Das Einzige, was stört, ist der Kunde - Clienting ersetzt Marketing

von: Edgar K. Geffroy

Redline Verlag, 2005

ISBN: 9783864145209 , 296 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 21,99 EUR

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Das Einzige, was stört, ist der Kunde - Clienting ersetzt Marketing


 

1. Kunde



1.1 Der Kunde von heute



Tatsächlich war Kundenorientierung Anfang der 90er Jahre noch ein Fremdwort in Deutschland. Nur spärlich entwickelte sich über die Jahrzehnte hinweg eine gesteigerte Sensibilität gegenüber den Bedürfnissen und Wünschen des Kunden. Heute hat der Kunde Priorität – immerhin sehen es 72 % der weltweit tätigen Unternehmen als die wichtigste Aufgabe an. Kundenorientierte Dienstleistung wird immer häufiger als zentrales Unternehmensziel genannt. Unabhängige Studien zum Thema Kundenorientierung konnten nachweisen, dass kundenorientierte Unternehmen höhere Preise und weitaus größere Marktanteile erzielen können als ihre Mitbewerber. Ich bin mir sicher, in diesem Jahrzehnt wird Kundenorientierung der entscheidende Faktor für das Überleben der Unternehmen sein. Neben den rasanten und zugleich beängstigenden ökonomischen Entwicklungen beeinflusst jedoch ein deutlich geändertes Kundenverhalten die unternehmerischen Aktivitäten. Im Vergleich zum relativ durchschaubaren und stabilen Verhalten der Kunden von gestern prägen Unberechenbarkeit, Spontaneität und Individualität das Bild des „multioptionalen“ Kunden von heute. Viele Unternehmen reagieren darauf mit der Brecheisentaktik. Daher tobt in Deutschland zurzeit ein Preiskrieg der Superlative. „Geiz ist Geil“, „Ich bin doch nicht blöd“ etc. sind die Lockrufe der heutigen Unternehmen. Billig, billig lautet die Verkaufsstrategie, die jedoch nur so lange funktioniert, bis ein Mitbewerber noch billiger und noch provokanter auftrumpft. Ein Teufelskreislauf. Mittlerweile haben die Verbraucher die Lust an dem Konsum verloren. Ein Grund dafür ist das Überangebot an Produkten. Eine Studie belegt, dass der Konsumfrust dadurch entsteht, dass die Auswahl zu groß ist. Der Kunde kann heute zwischen 30 verschiedenen Waschmitteln, 100 verschiedenen Tapetensorten und zig Digitalkameras wählen und damit ist der Großteil einfach überfordert. Selbst das Verkaufspersonal kann die Unterschiede zwischen den einzelnen Produkten nicht mehr erklären. Doch genau hier liegt der Erfolg oder Misserfolg eines Verkaufsabschlusses. Sind Sie beispielsweise auf der Suche nach einer Digitalkamera und der Verkäufer liest die technischen Daten einfach vom Preisschild ab und schließt seine Ausführungen mit den Worten „Ich glaube, mit der Kamera können Sie nichts falsch machen“, dann kann von einer fachgerechten Beratung keine Rede sein. Ich sehe hier eine große Chance bei Unternehmen, die statt „geilen Preisen“ Kundenfreundlichkeit und Kundenservice auf ihre Fahnen schreiben. Sie haben die Möglichkeit, wesentlich individueller und zielgerichteter auf den einzelnen Kunden einzugehen. Doch leider sind die Deutschen auch hier noch ein absolutes Entwicklungsland. Wenn die Verkäuferin in einem Modegeschäft minutenlang mit ihrer Freundin telefoniert um Kochrezepte durchzugehen und mich dabei warten lässt oder ich am Telefon mit dem Anrufbeantworter kommunizieren muss, weil alle Ansprechpartner gerade in der Mittagspause sind, dann bleibt die Kundenfreundlichkeit auf der Strecke. Wenn man mir als Kunden keine Beratung, Hilfe oder Unterstützung anbietet, kaufe ich doch lieber direkt in einem Billigshop.

Die Kunden wollen nicht nur einfach Produkte, sie suchen nach Lösungen für ihre Wünsche, sie wollen mehr Service, mehr Sinn. Heute nutzen Kunden ihre Macht und strafen die Unternehmen mit Kaufverweigerung. Customer Economy nennen dies die Amerikaner und prophezeien damit die totale Macht des Kunden. Durch die explosionsartige Verbreitung des Internets in den deutschen Haushalten verstärkt sich die Entscheidungsgewalt. Das Internet hat seine eigenen Gesetze: Der Kunde stellt seine Ansprüche und Handel und Dienstleister müssen sich darauf einstellen, wenn sie erfolgreich sein wollen. Durch das Internet hat der Kunde sekundenschnell die Möglichkeit, sich für oder gegen ein Unternehmen zu entscheiden. Gefällt ihm das Angebot, wird die Seite weiterempfohlen, bei Missfallen wird sie auf EWIGKEIT BOYKOTIERT. Unternehmen sind gut beraten, wenn sie den Kunden bei der Produktentwicklung mit einbinden. Was will der Kunde, welche Wünsche und Bedürfnisse hat er? Ziehen Unternehmen den Kunden nicht in ihre Entwicklungen mit ein, dann werden sie in den nächsten Jahren verschwinden. „Der Kunde hat die Idee zu einem Produkt, der Hersteller liefert.“ Das Geheimnis ist die richtige Information auf Abruf. Der moderne Kunde hat nicht nur bereits eine Idee vom Nutzen, wenn er beginnt, seine Kaufwünsche zu realisieren. Er weiß genau, wie seine zukünftige Anschaffung aussehen muss, was sie leisten muss und was sie kosten darf. Jetzt ist es an der Zeit, an der richtigen Stelle zu sein und die gewünschten Informationen schnell und einfach dem Kunden zur Verfügung zu stellen. Killer-Faktoren für jeden Kaufwunsch sind schwer zugängliche und unzureichende Informationen über Leistungen, Konditionen und Preise des Produktes, schlechte Vergleichsmöglichkeiten und ein umständlicher Kaufabschluss. Dies gilt genauso für jeden Einzelhändler, für jeden E-Commerce-Betreiber wie für jeden anderen Anbieter.

Es ist heute entscheidend, sich beim Kunden in Erinnerung zu rufen, ohne ihn zu nerven und zu belästigen. Ein durchschnittlicher Bürger in Europa wird laut einer Schweizer Studie täglich (!) mit mehr als 8000 Werbebotschaften beschossen. Wenn Sie einen Radiowecker haben, werden Sie schon drei Werbungen gehört haben, bevor Sie richtig wach sind. Jeder von uns hat deshalb einen Abwehrmechanismus entwickelt, der auch sinnvoll ist, da wir sonst bis zum Mittag pleite wären. Wen verwundert es, dass 98,4 % der klassischen Werbung völlig ignoriert wird. Der potenzielle Kunde nimmt sie nicht einmal wahr. Die Kunden wollen sich aus diesen Gründen auch nicht binden lassen. Viele Clubs und Kundensysteme werden abgelehnt, weil man sich nicht noch mehr kostbare Zeit wegnehmen lassen will. Beobachten Sie sich selbst. Wie oft sagen Sie Nein, ohne überhaupt zu wissen, worum es geht. Geben Sie Ihren Kunden also nicht die Chance, Nein zu sagen. Im seltensten Fall wird der Kunde Ihnen direkt sagen, was er sich wünscht. Seine Anfragen an Sie werden sich immer im Rahmen dessen bewegen, was der Kunde bereits von Ihnen kennt. Gehen Sie also neue Wege. In den letzten Jahren kommt man dem Kunden einige Schritte entgegen, frei nach dem Motto: „Es muss einfach sein, mit uns Geschäfte zu machen.“ So schießen Customer Care Center (CCC) und deren große Brüder, die Customer Interaction Center (CIC) aus dem Boden und lassen die klassischen Call-Center alt aussehen. Und zu Recht, denn die Aufgabe eines Care Centers geht weiter. Es gilt, jeden Kundenkontakt mit bestmöglichem Service- und Qualitätsbewusstsein innerhalb kürzester Zeit zur vollsten Zufriedenheit des Kunden wirtschaftlich abzuwickeln. Trotzdem ist die Idee nicht neu, intensive und kompetente Kundenpflege ist keine Innovation.

Sinn und Schnelligkeit ist die Herausforderung. Der Kunde von heute möchte nach wie vor umsorgt werden. Er will nach wie vor seinen Nutzen aus den Produkten ziehen, und er ist nach wie vor interessiert an Neuem. Wenn Sie es also schaffen, den Sinn Ihres Produktes schnell dem Kunden zu verdeutlichen, und zwar genau dann, wenn er mit dem Kaufgedanken spielt, dann werden Sie einen Abschluss erzielen. Präsent sein, ohne aufdringlich zu sein. Für den Kunden da sein, ohne ihn zu bemuttern. Das sind die schwierigen Gratwanderungen, die eine Kaufentscheidung heute maßgeblich beeinflussen.

Durch die veränderten Ansprüche der Kunden müssen sich Unternehmen wandeln. Doch derzeit erleben wir genau das Gegenteil. Statt Fortbewegung herrscht absoluter Stillstand. Die größte Blockade, die den Veränderungsprozessen im Weg steht, ist die Angst. 84 % der Menschen haben Angst vor Veränderungen. Obwohl viele Chefs erkennen, dass sich ihre Firma rückwärts entwickelt, handeln sie nicht.

Unternehmen von heute müssen sich jedoch mehr und mehr von statischen Geschäftsmodellen lösen und sich zu offenen, dynamischen Netzwerken entwickeln, zu virtuellen Firmen. Es baut sich eine Symbiose zwischen Partnerunternehmen, Mitarbeitern und dem Kunden auf. Dabei werden alle Geschäftsprozesse und Unternehmensstrategien neu überdacht und nach den Wünschen und Bedürfnissen des Kunden ausgerichtet. Die erfolgreiche Umsetzung der modernen Kundenstrategie ist abhängig von der Wandlungsfähigkeit und dem Wachstumspotenzial der Mitarbeiter in einem Unternehmen. Die Bereitschaft Partner-Netzwerke aufzubauen ist die Grundlage einer erfolgreichen Unternehmensstrategie. Die virtuelle Integration von Partnerunternehmen in das eigene Netzwerk bedarf eines ausgefeilten Konzeptes, um maximale Wandlungsfähigkeit sicherzustellen. Ich nenne dieses System Changement. Es ist eine Aufforderung an die Führungsetagen, sich zu wandeln. Die Wandlungsbereitschaft der Manager wird zur größten Herausforderung der heutigen Zeit, und daher ist Changement kein Prozess, sondern eine Fähigkeit. Überall wird von notwendigen...