Trendwärts: Erlebnismärkte 2030 - Wie wir morgen kaufen & genießen werden - 4 Zukunftsszenarien

von: Eike Wenzel

Redline Verlag, 2010

ISBN: 9783864146114 , 100 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 84,99 EUR

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Trendwärts: Erlebnismärkte 2030 - Wie wir morgen kaufen & genießen werden - 4 Zukunftsszenarien


 

Einleitung: The Great Shift


»Poor quality is remembered long after low prices are forgotten.«
(Schild an einer Autowerkstatt in Idaho, USA)


Abbildung 1: The Great Shift

Krisen schüren nicht nur Ängste, sie sind auch Katalysatoren von Veränderungen, die lange schon in den Systemen von Wirtschaft und Gesellschaft gären. Das hat sich in Westeuropa und den USA im Anschluss an die Große Depression der Jahre 1929/1930 gezeigt, als auf den Zusammenbruch der Märkte eine Phase der beschleunigten Innovation und des Forschungsbooms einsetzte. In den USA vervierfachte sich zwischen 1929 und 1940 die Zahl der Menschen, die in Forschung und Entwicklung angestellt waren, von 7.000 auf 28.000. Während der Großen Depression wuchs die Produktivität in den USA dreimal stärker als in den hedonistischen 1990er Jahren. In den nächsten Jahren könnte ein solcher Quantensprung wieder stattfinden.

Und: Was die Menschen, die eine solche Krisensituation verarbeiten, immer zu tun pflegen – sie stellen ihren Lebensstil und ihre Konsumgewohnheiten auf den Prüfstand. Fundamentalkrisen sind deshalb immer auch Brüche, die zu einer kollektiven Neuorientierung auf den Konsummärkten führen. Wir haben uns rund ein Jahr mit den Ursachen, Begleiterscheinungen und Konsequenzen der Weltwirtschaftskrise beschäftigt und haben eine zentrale Beobachtung gemacht:

Das alte Wohlstandsmodell, das unsere Gesellschaften im 20. Jahrhundert prägte, hat für eine Vielzahl der Menschen keinen Attraktionswert mehr. Wir sind im 21. Jahrhundert angekommen und möchten von Massenwohlstand und Massenmarketing nichts mehr wissen. Eine Ära ist zu Ende, die des industriellen Zeitalters, in der Wohlstand für alle das leitende Prinzip war.

Die Finanzkrise hat zwischen Herbst 2008 und Frühjahr 2010 einen Veränderungsprozess auf den Märkten, in der Gesellschaft und vor allem in den Köpfen der Menschen angestoßen, der jetzt nicht mehr aufzuhalten ist. Obwohl bei vielen Deutschen die Krise bislang kaum oder nur indirekt spürbar wurde, äußern viele den Wunsch, dass sich jetzt etwas ändern müsse. Tatsächlich hat die Fundamentalkrise dazu beigetragen, dass viele Menschen in den westeuropäischen Ländern (aber weitaus grundsätzlicher noch in den USA) plötzlich neue Bedürfnisse definieren. Jetzt, so liest sich der Veränderungswunsch der Menschen in vielen Umfragen, ist der Zeitpunkt für eine Erneuerung gekommen, jetzt muss ein großer Reset gemacht werden.

Wir beginnen, uns aus der Konsumwelt des 20. Jahrhunderts zu lösen. Die Veränderungen, die dabei entstehen, kommen für den Handel und für unser Alltagsleben durchaus denen von Kontinentalverschiebungen gleich. Was den Konsum angeht, fängt für uns erst jetzt das 21. Jahrhundert richtig an. Wir müssen uns von alten Gewohnheiten verabschieden und hoffen alle auf einen schleichenden, quasi homöopathischen Übergang. Aber das wird mit großer Sicherheit nicht der Fall sein.

Wir möchten Ihnen in dieser Studie zeigen, wie diese Erneuerung der ausgelaugten Konsummärkte aussehen wird, welche neuen Trends und Bedürfnisse ins Spiel kommen, wie Industrie, Handel und Einzelhandel darauf reagieren können.

Eines lässt sich gleich am Anfang feststellen: Die vier Konsumszenarien, die wir hier identifiziert haben, dienen NICHT dazu, den Handel mit ein paar netten Marketing- und Vertriebstrends zu versorgen, die ganz flott nach »Change« klingen, aber am alten System nichts ändern. Ganz im Gegenteil. Unsere vier Konsumszenarien für das Jahr 2030 werden einer Vielzahl von Händlern, Produktentwicklern und Marketingspezialisten das Gefühl geben, dass künftig kein Stein mehr auf dem anderen liegen bleiben wird, so grundsätzlich kündigt sich die Mentalitätsverschiebung bei den Konsumenten an.

Abbildung 2: Die neue Handelsrealität

Was ist den Menschen in Zukunft wirklich wichtig, wenn sie einkaufen? Und wie können Händler und Industrien darauf reagieren? Was die Strukturprobleme der vergangenen Jahre als Dauerthema begleitet hat, das war nicht nur der Discount- und Internet-Boom, nicht nur die Absatzkrise und Kaufzurückhaltung und nicht nur das Sterben der Konsummitte, gipfelnd im langen qualvollen Tod der Karstadts, Herties, Woolworths, SinnLeffers, Wehmeyers und so weiter. Das Dauerthema, das von den Konsumexperten innerhalb und außerhalb der Unternehmen nur nicht richtig erkannt wurde, waren die dramatischen Veränderungen der Bedürfnisse der Menschen. In den vergangenen 20 Jahren haben wir nicht nur den Siegeszug der Discounter erlebt, wir haben auch miterlebt (aber kaum bewusst zur Kenntnis genommen), dass der Konsument, dass wir den Rezepten und Verlockungen des Handels nicht mehr folgen wollten. Und warum wollen wir das nicht mehr? Unser Leben hat sich schlicht und einfach an grundsätzlichen Punkten verändert:

Der Massenkonsum gehört in das industrielle Zeitalter und ist definitiv tot. Wir befinden uns an einer Weggabelung. Jetzt werden die Weichen für die nächsten 20 bis 30 Jahre gestellt. Wer jetzt immer noch an seinen alten Erlösmodellen festhält, wird diesen Zeitraum ganz sicher nicht überleben.


Wie haben wir die Szenarien entwickelt?


Wir haben uns zunächst natürlich an der »Kanallogik« des Handels orientiert: Welche Formate (stationär, Versand, E-Commerce und so weiter) erzielen welche Umsätze? Damit lassen sich jedoch keine glaubwürdigen Aussagen über die Zukunft von Handel, Einzelhandel und Konsum machen. Man muss den sich verändernden Bedürfniskonstellationen der Menschen nachspüren: Was treibt sie an, wenn sie ein Kaufhaus betreten, was wird sich in ihrem Leben bis in das Jahr 2030 hinein verändern? Um auf diese Analyseebene zu kommen, schauen wir auf Trends. Trends sind für uns keine modischen Neuheiten, keine vorübergehenden Produktnovitäten und auch keine flüchtigen Zeitgeisterscheinungen. Trends sind Veränderungsprozesse, die sich – wenn man genau hinschaut – in unserer Realität beobachten lassen. Trends beschreiben also immer zuerst einmal gesellschaftliche Veränderungen, die im Hier und Jetzt in Andeutungen wahrnehmbar sind und in der Zukunft (sprich in den nächsten 10 bis 30 Jahren) auf ausnahmslos allen Ebenen von Wirtschaft und Gesellschaft für Neuorientierung, Irritation und Innovation sorgen werden.

Wir möchten hier nicht Karstadt 2.0 vorstellen. Wir möchten keine kurzschlüssigen Antworten auf die Frage geben, wie wir die Unsicherheit der Verbraucher angesichts einer wankenden Weltwirtschaft beherrschbar machen können. Unzählige Studien von Marktforschungsunternehmen, Unternehmensberatungen und Handelsorganisationen haben wir ausgewertet, die mögliche Sofortmaßnahmen an dem schon seit längerer Zeit kränkelnden Patienten Handel vorschlagen. Wir haben diese Erkenntnisse mit unseren Recherchen auf den Konsummärkten, mit Experteninterviews und einer Menge wissenschaftlicher Hintergrundinformationen (Betriebswirtschaft, Sozialwissenschaft, Psychologie) ergänzt. Trendforschung bedeutet für uns: Nicht an der Oberfläche kratzen oder in Zahlen einen schlechten (oder weniger schlechten) Istzustand festschreiben. Trend- und Zukunftsforschung bedeutet für uns: Türen aufstoßen, eine Vielheit von Perspektiven und Denkansätzen zur Geltung bringen, nicht mutwillig Komplexität beschneiden, sondern neue Denkräume für Sie, liebe Leserinnen und Leser, öffnen.

Was wir Ihnen hier anbieten, ist ein Blick in die Zukunft der Wünsche von Menschen, die gerade einen dramatischen Umbauprozess durchlaufen. Wir haben gut ein Jahr lang alle relevanten Konsummärkte beobachtet und auf benachbarte Branchen geschaut, die – wie der Megamarkt Gesundheit, aber auch die Creative Industries – immer mehr Budget von den klassischen Konsummärkten abziehen. Für mich und mein Team ist es die erste Forschungsstudie, die in intensiver Verknüpfung mit Socialmedia-Tools (insbesondere Twitter) entstanden ist. Im Zuge der Recherchen, das ist mein persönlicher Eindruck, ist die Realzeit-Recherche und -Debatte über das Mikroblog zum wichtigsten Werkzeug der Analyse geworden.

Grundsätzlich gehen wir von dem folgenden Ansatz aus: Um in einer enorm beschleunigten und interdependenten Ökonomie zielführende Aussagen über die nächsten zehn Jahre machen zu können, reicht es nicht mehr aus, das klassische Instrumentarium der...