Bauphysik Kalender 2011 - Schwerpunkt: Brandschutz

Bauphysik Kalender 2011 - Schwerpunkt: Brandschutz

von: Nabil A, Fouad

Ernst & Sohn, 2014

ISBN: 9783433605608 , 684 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 70,99 EUR

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Bauphysik Kalender 2011 - Schwerpunkt: Brandschutz


 

A 1


Brandschutz im Bauordnungsrecht


Gabriele Famers

Ministerialrätin
Dipl.-Ing. Gabriele Famers
Leopoldstraße 77, 80802 München
Studium der Architektur und Diplom an der RWTH Aachen. Tätigkeit in einem Architekturbüro. Referendariat und Große Staatsprüfung für den höheren bautechnischen Verwaltungsdienst in Bayern; Regierungsbaumeisterin. Langjährige Leiterin des Sachgebiets Fachliche Angelegenheiten der Bayerischen Bauordnung im Bayerischen Staatsministerium des Innern. Langjährige Obfrau der Projektgruppe Brandschutz der Fachkommission Bauaufsicht der Bauministerkonferenz (ARGEBAU).

Inhaltsverzeichnis


1 Bauordnungsrecht der Länder, Musterbauordnung der ARGEBAU

2 Bauordnungsrechtliche Brandschutzvorschriften

2.1 Gesetz

2.2 Verordnungen, Richtlinien

2.3 Technische Regeln

2.3.1 Eingeführte Technische Baubestimmungen

2.3.2 Allgemein anerkannte Regeln der Technik

2.4 Brandschutz außerhalb des Bauordnungsrechts

3 Brandschutzkonzepte der MBO

3.1 Brandschutzkonzepte für fünf Gebäudeklassen

3.2 Besondere Anforderungen an Sonderbauten

4 Bauaufsichtliche Verfahren, Abweichungen

4.1 Bauaufsichtliche Mitwirkung

4.2 Brandschutznachweis und Prüfung

4.3 Abweichungen

5 Struktur der Anforderungen an Baustoffe und Bauteile

5.1 Brandverhalten von Baustoffen

5.2 Feuerwiderstandsfähigkeit von Bauteilen

5.3 Verknüpfung von Baustoff- und Bauteilanforderung

5.4 Schutzziel und Konkretisierung, Beispiel tragende Wände und Decken

6 Struktur der Anforderungen an Rettungswege

6.1 Zwei Rettungswege, Rettungswegführung

6.2 Bemessung der Rettungswege

6.3 Schutz der Rettungswege

1 Bauordnungsrecht der Länder, Musterbauordnung der ARGEBAU


Brandschutz ist seit jeher ein wesentlicher Bestandteil des Bauordnungsrechts. Nicht selten waren Anforderungen an Gebäude zum Schutz vor Feuer Auslöser für die Entwicklung von Bauvorschriften überhaupt. Weil durch verheerende Stadtbrände ein Großteil der Bevölkerung Haus und Hof verlor und ein erheblicher Teil der Wirtschaftsgrundlage der Gemeinschaft vernichtet war, hat die jeweilige Obrigkeit für die Bauausführung beim Wiederaufbau besondere Regeln erlassen, die eine Wiederholung solcher Katastrophen im öffentlichen Interesse verhindern sollten. So entstanden Bauvorschriften mit mehr oder weniger örtlich begrenzter Geltung. Einige alte Stadtbilder verdanken ihr typisches Erscheinungsbild einer solchen örtlichen Brandschutzvorschrift, wie zum Beispiel die Städte an Inn und Donau mit ihren Grabendächern und den hohen Vorschussmauern ohne Dachüberstände.

Auch heute nimmt der Brandschutz im Bauordnungsrecht einen großen Raum ein. Das Schutzziel ist nach wie vor die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere der Schutz von Leben und Gesundheit, später hinzugekommen auch der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (§ 3 Abs. 1 MBO).

Das Bauordnungsrecht ist Ländersache. Die Länder haben 1955 eine Musterbauordnungskommission gegründet, um einer zu unterschiedlichen Ausformung des Bauordnungsrechts entgegenzuwirken. In dieser Kommission waren alle für die Bauaufsicht zuständigen Länderministerien sowie das Bundesministerium für Wohnen vertreten. Sie erarbeitete eine Musterbauordnung (MBO), die erstmals 1959 den Ländern als Orientierungswert für die eigene Landesgesetzgebung zur Verfügung stand. Nachfolgerin der Musterbauordnungskommission ist heute die Fachkommission Bauaufsicht der Bauministerkonferenz (Arbeitsgemeinschaft der für Städtebau, Bau- und Wohnungswesen zuständigen Minister und Senatoren der 16 Länder der Bundesrepublik Deutschland – ARGEBAU). Die Musterbauordnung wurde und wird von der Fachkommission Bauaufsicht ständig weiterentwickelt und liegt seit 2002 in einer novellierten Fassung vor. In den nachfolgenden Ausführungen wird von der Musterbauordnung MBO und den zugehörigen Muster-Vorschriften ausgegangen. Rechtsverbindlich für ein Bauvorhaben sind aber nur die Gesetze, Verordnungen, Richtlinien und TB-Listen, die das jeweilige Land erlassen hat.

2 Bauordnungsrechtliche Brandschutzvorschriften


2.1 Gesetz


Die MBO verlangt in ihrer Generalklausel (§ 3 Abs. 1 MBO), dass bauliche Anlagen so angeordnet, errichtet, geändert und instand gehalten werden, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben und Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet werden. Übertragen auf den Brandschutz konkretisiert § 14 MBO: „Bauliche Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind“. Welche Regelungen zur Erreichung dieser allgemeinen Anforderung beachtet werden müssen, findet sich im dritten Teil des Gesetzes (insbesondere in den §§ 26 bis 47 MBO).

Die Bauordnung regelt nicht die Aufgaben der Feuerwehr: diese ergeben sich aus den Feuerwehrgesetzen der Länder. Erfasst wird nur die bauliche und technische Beschaffenheit eines Gebäudes: es muss die Arbeit der Feuerwehr ermöglichen. Bei Gebäuden, für die als zweiter Rettungsweg eine „anleiterbare Stelle“ genügt (s. Abschn. 6.1), stellt die Feuerwehr diesen zweiten Rettungsweg mit ihrer Leiter her. In den anderen Fällen sind mindestens zwei Rettungswege baulich vorzusehen, die der Personenrettung und auch dem Feuerwehreinsatz dienen. Zugunsten wirksamer Löscharbeiten verlangt die Bauordnung insbesondere, dass die Gebäude von der öffentlichen Verkehrsfläche aus erreichbar sind, sie im Brandfall für eine bestimmte Zeit standsicher bleiben und Brände auf bestimmte Bereiche (z. B. Nutzungseinheiten, Geschosse, Brandabschnitte) beschränkt bleiben.

2.2 Verordnungen, Richtlinien


Brandschutzvorschriften im Rang unterhalb des Gesetzes enthalten die auf der Rechtsgrundlage der Bauordnung (§ 85 MBO) erlassenen Verordnungen. Sie befassen sich mit Anforderungen an Sonderbauten (z. B. Muster-Versammlungsstättenverordnung – MVStättV, Muster-Verkaufsstättenverordnung – MVkV, Muster-Beherbergungsstättenverordnung – MBeVO) oder an Garagen und Feuerungsanlagen (Muster-Garagenverordnung – MGarVO, Muster-Feuerungsverordnung – MFeuV). Als Rechtsnorm entfalten diese Verordnungen Außenwirkung.

Brandschutzanforderungen an Sonderbauten werden auch in der Form von bauaufsichtlichen Richtlinien gestellt (z.B. Muster-Hochhaus-Richtlinie – MHHR und Muster-Schulbau-Richtlinie – MSchulbauR). Diese Richtlinien sind Verwaltungsvorschriften und binden die Verwaltung. Sie sind von den Bauaufsichtsbehörden im bauaufsichtlichen Verfahren zur Beurteilung heranzuziehen (s. Abschn. 3.2, 4.1). Die Muster-Industriebau-Richtlinie – MIndbauRL und die Muster-Kunststofflager-Richtlinie – MKLR sind dagegen (im Grunde systemwidrig) in der Liste der eingeführten Technischen Baubestimmungen enthalten mit der Folge, dass sie von allen am Bau Beteiligten zu beachten sind (s. Abschn. 2.3.1).

2.3 Technische Regeln


2.3.1 Eingeführte Technische Baubestimmungen


Mit § 3 Abs. 3 Satz 1 MBO verknüpft die Bauordnung bestimmte technische Regeln mit dem Gesetz: „Die von der obersten Bauaufsichtsbehörde durch öffentliche Bekanntmachung als Technische Baubestimmungen eingeführten technischen Regeln sind zu beachten.“ Durch die Forderung „sind zu beachten“ erübrigt sich die für den Anwender oft schwierige Beurteilung der rechtlichen Verbindlichkeit von technischen Regeln. Auf der Basis der Muster-TB-Liste, die von der Fachkommission Bautechnik der ARGEBAU erarbeitet und jährlich aktualisiert wird, veröffentlicht die jeweilige oberste Bauaufsichtsbehörde eines Landes in ihrem Amtsblatt die „Liste der als Technische Baubestimmungen eingeführten technischen Regeln“ (TB-Liste). Die technischen Regeln in der TB-Liste enthalten insbesondere Planungs-, Bemessungs- und Konstruktionsregeln und in den Teilen II und III auch Anwendungsregeln für bestimmte europäisch geregelte Bauprodukte und Bausätze.

Für den Brandschutz relevant sind insbesondere die Regeln in Teil I Abschnitt 3 der TB-Liste. Neben den Eurocodes 2 bis 5 für die Tragwerksbemessung im Brandfall und die nationalen Anwendungsdokumente dazu, sind hier z. B. die Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie – MLAR, Muster-Lüftungsanlagen-Richtlinie – MLüAR, Muster-Systemböden-Richtlinie – MSysBöR, und die Muster-HFH-Holzbauweise-Richtlinie enthalten. Als Planungsgrundlage bedeutsam sind die DIN 18065 und die Muster-Richtlinie über Flächen für die Feuerwehr (Teil I...