Governance der Quartiersentwicklung - Theoretische und praktische Zugänge zu neuen Steuerungsformen

von: Matthias Drilling, Olaf Schnur

VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2010

ISBN: 9783531928753 , 272 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 40,46 EUR

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Governance der Quartiersentwicklung - Theoretische und praktische Zugänge zu neuen Steuerungsformen


 

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Stephan Lanz

Im Jahr 1998 publizierte der Berliner Senat die Studie „Sozialorientierte Stadtentwicklung“, die eine „kumulative Verschärfung sozialräumlicher Problemlagen“ in bestimmten Stadtteilen feststellte und eine „Strategie einer urbanen Integration“ einforderte, um diesen „Prozess der Marginalisierung und Exklusion zu stoppen“ (IfS/S.T.E.R.N. 1998: 79). Zur gleichen Zeit schwoll ein politisch-medialer Diskurs an, der Einwanderungsquartiere als Ghettos skandalisierte. Schließlich richtete der Senat im März 1999 in 15 „Gebieten mit besonderem Entwicklungsbedarf“ ein Stadtteilmanagement ein.

Dessen finanzielles Fundament lieferte das Bund-Länder- Programm „Sozialer Staat“, das die rot-grüne Bundesregierung kurz vorher aufgelegt hatte. Als durch selektive Wanderungsprozesse, sozialen Abstieg und kulturelle Kommunikationsbarrieren verursachte Hauptprobleme definierte der Senat eine „Konzentration von Problemgruppen“ sowie „interkulturelle Aus- und Abgrenzung, Intoleranz, Aggression“ (Abgeordnetenhaus 1999: 6ff.).

Das Berliner Programm sollte „eine nachhaltige, soziale, wirtschaftliche, städtebauliche und ökologische Entwicklung durch integriertes Handeln und vernetzte Maßnahmen im Quartier bewirken“ (ebd.: 2). Wolkig verhieß es die „Schaffung von Lebenswelten ohne Ausgrenzung“ oder den „Erhalt sozialer Mischung“ (ebd.).

Der Lokalstaat beauftragte nun privatwirtschaftliche „Quartiersmanager“, um in Kooperation mit den Behörden lokale Akteure zu vernetzen und Projekte zu entwickeln. Diese sollten den „Menschen im Quartier“ dazu verhelfen, „ihre Lebenssituation selbst zu verändern, ihre Möglichkeiten und Kompetenzen zu nutzen, um unabhängiger und selbständiger zu werden“ (Senat 1999: 10). Es ging weniger darum, einen „staatlichen Handlungsrahmen“ zu setzen als „Eigeninitiative und Selbsthilfekräfte auf regionaler/lokaler Ebene durch Vernetzung und Information zu stärken“ (Abgeordnetenhaus 1998: 1).

Im Kern zielt das heute in 33 Stadtgebieten laufende Programm auf sich selbständig regulierende Gemeinwesen. Dafür sucht es von oben herab eine lokale Zivilgesellschaft zu organisieren, die in den benachteiligten Quartieren als nicht mehr vorhanden gilt. Marginalisierten BewohnerInnen soll „Hilfe zur Selbsthilfe“ vermittelt werden: Das zentrale Stichwort heißt Empowerment (vgl. Lanz 2000). Das Gros der Maßnahmen liest sich wie eine aktualisierte Version jener soziokulturellen Projekte der Alternativbewegung, die der Senat bereits in den 80er Jahren gefördert hatte. Neu ist, dass der Staat solche Projekte nun selbst zu initiieren trachtet.

Zudem wurden sie um Instrumente wie einen „Ausbau formaler Kontrollinstanzen zur Stärkung des Sicherheitsgefühls“ oder eine „Repression gegen Vandalismus“ ergänzt, die sich aus den Effekten des Ghetto-Diskurses erklären. Die wissenschaftliche Bewertung bisheriger Verfahren fällt widersprüchlich aus: Die offizielle Evaluation erkannte beachtliche Erfolge, kritisierte aber einen zu geringen Fokus auf soziale Chancen von Bewohnern (Geiss u. a. 2003: 3).