen der Experten aber dahingehend interpretiert werden, dass weder vor noch nach dem 11. September der (strukturierte) Austausch über Theologie oder über religiöse Erfahrung in nennenswertem Umfang stattfindet. Veränderungen sind allenfalls im Dialog über das Zusammenleben zu erkennen (Ebenen „Leben" und „Handeln"), die aber als wenig nachhaltig eingeschätzt werden – das heißt auch, dass in vielen christlichen und muslimischen Gemeinden die Dialoganstrengungen inzwischen wieder geringer werden. Inzwischen ist der christlich-islamische Dialog in der Hauptsache eine Angelegenheit von Gremien oder großer internationaler Veranstal tungen, deren Offizialität den vorbehaltlosen Austausch von Positionen verunmöglichen kann.

Nur teilweise wird formuliert, dass eine schon vorhandene Kontinuität des Austauschs über Theologie langsam aber merklich Früchte trägt und gegenseitiges Verständnis und Selbstreflektion wachsen. Initiativen, für die das gilt, kann es gelingen, kurzfristig gemeinsame Positionen zu interreligiösen Krisen festzulegen, wie etwa in Duisburg- Marxloh nach der Regensburger Rede Papst Benedikts. Andererseits kann sich die im Dialog geschaffene Grundlage in Krisensituationen auch als wenig belastbar erweisen – von dieser Situation ist nicht nur der christlich- muslimische, sondern übrigens auch der jüdisch-christliche Dialog in den letzten Jahre gekennzeichnet, obwohl auch Versuche zu konstatieren sind, als die Herausforderung von als antisemitisch wahrgenommenen Islamismus zu einer Annäherung von Christen und Juden zu nutzen, wie etwa ein Zitat von Kardinal Lehmann zeigt:

Auch die Integrationsprobleme mit muslimischen Migranten in Westeuropa, von denen sich manche Jüngere aus der zweiten und dritten Einwanderergeneration islamistischem Gedankengut verschreiben und einige wenige sogar auf den Weg der Gewalt abdriften, berühren nicht nur die christliche Mehrheitsbevölkerung, sondern auch die hier lebenden Juden. Dem Antisemitismus in den Randzonen der traditionell ansässigen Bevölkerung hat sich längst eine antizionistisch motivierte Judenfeindlichkeit zugesellt, die an manchen Stellen ideologisch mit dem klassischen Rechtsextremismus verschmilzt. All dies macht den Ruf nach einem Dialog zwischen Islam, Christentum und Judentum […] gut verständlich."

Nebenbei bemerkt ist die subtile Unterscheidung des christlichen und islamischen Antisemitismus interessant, die Lehmann hier etabliert: Judenfeindliche Islamisten kommen aus der zweiten und dritten Einwanderergeneration, während Antisemitismus in den Randzonen der deutschen Gesellschaft zu verorten ist. Unter den Experten bestehen unterschiedliche Einschätzungen darüber, welche Bedeutung der interreligiöse Dialog für die Kirchen auf Leitungsebene in den letzten Jahren hat. Die Experten betonen nur zum Teil Ernüchterung und einen Rückzug vom Dialog, die andere wiederum nicht erkennen. Einer Vertiefung bestehender Aktivitäten steht die mangelnde Bereitschaft gegenüber, neue Projekte zu initiieren. Die Breite des interreligiösen Dialogs wird zukünftig davon abhängen, ob in seinem Rahmen gemeinsame Zukunftsaufgaben diskutiert und bewältigt werden können.