Shake your Life - Der richtige Mix aus Karriere, Liebe, Lebensart

von: Ralph Goldschmidt

Gabal Verlag, 2011

ISBN: 9783862009114 , 224 Seiten

Format: PDF, ePUB, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 29,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Shake your Life - Der richtige Mix aus Karriere, Liebe, Lebensart


 

6 cl weißer Kuba-Rum
8 cl Ananassaft
6 cl Cream of Coconut
Frische Ananas
Amarenakirsche
Crushed Ice
Muskatnuss

»Eine Piña Colada für mich, bitte.«


»Geht klar.«


Ooooch, der Arme. Dieser Gast macht ja einen erbärmlichen Eindruck. Während ich mir den Boston Shaker, das Mixglas und den weißen Rum greife, werfe ich noch mal einen Blick rüber: Typ Opfer, ganz klar. Hängende Schultern. Weiche, etwas unförmige Körperform, runder Rücken, leichtes Übergewicht, bisschen schwabbelig. Sport macht der keinen, so viel ist sicher. Und viel Sex hat der sicher auch nicht, jedenfalls finde ich kaum eine Spur von irgendwas, worauf Frauen fliegen könnten.

Na ja, gut gekleidet ist er. Manager, so um die vierzig, aber mit einem Schuss zu viel Verantwortung für seine Konstitution, schätze ich. Erfolgreiche Menschen jedenfalls haben eine andere Ausstrahlung, eine andere Körperspannung, einen anderen Blick. Seiner geht immer nach unten, er nimmt seine Umgebung kaum wahr. Scheint zu grübeln, ist sehr mit sich selbst beschäftigt. Der muss unter Druck stehen oder eine mentale Last tragen, die ihn Richtung Boden beugt. Entweder ist sein Leben zu hart für ihn. Oder er ist zu weich für sein Leben.

Und was er da bestellt hat! Ich hole den Ananassaft aus dem Kühler. Eine Piña Colada, auf Deutsch etwa »durchgesiebte Ananas«, ist ein Drink für die Hängematte. Abendsonne unter Palmen, Karibik. Süß, cremig, fruchtig. Bei mir bestellen den zu neunzig Prozent Frauen. Würde Daniel Craig jemals in einer Bar eine Piña Colada bestellen? Ich muss laut lachen. Die Leute an der Bar schauen mich an. Aber ich darf das, einfach so loslachen, ich bin schließlich der Barmixer.

Kokosnusscreme, ein weiterer Griff in den Kühler hinter mir. Ich nehme immer echte Creme, diese Panscherei mit Kokos-Barsirup und Schlagsahne finde ich eklig. Vielleicht liegt es daran, dass ich aus einer bodenständigen Winzerfamilie stamme, in der auf Panscherei schon immer quasi die Todesstrafe stand. Ich bin für echt, geradeaus, ehrlich, keine krummen Sachen. Wie der Schwabbeltyp es wohl damit hält? Was der wohl für Prinzipien hat? Eins ist jedenfalls sonnenklar: Dem fehlt der richtige Mix im Leben.

Dem fehlt der richtige Mix im Leben.

Ich mache ihm erst mal seinen Drink: In das Cocktailglas kommt bei mir nur Würfeleis – da durchmischt sich der Drink leichter, kühlt schneller und verwässert nicht. Dann 6 cl Rum (Kuba!), 8 cl Ananassaft und 6 cl Kokoscreme. Boston Shaker drauf, leicht schräg. Kleiner Schlag mit dem Handballen, das Teil sitzt. Und jetzt hoch die Büchse und shaken! Da blicken die Leute immer kurz zu mir hin. Entsprechend steigt ihr Energieniveau, denn mein Grinsen wirkt immer. Nur der Typ, für den ich hier 15 Sekunden lang den Drink schüttle, schaut nicht zu mir rüber. Na abwarten, den kauf ich mir noch. Aus der Jangada Bar geht keiner mit hängenden Ohren raus.

Während ich meine Show abziehe, kommt ein zweiter Geschäftsmann rein. Etwa Mitte vierzig. Eine komplett andere Ausstrahlung als mein Hängemattenträumer hat der: energische Schritte, aufrechte Haltung, straffe Schultern. Von Übergewicht keine Spur. An der Halsmuskulatur oberhalb von dem auch um diese Zeit noch tadellos sitzenden Schlips kann ich sehen, dass der Sport macht. Mindestens Fitness-Studio. Das Gesicht ist viel wacher, die Augen fokussieren, er strahlt Sicherheit aus. Jetzt geht er auf Hängematte zu und klopft ihm lässig auf die Schulter.

»Na, Kollege, wie ist die Stimmung?«

Sofort strafft sich auch Hängematte. »Ah. Schon okay. Und Sie, auch mal wieder in der Gegend, was?«

Der Straffe setzt sich daneben in den Ledersessel. Eine dieser belanglosen Unterhaltungen zwischen Businesstypen startet. So, wie schon tausend Male zuvor in der Jangada Bar. Wichtiges Projekt. Ach ja. Umstrukturierung. Mhmhm. Neue Tochterfirma. Klar. Alle total busy. Kenn ich. Reorga. Eben. Sauenge Deadline. Jaja. Wenn nur die anderen. Genau. Und der Chef. Na, wie immer halt. Bei uns auch. Post-Merger-Integration. Immer die Blockierer. Wem sagen Sie das. Kein Vorbeikommen. Exakt.

Ich öffne den Shaker – Metallteil nach unten, Glas nach oben, Schlag mit dem Handballen genau auf die Seite, der Shaker geht auf. Das Cocktailglas fülle ich zur Hälfte mit Crushed Ice, dann den sahnigen Drink drüber, durch den Strainer, das Barsieb. Daumen und Mittelfinger halten den Mixer, der Zeigefinger das Sieb. Hoppla! Wieder zu viel Schwung gehabt. Ich wische das Glas außen ab. Deko drauf: Ananasstückchen plus Amarenakirsche plus Ananasblatt mal Spießchen gleich Palmenstrandfeeling. Wenn ich lustig bin, streue ich noch ein wenig Muskatnuss oben auf den Schaum. Heute bin ich lustig.

Aus der Jangada Bar geht keiner mit hängenden Ohren raus.

Als ich Hängematte seinen Drink an seinen Tisch bringe, wirft mir der andere einen raschen Blick zu, schaut dann kurz auf seine Breitling und entscheidet sich dann dagegen, was zu trinken. Die Gesellschaft scheint ihm augenscheinlich nicht spannend genug zu sein. »Tja, Kollege, ich seh gerade, wie spät es schon ist. Ich hab noch einen Conference-Call mit Seattle. Also, ich muss dann. Lassen Sie uns noch Kärtchen tauschen … Und wenn Sie mal wieder in der Nähe sind …«

»War nett.«

»Dito.«

Und weg ist er. Auf dem Weg zu seinem nächsten Erfolg oder auf dem Weg zu einer Bar mit Gästen, die er interessanter findet. Einen besseren Drink als bei mir bekommt er zwar nirgends in der Gegend, aber mir gefällt, dass er ganz offenbar nicht gewillt ist, mit irgendwem seine Zeit zu vergeuden, sondern sein Schicksal in die Hand nimmt und selbst bestimmt, wen er trifft und was er erlebt. Ganz im Gegensatz zu meinem Ananasschlürfer hier. Das ist nämlich der Punkt. Ich sehe es ihm an: Das Thema des Abends lautet Selbstverantwortung. Und die Problemfelder? Hm. Sport, Fitness, Bewegung, Gesundheit. Das ist das erste. Das kann man sehen. Selbstverantwortung ist eine Voraussetzung für Disziplin. Und Disziplin ist eine Voraussetzung für Fitness und Gesundheit.

Das zweite Problemfeld ist Erfolg. So wie der da rumhängt, reißt man keine Bäume aus. Zum Bäumeausreißen im Business braucht man neben Disziplin und Beharrlichkeit klare Ziele und eine Vorstellung von dem Weg zum Ziel. Unter anderem. Und um klare persönliche Ziele zu erkennen, muss man wissen, was wichtig und richtig für einen ist, und dazu braucht man – genau: Selbstverantwortung.

Und das dritte Problemfeld? Ich tippe mal: Beziehung, Familie, Kinder. Welche Frau erträgt auf Dauer einen Waschlappen? Welche Kinder nehmen sich ein Opfer zum Vorbild? Und dann noch der Job mit vielen Übernachtungen in Hotels und wenig Zeit für Frau und Kinder? Das schafft man auf langer Strecke nur, wenn die Beziehungen innerhalb der Familie super funktionieren. Und das traue ich ihm aus irgendeinem Grund nicht zu. Aber vielleicht täusche ich mich ja. Ich werde das rauskriegen. Früher oder später öffnen sie sich alle. Na ja, die meisten.

»Noch einen Drink?«

»Was? Oh. Ja, okay, gern noch einen. Der schmeckt toll.«

»Ist auch der beste in der Stadt. Süß, fruchtig. Zwar nicht gerade was für harte Kerle, aber baut auf, wenn im Innern nicht alles im Lot ist, gell?«

Das sitzt. Er zuckt merklich zusammen. Entweder er kommt jetzt rüber und setzt sich an die Bar, oder er lässt den halben Drink stehen, zahlt und geht in der nächsten Viertelstunde.

Während ich die Zutaten in den Shaker schütte, beobachte ich ihn aus dem Augenwinkel. Seine Körperhaltung ist schlecht. Und das hat immer etwas mit der inneren Haltung zu tun. Jedenfalls meiner Erfahrung nach. Mir macht es Spaß, Hypothesen über meine Gäste auszuspinnen. Meine Bar ist mein Trainingsplatz. Dass ich tagsüber mein Geld ganz anders verdiene, weiß hier kaum einer.

Zum Bäumeausreißen im Business braucht man neben Disziplin und Beharrlichkeit klare Ziele.

Innere und äußere Haltung. Neulich bin ich einem bulligen Typen begegnet, locker 100 Kilo bei 1,80 Größe, Riesenbrustkorb. Trotzdem einen runden Buckel und hängende Schultern. Schleppender Gang mit hängenden Armen. Der war aber überhaupt nicht schlaff, im Gegenteil, nur trug er seelisch eine riesige Last mit sich herum, wie ich dann später erfahren habe. Wahnsinnig viel Verantwortung und viel Leid. Er arbeitet im sozialen Bereich, mit Missbrauchsopfern, und sieht und hört tagtäglich so viele Dinge, die kaum zu ertragen sind. Aber er trägt seine Bürde mit Würde. Übernimmt die volle Verantwortung und zahlt seinen Preis. Und so war er auch nicht etwa kränklich, sondern stark wie ein Bär. Mein Freund Hängematte hier allerdings hat auch einen...