Apartheid und ethnische Säuberung in Palästina - Der zionistische Siedlerkolonialismus in Wort und Tat

von: Petra Wild

Promedia Verlag, 2014

ISBN: 9783853718193 , 240 Seiten

2. Auflage

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 13,99 EUR

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Apartheid und ethnische Säuberung in Palästina - Der zionistische Siedlerkolonialismus in Wort und Tat


 

Der Ursprung des Konflikts: Zionistischer Siedlerkolonialismus und die ethnische Säuberung 1947/1948


»Der israelisch-palästinensische Konflikt ist seinem Wesen nach ein Konflikt zwischen einer in die Region eindringenden, in erster Linie aus dem Westen stammenden Siedlerbewegung, die aufgrund alttestamentlicher Verheißungen und von der Imperialmacht Großbritannien gemachter Versprechungen nach Palästina kam und um keinen Preis anerkennen wollte, dass das Land schon bewohnt war, und einer palästinensisch-arabischen Ursprungsbevölkerung von Muslimen und Christen, die sich ohne großen Erfolg dem Verlust ihres Territoriums und der Zerstörung ihrer Gesellschaft immer entgegengestellt hat.« (Edward W. Said)3

In der arabischen Welt wird der Zionismus seit jeher als koloniales Projekt angesehen. Die Arbeiten arabischer Wissenschaftler zu dem Thema, wie etwa die des bekannten ägyptischen Professors Abdel-Wahab al-Massiri, wurden in der westlichen Welt nicht zur Kenntnis genommen, da ihnen mangelnde Objektivität und propagandistische Absichten unterstellt wurden.4 Vereinzelte Ansätze europäischer und israelischer Wissenschaftler in den 1970er und 1980er Jahren, Israel als Siedlerkolonialismus zu behandeln, blieben weitgehend folgenlos.5 Erst in den vergangenen Jahren hat sich die Analyse des Zionismus als Siedlerkolonialismus in stärkerem Maße durchsetzen können. Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Büchern und Texten zum Thema und auch kritische israelische Wissenschaftler wie Ilan Pappe und Oren Yiftachel bedienen sich dieses Begriffs. Eine Konferenz über den Siedlerkolonialismus in Palästina, wie im März 2011 von der School of Oriental und African Studies (SOAS) in London veranstaltet, oder Debatten unter Genozidforschern über die Frage, ob die israelische Politik genozidal sei, wie 2010 im »Journal of Genocide Research« veröffentlicht, wären vor zehn Jahren noch undenkbar gewesen.6

Der Siedlerkolonialismus ist eine spezifische Form des Kolonialismus. Er basiert auf dem Raub des Landes und der Ressourcen durch Siedler, die aus anderen Ländern kommen, während die einheimische Bevölkerung verdrängt und ihre Gesellschaft und Kultur zerstört werden. Zur Legitimation dieser Politik bedienten sich alle siedlerkolonialistischen Projekte in der Vergangenheit wie auch Israel in der Gegenwart eines ausgeprägten Rassismus. Der Kolonialismusforscher Jürgen Zimmerer definiert Siedlerkolonialimus als »Versuch der Kontrolle und bevölkerungspolitischen Neuordnung größerer Territorien nach den Vorgaben einer von außen in die Region gekommenen Bevölkerung. Er basierte zwingend auf einer ethnisch verstandenen Hierarchisierung der Bevölkerung. Motiviert und auch gerechtfertigt wurden sowohl die Invasion als auch die Besetzung fremder Kontinente durch die Einteilung der Menschen in höhere, zum Herrschen bestimmte und niedere, ihnen unterworfenen Rassen. Ob unverhohlener Raub, oder Rechtfertigung als Zivilisationsmission, kaum irgendwo findet sich eine Akzeptanz des indigenen Gegenübers als Gleichem.«7

Je nachdem, ob die einheimische Bevölkerung als billige Arbeitskräfte eingebunden wird oder nicht, entwickelt der Siedlerstaat unterschiedliche Techniken im Umgang mit ihr. Der reine Siedlerkolonialismus hat nicht die Ausbeutung der einheimischen Bevölkerung zum Ziel, sondern die Aneignung des Landes möglichst ohne sie. Europäische Siedlerkolonialisten orientieren sich an der von ihnen glorifizierten westlichen Zivilisation, der sie entstammen und streben nach der Errichtung einer Kopie Europas außerhalb Europas unter Ausschluss der einheimischen Bevölkerung. Diese wird entweder Opfer breitflächiger ethnischer Säuberungen, Segregation und Einsperrung oder eines Genozids. Beispiele für den reinen Siedlerkolonialismus sind die USA, Neuseeland, Australien und Israel. Beispiele für den Ausbeutungssiedlerkolonialismus waren die französische Kolonie Algerien und Südafrika bis zur Beseitigung der Apartheid 1994.

Der Zionismus entstand Ende des 19. Jahrhunderts im europäischen jüdischen Kleinbürgertum. Er war einerseits eine Reaktion auf den zunehmenden Antisemitismus und Assimilationsdruck in Europa und andererseits eine Verkörperung der damals vorherrschenden nationalistischen und kolonialistischen Ideologien. Er definierte Judentum nicht mehr nur als Religionsgemeinschaft, sondern als Volk bzw. Nation. Da die Zionisten die Prämisse der Antisemiten übernahmen, dass Juden und Nicht-Juden nicht zusammenleben könnten, sahen sie die Lösung für die Diskriminierung und Verfolgung von Juden in der Gründung eines eigenen Nationalstaates außerhalb Europas. Der österreichische Journalist Theodor Herzl, der eigentliche Gründer des Zionismus, legte das Projekt in seinem 1896 erschienenen Werk »Der Judenstaat« programmatisch dar. Ein Jahr später fand in Basel der erste Kongress der Zionistischen Weltorganisation (WZO) statt, die dieses Projekt in die Praxis umzusetzen suchte. Die zionistische Bewegung bezeichnete sich in ihren ersten Jahrzehnten selbstbewusst als koloniale Bewegung und Herzl bezeichnete sein Projekt in einem Brief an Cecil Rhodes, dem Gründer der afrikanischen Siedlerkolonie Rhodesien, als »koloniales Projekt«.8

Die Entscheidung der WZO für Palästina als Ort des zukünftigen »Judenstaates«, nachdem auch Argentinien und Uganda in der Diskussion gewesen waren, ging einher mit einer fundamentalistischen Bibelauslegung, die trotz des zunächst vorwiegend säkularen Charakter des Zionismus eine zentrale Rolle spielte bei der Legitimation des zionistischen Anspruches auf das Land Palästina, das damals zum Osmanischen Reich gehörte. Dort lebten zu diesem Zeitpunkt etwa eine Million Palästinenser, die dem Land seinen spezifischen Charakter gaben, darunter 4 % Juden.9 Der Bezug auf biblische Versprechen war indessen keine zionistische Erfindung, sondern ist charakteristisch für alle siedlerkolonialistischen Projekte. Auch die europäischen Siedler in Nordamerika und Südafrika hatten sich ihrer bedient. Die Tatsache, dass Juden seit der Herausbildung ihrer Religion neben einer Vielzahl von anderen religiösen und ethnischen Gemeinschaften immer auch in Palästina gelebt hatten, schien jedoch der Rechtmäßigkeit des zionistischen Kolonisierungsprojekts eine besondere Glaubwürdigkeit zu verleihen: »Der Zionismus als eine kolonialistische Bewegung bot der Welt die originellste und einzigartigste Verteidigung für eine solche Unternehmung an. Die Rechtfertigung basierte in diesem Fall nicht auf einer Zivilisierungsmission oder kommerziellen Interessen. Anders als Siedler in anderen Teilen der Welt, behaupteten die zionistischen Siedler, dass sie nicht in ein neues Land kämen (...), sondern nach einem verlängerten Auslandsaufenthalt einfach nach Hause zurückkehrten; die scheinbar Einheimischen wären die eigentlichen Fremden.«10

Eine Vertreibung der Juden aus Palästina, auf die sich die Rhetorik von der »Rückkehr« stützt, hat, wie mittlerweile belegt ist, niemals stattgefunden. Vielmehr sind die heutigen Palästinenser die Nachkommen aller Religionsgemeinschaften – darunter auch der Juden –, Ethnien und Zivilisationen, die sich in der etwa sechstausendjährigen Geschichte des Landes dort getroffen, vermischt und eine spezifisch palästinensische Kultur hervorgebracht haben.11

Die zionistische Bewegung suchte zur Durchsetzung ihres kolonialen Projekts die Protektion einer Großmacht und versprach, dass der künftige jüdische Staat ein Teil Europas sein, die europäische Zivilisierungsmission fortsetzen und europäische Interessen verteidigen werde.

Theodor Herzl drückte das folgendermaßen aus: »Für Europa würden wir dort ein Stück des Walles gegen Asien bilden, wir würden den Vorpostendienst der Kultur gegen die Barbarei besorgen.«12

Während des Ersten Weltkriegs ging die Weltmacht Großbritannien aus eigenen geostrategischen Interessen ein Bündnis mit der Zionistischen Weltorganisation ein. Sie sicherte dieser im November 1917 in der Balfour-Deklaration ihre Unterstützung für die Errichtung »einer jüdischen Heimstatt« in Palästina zu. Nach der Besetzung des Landes durch britische Truppen 1918 intensivierte sich die Einwanderung europäischer zionistischer Siedler und die zionistische Bewegung begann in Kooperation mit der britischen Kolonialmacht quasi-staatliche Strukturen aufzubauen. Dazu gehörte ab 1920 auch die Aufstellung paramilitärischer Einheiten. Oberste Priorität hatte jedoch der Erwerb arabischen Landes als Basis der kolonialen Siedlung. Dafür zuständig war der auf dem 5. Zionistischen Weltkongress 1901 gegründete Jüdische Nationalfonds (JNF), der jedes erworbene Land zum unveräußerlichen jüdischen Eigentum erklärte, das nicht an Nicht-Juden verkauft oder von diesen bearbeitet werden durfte.13 Nach dem Kauf von Land wurden die Pächter, die das Land zum Teil schon seit Generationen bearbeitet hatten, vertrieben, sodass Tausende von Menschen landlos wurden. Es waren vorwiegend außerhalb des Landes lebende Großgrundbesitzer, die Land verkauften. Die zionistische Bewegung nahm in der ersten Phase die Hilfe französischer Experten für die Kolonisierung Nordafrikas in Anspruch. Diese waren besonders geeignet, da Frankreich Algerien bereits 1830 besetzt und dort eine große europäische Siedlerkolonie aufgebaut hatte.14

Die einheimische palästinensische Bevölkerung wurde sowohl in den britischen wie in den zionistischen Planungen ignoriert. Als Nicht-Europäer, Nicht-Weiße galten die Palästinenser beiden gleichermaßen als unzivilisiert und minderwertig. Weder ihre nationalen und politischen Rechte noch ihre Identität, Kultur und Geschichte wurden anerkannt. Lord...