Zeitmanagement - Ein Trainingshandbuch für Trainer, Personalentwickler und Führungskräfte

von: Alexander Häfner, Julia Hartmann, Lydia Pinneker

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2014

ISBN: 9783840924712 , 149 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 30,99 EUR

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Zeitmanagement - Ein Trainingshandbuch für Trainer, Personalentwickler und Führungskräfte


 

Kapitel 1 Zeitmanagement – Eine Antwort auf zunehmende Beschleunigung im Arbeitskontext? (S. 11-12)

Ratgeberliteratur mit Hinweisen zur Verbesserung des persönlichen Zeitmanagements erfreut sich seit Jahrzehnten großer Beliebtheit (z.?B. Drucker, 1967; Lakein, 1973; Mackenzie, 1997; McCay, 1959; Nussbaum, 2007; Seiwert, 2000). Eine ganze Reihe aktueller Veröffentlichungen deutet auf die starke Nachfrage im Ratgebermarkt hin (z.?B. Davis, 2011; Hatzelmann, Held & Liebermann, 2010; Knoblauch, Wöltje, Hausner, Kimmich & Lachmann, 2012). In vielen Unternehmen gehören Zeitmanagementtrainings zum Standardrepertoire der Personalentwicklung.

In den letzten Jahrzehnten hat sich auch die psychologische Forschung vermehrt mit Zeitmanagement beschäftigt. Insbesondere seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts hat das Thema Zeitmanagement in der psychologischen Forschung an Bedeutung gewonnen. Zu den wichtigen Forschungsthemen der letzten Jahrzehnte gehören die folgenden Themenbereiche:
• zeitbezogene Anforderungen bei unterschiedlichen Mitarbeitergruppen (z.?B. Hawkins & Klas, 1997; Major, Klein & Ehrhart, 2002; Teuchmann, Totterdell & Parker, 1999),
• die differenzierte Beschreibung und Erfassung von Zeitmanagement mit seinen verschiedenen Facetten (z.?B. Britton & Tesser, 1991; Macan, Shahani, Dipboye & Phillips, 1990),
• die Beschreibung konkreter Zeitmanagementtechniken (z.?B. Richards, 1987; Häfner & Stock, 2010),
• Ursachen von Zeitmanagementproblemen (z.?B. Koch & Kleinmann, 2002; König & Kleinmann, 2006a),
• Zusammenhänge von Zeitmanagement, Leistung und Befinden (z.?B. Claessens, van Eerde, Rutte & Roe, 2004; Kearns & Gardiner, 2007; Nonis & Sager, 2003),
• auch spezifische Phänomene wie Aufschiebe- Verhalten (Fachbegriff: Prokrastination) sind in den Fokus gerückt (z.?B. van Eerde, 2003; Steel, 2007)
• und nicht zuletzt die Prüfung der Wirksamkeit von Zeitmanagementtrainings (z.?B. Häfner & Stock, 2010; Häfner, Stock, Pinneker & Ströhle, 2014; Orpen, 1994; van Eerde, 2003).

In Wissenschaft und Praxis hat sich Zeitmanagement zu einem wichtigen Thema entwickelt. So wurden zum Beispiel auf der 7. Fachtagung der Fachgruppe Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie im Jahr 2011 verschiedene Beiträge zum Thema Zeitmanagement vorgestellt.

Eine erste zusammenfassende Beschreibung unterschiedlicher Zeitmanagementstrategien findet sich bereits bei Richards (1987), wobei der Autor verschiedene Ratgeberbücher und Anbieter von Zeitmanagementhilfsmitteln als Quelle nutzte. Was sind die Ursachen für das zunehmende Interesse an diesem Thema? Schlagworte wie Beschleunigung, E-Mail-Flut, Just-in-time-Belieferungsund Produktionssysteme, globaler Wettbewerb, Streben nach Produktivitätssteigerungen, eng gesteckte Zieltermine oder das Verschwimmen von Arbeit und Freizeit stehen für Veränderungen der Arbeitswelt, die das Thema Zeit in den Fokus rücken. Die genannten Veränderungen werfen bei vielen Beschäftigten die Frage auf, wie sie mit solchen zeitbezogenen Anforderungen umgehen können. Die Verbesserung des persönlichen Zeitmanagements wird in der Folge in vielen Unternehmen als eine mögliche Antwort gesehen.

1.1 Zeitbezogene Anforderungen im Arbeitskontext

Viele Beschäftigte erleben zeitbezogene Anforderungen, wie zum Beispiel Termindruck oder Unterbrechungen, bei ihrer Arbeit. In einer aktuellen Studie kommt die Techniker Krankenkasse zu dem Ergebnis, dass 65 % der Befragten (Kundenkompass Stress) über zu viel Arbeit und 62 % über Termindruck und Hetze klagen. Die Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2013. Im Vergleich zum Jahr 2009 ergab sich ein deutlicher Anstieg, so gaben im Jahr 2009 noch 52 % an, dass sie unter Termindruck und Hetze leiden (Techniker Krankenkasse, 2013a).

Eurofound, eine Einrichtung der Europäischen Union, führt seit 1991 Befragungen zu den Arbeitsbedingungen in den Ländern der Europäischen Union durch. In Abständen von 5 Jahren werden auch die zeitbezogenen Anforderungen im Arbeitskontext untersucht. Die Studienteilnehmer werden unter anderem dazu befragt, ob es bei ihrer Arbeit vorkommt, dass sie mit hohem Tempo arbeiten müssen, und ob sie unter Zeitdruck arbeiten. Besonders interessant für unser Thema sind vor allem zwei Ergebnisse aus den Befragungen der letzten Jahre (Eurofound, n.?d.): (1) In der Erhebung des Jahres 2010 berichten etwa 60 % der Befragten, dass sie mindestens bei einem Viertel ihrer Arbeitszeit mit hohem Arbeitstempo arbeiten müssen und Zeitdruck erleben, (2) von 1991 bis 2010 ist in Bezug auf das erlebte Arbeitstempo und den wahrgenommenen Zeitdruck ein deutlicher Anstieg von etwa 50 % auf die genannten 60 % festzustellen. Dies spricht für eine hohe Relevanz zeitbezogener Anforderungen für einen beachtlichen Anteil der Beschäftigten in den Ländern der europäischen Union.

In einer Metaanalyse aus Befragungsdaten von 30.000 Beschäftigten in 150 Betrieben in Deutschland kommt das Wissenschaftliche Institut der AOK zu dem Ergebnis, dass fast jeder dritte Befragte stark unter Hektik, Zeit- und Termindruck leidet (Vetter & Redmann, 2005). Im Stressreport Deutschland 2012 (Lohmann-Haislah, 2012) spielt die Untersuchung und Diskussion zeitbezogener Anforderungen ebenfalls eine wichtige Rolle: „Das Gefühl, immer mehr Aufgaben immer rascher erledigen zu müssen, kennzeichnet gegenwärtig die Befindlichkeit vieler arbeitstätiger Menschen. Arbeiten unter Termin- und Leistungsdruck gehört zur zentralen Belastung in der heutigen Arbeitswelt“ (Lohmann-Haislah, 2012, S.?107). Etwa 70 % der Befragten geben an, dass sie häufig verschiedene Aufgaben gleichzeitig betreuen, fast 60 % der Befragten berichten von häufigen Störungen und Unterbrechungen bei ihrer Arbeit und mehr als 50 % der Befragten berichten, dass sie häufig sehr schnell arbeiten müssen. Mehr als 40 % berichten Vereinbarkeitsprobleme in Bezug auf Freizeit und Beruf, 26 % berichten häufigen Pausenausfall bei der Arbeit (Lohmann- Haislah, 2012, S.?107).

Auch die Flexibilisierung von Arbeitszeiten schafft neue Anforderungen. Mehr erlebte Zeitnot, ein höherer Erwartungsdruck an die freie Zeit, höhere Anforderungen an das eigene Zeitmanagement und weniger Freizeit werden als mögliche negative Begleiterscheinungen flexibler Arbeitszeiten diskutiert (Bamberg, Busch & Mohr, 2012; Garhammer, 1994).

Gesundheitsreports der Krankenkassen weisen auf zeitbezogene Anforderungen, wie die berufsbezogene Erreichbarkeit in der Freizeit, hin (z.?B. Gesundheitsreport der DAK, 2013). So berichtet die DAK in ihrem Gesundheitsreport, dass jeder sechste Arbeitnehmer zumindest einmal pro Woche oder häufiger außerhalb der Arbeitszeit angerufen wird und fast jeder Zehnte täglich oder fast täglich berufliche E-Mails außerhalb der Arbeitszeit liest. Von den 8 % der Beschäftigten, die ständig erreichbar sind, leidet jeder Vierte an einer Depression.