Atemlos - Addicted to You 1 - Roman

von: M. Leighton

Heyne, 2014

ISBN: 9783641132538 , 336 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 9,99 EUR

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Atemlos - Addicted to You 1 - Roman


 

O

3

OLIVIA

Ich kann nicht anders – ich starre den Clubbesitzer mit offenem Mund an. Doch gleichzeitig muss ich gegen den Drang ankämpfen, nach einem Tisch zu suchen, unter dem ich mich verstecken kann. Die Sache ist mir ungemein peinlich.

Die anderen haben sich um Jason geschart und bewundern ihn wortreich, aber es dringt kaum zu mir durch. Ich kann nur an den Kerl denken, der vor mir steht.

Und plötzlich werde ich sauer.

»Warum hast du nichts gesagt? Warum hast du mich auflaufen lassen, anstatt dich vorzustellen?«

Er lächelt. Er lächelt, verdammt noch mal. Einen Moment lang wird mir bewusst, dass er ein umwerfendes Lächeln hat, dann gewinnt allerdings das Gefühl, gedemütigt worden zu sein, wieder die Oberhand und blendet alles andere aus.

»Warum hätte ich das tun sollen? Es hat mir viel Spaß gemacht, von dir ausgezogen zu werden.«

»Warum? Weil es total unprofessionell ist, zum Beispiel?«

»Ernsthaft? Wieso? Du und deine Freundinnen habt doch einen Stripper bestellt. Ihr habt keine spezifischen Wünsche geäußert. Also – wen kümmert es, wen ich schicke?«

»Darum geht es nicht. Du hast uns gerade bewusst in die Irre geführt.«

Er lacht leise. Mistkerl! Seine Nerven möchte ich haben. »Ich kann mich nicht erinnern, dass ihr einen aufrichtigen Stripper angefordert habt. Es ging nur um einen willigen.«

Ich presse die Lippen aufeinander. Der Mann ist wirklich ärgerlich.

Nun verschränkt er nonchalant die Arme vor der Brust, als stünde er momentan nicht mit nacktem Oberkörper vor mir. Die Bewegung richtet meine Aufmerksamkeit auf seine prächtig ausgebildeten Brustmuskeln und die Tätowierung, die sich über eine Seite zieht. Ich kann nicht erkennen, worum es sich handelt, aber die Ausläufer reichen wie lange, dürre Finger über seine linke Schulter.

Er räuspert sich, und mein Blick wandert hinauf zu seinem Gesicht. Er lächelt jetzt sogar noch breiter, und ich runzele die Stirn. Ich kann mich in seiner Gegenwart nicht konzentrieren. Solange er mit freiem Oberkörper vor mir steht, lenkt er mich zu stark ab.

»Findest du nicht, dass du dich wenigstens wieder anständig anziehen solltest?«

»Findest du nicht, dass du mir dafür wenigstens mein T-Shirt zurückgeben müsstest?«

Ich sehe herab auf das schwarze T-Shirt, das ich noch immer krampfhaft umklammere. Wütend schleudere ich es ihm entgegen, und er fängt es mühelos auf.

Verflixt noch mal!

Wenn ich bloß wüsste, warum ich eigentlich so wütend auf ihn bin.

»Du bist ziemlich heiß, würde ich sagen. Vielleicht hätte ich dir besser das T-Shirt ausgezogen.« Gelassen streift er sich sein Oberteil wieder über.

»Ach ja? Und was hätte das für einen Unterschied gemacht?«

Abgesehen davon, dass es für mich noch zehntausendmal peinlicher gewesen wäre?

Er hält inne und grinst mich an, ein dreistes, sexy Grinsen, das keine Wirkung auf mich haben sollte, aber nichtsdestoweniger eine hat. »Wenn ich das getan hätte, wärst du jetzt auf gar keinen Fall sauer.«

Mein Mund ist plötzlich knochentrocken, als vor meinem inneren Auge Bilder der Szene aufflackern, wie sie im umgekehrten Fall gewesen wäre: Er, der mir das T-Shirt behutsam über den Kopf zieht, seine Hände, die mir über die Haut streichen, sein Körper, der sich an mich schmiegt, und seine Lippen so dicht an meinen, dass ich sie förmlich schmecken kann …

Mit einem Mal ist meine Verärgerung wie weggeblasen.

Ich starre ihn – schon wieder! – mit offenem Mund an, während er das T-Shirt in seine Hose steckt. Als er fertig ist, tritt er einen Schritt näher an mich heran. Ich rege mich nicht. Sein Grinsen verwandelt sich in ein verführerisches Lächeln, wovon ich ganz weiche Knie bekomme. Ich bin vollkommen gebannt und peinlicherweise erregt, als er sich zu mir herabbeugt, um mir ins Ohr zu flüstern.

»Mach besser den Mund zu, bevor ich in Versuchung gerate, dich zu küssen, denn dann hättest du einen echten Grund, erhitzt und verwirrt zu sein.«

Scharf atme ich ein. Ich bin schockiert. Aber nicht wegen seiner Worte. Ich bin schockiert, weil ich mir wünsche, er würde genau das tun, was er angedroht hat – weil mein Inneres sich allein bei dem Gedanken daran vor Freude zusammenzieht.

Er nimmt den Oberkörper zurück, um mich besser betrachten zu können. Ich weiß nicht genau wieso, doch ich klappe meinen Mund zu.

Natürlich fällt es ihm auf.

Oh, verdammt!

Ein enttäuschter Ausdruck huscht über sein Gesicht. Und perverserweise gefällt mir das.

»Vielleicht das nächste Mal«, sagt er und zwinkert mir zu. Kurz darauf räuspert er sich, tritt zurück und wendet sich von mir ab. »Ladys.« Er nickt den Mädels zu, die ihn allerdings überhaupt nicht beachten. Ihre Aufmerksamkeit ist komplett auf Jason gerichtet, der mit inzwischen bloßem Oberkörper Shawna antanzt und anzumachen versucht.

Er schenkt mir einen letzten Blick und sagt im typischen Südstaatentonfall: »Ma’am.«

Noch ein Nicken, dann öffnet er die Tür, geht hinaus, und schließt sie leise hinter sich.

Noch nie in meinem Leben hatte ich solche Lust, jemandem nachzulaufen.

Mit Mühe öffne ich meine Augen einen winzigen Spalt und rechne damit, dass sich jeden Moment Messer in meinen Schädel bohren. Aber erstaunlicherweise ist das helle Licht der morgendlichen Septembersonne nicht schmerzhaft. Ich habe einen jener seltenen Kater, die keine sind. Dafür bin ich zutiefst dankbar.

Was jedoch schmerzhaft bleibt, ist die Erinnerung an die unsäglich peinliche Situation am vergangenen Abend. Die Bilder kommen mir sofort wieder in den Sinn, und ich sehe die Szene im Großformat. Den umwerfenden Clubbesitzer Cash inklusive. Ich drehe mich auf den Bauch und vergrabe mein Gesicht im Kissen, als alle Einzelheiten vor meinem inneren Auge vorüberziehen – der muskulöse Körper, das attraktive Gesicht. Ein Lächeln, für das man sterben könnte.

Herrgott, war der Kerl sexy!

Sogar jetzt noch wünsche ich mir, er hätte mich geküsst. Es ist lächerlich, aber ein Kuss hätte dieses Debakel etwas weniger … verheerend gemacht.

Ich schimpfe mit mir selbst, während ich mich wieder auf den Rücken rolle und an die Decke starre. Ich bin schlau genug, um zu erkennen, wenn ich kurz davorstehe, meiner größten Schwäche zum Opfer zu fallen. Und genau aus diesem Grund – weil mein Puls sich rasant beschleunigt, wenn ich nur daran denke, wie seine dunklen Augen mich aufgefordert haben, ihn auszuziehen, weil mir innerlich heiß und kalt wird, wenn ich mir seine Lippen auf meinen vorstelle – muss ich einfach froh sein, dass ich ihn nie wiedersehen werde. Er ist die Verkörperung all dessen, was ich genauso sehr brauche wie ein Loch im Kopf: noch eine Affäre mit einem Bad Boy.

Wie immer, wenn ich an desaströse Beziehungen denke, denke ich auch an Gabe. Cash erinnert mich stark an ihn. Dreist, sexy, charmant. Ungezähmt. Rebellisch.

Ein Herzensbrecher.

Ich beiße die Zähne zusammen, hieve mich mühsam von der Matratze und tappe ins Badezimmer, während ich Gabe aus meinem Kopf verdränge. Ich denke ja gar nicht daran, noch einen weiteren Gedanken an diesen Mistkerl zu verschwenden.

Nachdem ich mir lange genug kaltes Wasser ins Gesicht gespritzt habe, um mich wieder halbwegs als Mensch zu fühlen, taumle ich in Richtung Küche. Ich achte kaum noch auf die schicken Designermöbel oder die wohlplatzierten Kunstwerke, als ich das Wohnzimmer durchquere. Es ist fast zwei Wochen her, seit meine Mitbewohnerin abgesprungen ist und ich gezwungen war, bei meiner reichen Cousine Marissa einzuziehen. Langsam habe ich mich daran gewöhnt, jeden Tag zu sehen, wie die oberen Zehntausend leben.

Na ja, so halbwegs wenigstens, denke ich, als ich stehen bleibe, um auf die 2000-Dollar-Uhr an der Wand zu blicken.

Es ist fast elf. Ich ärgere mich über mich selbst, dass ich fast die Hälfte des Tages verpennt habe, und genau so missmutig betrete ich schließlich die Küche. Meine Cousine befindet sich dort bereits mit einem Kerl, was nicht gerade dazu beiträgt, dass sich meine Laune bessert.

Marissa sitzt mit übereinandergeschlagenen bloßen Beinen auf der Kücheninsel, der Mann ihr gegenüber auf einem Barhocker.

Ich betrachte den breiten Männerrücken im Leinensakko und das dunkelblonde Haar und mache mir bewusst, dass ich in meinen Boxershorts und dem Tanktop, mit dem zerzausten Haar, den verquollenen Augen und den Resten verschmierter Wimperntusche wohl nicht gerade gesellschaftsfähig bin. Ich überlege, ob ich mich nicht postwendend wieder in mein Zimmer zurückziehen sollte, aber ich zögere zu lange, denn Marissa hat mich bereits gesehen und spricht mich an.

»Da ist ja unser Dornröschen!« Sie schickt ein herzliches Lächeln in meine Richtung.

Was mich sofort misstrauisch macht.

Denn erstens ist Marissa niemals nett zu mir. Nie. Meine Cousine ist verwöhnt, arrogant, hämisch und gemein. Wenn ich irgendein anderes Dach über den Kopf hätte wählen können, dann hätte ich es auf jeden Fall getan. Nicht, dass ich nicht dankbar wäre – doch, das bin ich wirklich. Und ich beweise meine Dankbarkeit, indem ich einen Anteil an der Miete übernehme (die gar nicht Marissa zahlt, sondern ihr Vater) und mich selbst daran hindere, sie im Schlaf zu erwürgen. Wenn das mal nicht großherzig von mir ist.

»Guten Morgen...