Praxishandbuch Rhythmische Einreibungen nach Wegman/Hauschka

von: Layer

Hogrefe AG, 2014

ISBN: 9783456946528 , 248 Seiten

2. Auflage

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen für: Windows PC,Mac OSX,Linux

Preis: 35,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Praxishandbuch Rhythmische Einreibungen nach Wegman/Hauschka


 

1. Einführung (S. 19-21)

Die Anthroposophie versteht den Menschen als eine Einheit aus Leib, Seele und Geist mit einer durch die Evolution gegebenen wechselseitigen Beziehung zu der ihn umgebenden Natur und zum Kosmos. Diese Einheit ist in sich differenziert und hat einen inneren Zusammenhang.

Der sogenannte Leib (= lebendiger Körper) dient dabei dem Seelisch-Geistigen des Menschen als Instrument und Ausdrucksorgan. Der physische, materielle Körper wird durch eine eigene Kräfteorganisation, den «Äther-» oder «Lebensleib» lebendig erhalten. Dieser sorgt für Regeneration und Wachstum des Körpers. In Kapitel 2 «Die vier Wesensglieder» wird der Zusammenhang zwischen physischem Körper und Ätherleib ausführlich beschrieben, da er für das Verständnis und die Praxis der Rhythmischen Einreibungen eine wichtige Bedeutung hat.

In der Seele lebt die innere Welt eines Menschen. Sie umfasst alle Gefühle, Triebe, Instinkte und Leidenschaften, Gedanken und Willensimpulse. Die Seele vermittelt zwischen dem Menschen und der ihn umgebenden Welt, da durch ihre Fähigkeiten von Denken, Fühlen und Wollen der erkennende, erlebnismäßige und handlungsorientierte Bezug zwischen Innenwelt und Außenwelt hergestellt wird. Ähnlich wie die Seele Impulse aus dem Körper aufnimmt und darauf reagiert (bekannt aus der Psychosomatik), so nimmt sie auch Impulse aus dem Geistigen des Menschen auf und reagiert darauf. Sie steht somit in einer mittleren Position zwischen Geist und Körper und vermittelt zwischen diesen beiden Ebenen. Der geistige Anteil des Menschen stellt alle körperlichen Vorgänge und seelischen Entwicklungen während des Lebens in seinen Dienst. Ihm sind alle Funktionen untergeordnet, auf ihm gründet die menschliche Würde. Unter «Geist» versteht man im Zusammenhang mit dem Menschen das «Ich», das «Individuum», den unverwechselbaren Kern, der jeden Menschen zu einer eigenen Persönlichkeit macht. Dieses Individuum ist ewig, lebt während des Lebens auf der Erde im Körper, verlässt ihn im Tod und kehrt nach einer Zeit in der geistigen Welt wieder zurück auf die Erde. Während des Erdenlebens strebt das Individuum danach, seine Intentionen, die es aus der geistigen Welt mitgebracht hat, zur Entfaltung zu bringen. J. W. Goethe hat in den «Urworten, orphisch» diesen Gedanken aufgenommen und ihn in folgende dichterische Worte gekleidet: Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehn Die Sonne stand zum Gruße der Planeten Bist alsobald und fort und fort gediehn Nach dem Gesetz, wonach du angetreten.

So musst du sein, dir kannst du nicht entfliehn so sprachen schon Sibyllen und Propheten und keine Zeit und keine Macht zerstückelt geprägte Form, die lebend sich entwickelt. Das Ich, das sich auf der Erde verkörpert und sich des Leibes und der Seele bedient, offenbart sich nach den ihm eigenen Gesetzmäßigkeiten, die in der menschlichen Biografie sichtbar werden. Die darin erfolgenden Entwicklungsschritte hängen im Verständnis der anthroposophischen Menschenkunde jedoch nicht nur mit den Erbanlagen und den sozialen Prägungen zusammen. Vielmehr wirken Körper, Seele und Geist wechselseitig aufeinander und ermöglichen genau abgestimmte körperliche und seelische Entwicklungsschritte in den verschiedenen Lebensaltern (siehe Kapitel 2, «Die vier Wesensglieder »).

Entwicklungsschritte können neben der «normalen» biografischen Entwicklung unter anderem auch durch Schicksalsschläge, Krankheiten, Unfälle, soziale Konflikte oder tiefe menschliche Begegnungen ausgelöst werden. In diesem Sinne sind solche Krisen eine Hilfe, um festgefahrene Ansichten, Gewohnheiten und Werte in Frage zu stellen und dadurch Möglichkeiten zu Neubeginn und Veränderung zu eröffnen. Entwicklungsschritte, ob im «normalen » biografischen Verlauf oder krisenbedingt, sind notwendig, damit sich der Mensch (bei Goethe: «das Gesetz, wonach du angetreten») im Verlaufe seines Lebens immer mehr im Sinne der Intentionen seines Ich verwirklicht («So musst du sein, dir kannst du nicht entfliehn»). Dazu sucht und schafft sich das Ich die notwendigen körperlichen, seelischen und sozialen Bedingungen.

Zu diesen Bedingungen gehören
- die Eltern, welche durch Vererbung die körperlichen Voraussetzungen schenken
- das soziale Umfeld (Familie, Lehrer, Freunde etc.) mit der Möglichkeit zu wichtigen zwischenmenschlichen Begegnungen
- der Kulturraum (Land, Sprache und Religion), in den man hineingeboren wird und
- die Zeitepoche, in der man lebt.

Innerhalb dieses geschaffenen Rahmens steht es dann jedem Individuum frei, seine eigenen Entscheidungen zu treffen. Diese können dabei durchaus von den im Vorgeburtlichen gebahnten Wegen abweichen. Daher ist der Mensch nicht unfrei und gezwungen, sich den vorgeburtlichen «Vorgaben» zu unterwerfen und sein Leben entsprechend zu gestalten. Vielmehr ist der Mensch zur Freiheit veranlagt, und es liegt in seiner eigenen Entscheidung, in welchem Grad er diese ergreift. Nach dem Tode lebt das Ich weiter in der geistigen Welt und durchläuft dort eine längere Entwicklungsperiode. Darin wird das vergangene Leben auf der Erde angeschaut, ausgewertet und auf dieser Grundlage mit Hilfe geistiger Wesen ein neues Leben «konzipiert». Danach beginnt die Individualität, sich auf einen weiteren Lebenszyklus auf der Erde zu vorzubereiten und sich wieder zu verkörpern (zu inkarnieren). Steiner gibt sehr exakte Schilderungen dieser nachtodlichen bzw. vorgeburtlichen Entwicklung. Er beschreibt, wie sich Schicksal bildet und welche Rolle das Leben des Menschen auf der Erde in diesem Prozess einnimmt. Er zeigt auf, wie die Konsequenzen aller Taten auf einen Menschen in einem nächsten Leben zurückfallen. Daher ist es für die menschliche Entwicklung entscheidend, was während eines Lebens geschieht, wie sich der Mensch zu seinen Aufgaben stellt und wie er mit sich und seinen Mitmenschen umgeht. Der Gedanke der Reinkarnation (Wiederverkörperung) ist in der Anthroposophie zentral für das Verständnis des Menschen und seines Lebens.

1.1 Die Haltung der Pflegenden

Das hier nur skizzenhaft angedeutete Menschenbild ist eine Grundlage, auf der neue Antworten zu wesentlichen Lebensfragen wie Umgang mit Krankheit, Schicksalsschlägen und Behinderungen oder zu Themen wie Abtreibung, Gentechnologie und aktive Sterbehilfe gefunden werden können. Der Gedanke der Reinkarnation kann für Pflegende/Ärzte/Therapeuten und direkt Betroffene eine neue Dimension eröffnen, aus der heraus vielleicht neue Wege gefunden werden können im Umgang mit Krankheit, Behinderung und Tod. Pflegende sind Begleiterinnen und Begleiter auf der körperlichen und auf der seelisch-geistigen Ebene. Auf der Basis des anthroposophischen Menschenbildes wird das Ziel in der Betreuung der Pflegebedürftigen sein, in Zusammenarbeit mit dem gesamten therapeutischen Team alles in den Kräften Stehende zu unternehmen, um dem Menschen Unterstützung zu geben und Lebensqualität zu erhalten, damit er seinen Weg in Würde gehen kann. Die Pflegende, die einen kranken, behinderten, alten oder sterbenden Menschen betreut, begleitet diesen ein Stück auf dessen Weg. Jede Handlung, die sie verrichtet, jede Geste, jedes Gespräch, also alles, was die Pflege umfasst, stellt sie in den Dienst dieses Menschen. Mit dieser Grundhaltung wird die Pflegende zu einem Gefäß, durch das der Betreute einen gesundenden, einen lebendigen Impuls aus der geistigen Welt erfährt.

Ein bewusster Umgang mit dem Lebendigen, der Respekt vor der Individualität und der Freiheit des Anderen und das Wissen um die Zusammenhänge von Mensch und Natur sind also zentrale Aspekte dieses Pflegeverständnisses. Es erweitert die bekannten Ansätze von Ganzheitlichkeit um eine spirituelle Dimension. Diese Ganzheitlichkeit umfasst auch ganz praktische Aspekte, weil sie sichtbare Konsequenzen im pflegerischen Alltag hat. Diese beginnen bei der Körperpflege, gehen über die äußeren Anwendungen und das Gespräch bis hin zum zwischenmenschlichen Umgang mit den Patienten und der Art der Zusammenarbeit innerhalb einer Organisation. Mit dieser «praktischen Ganzheitlichkeit» sind Pflegenden konkrete Instrumente und Methoden in die Hand gegeben, die sie in ihre tägliche Arbeit einfließen lassen können.