Hören - Sehen - Blicken - Zählen

von: Burkhart Fischer

Hogrefe AG, 2007

ISBN: 9783456942438 , 257 Seiten

2. Auflage

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 21,99 EUR

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Hören - Sehen - Blicken - Zählen


 

2. Störungen (S. 121)

Dieses Kapitel könnte man auch mit „Diagnostik" überschreiben. Es behandelt Abweichungen der Sinnes- und Blickfunktionen von der im vorigen Teil behandelten Altersnorm. Dabei werden die Daten für verschiedene Gruppen von Kindern und Jugendlichen mit Defiziten im Bereich des Lesens, Schreibens, Rechnens, der Aufmerksamkeit und anderer nicht so genau umschriebener Teilleistungen getrennt behandelt und quantitativ dargestellt. Für jede Gruppe und jede Funktion werden die Auffälligkeitsquoten, wenn nötig auch in Abhängigkeit vom Alter, gesondert bestimmt und grafisch dargestellt.

2.1 Die Probleme
Mit dem Begriff der Teilleistung haben wir uns schon am Anfang des Buches kurz beschäftigt (S. 25). Er ist zwar nicht sehr präzise definiert, stellt aber dennoch eine nützliche Bezeichnung für Leistungen unseres Gehirns dar, die man zusammenfassen kann, ohne damit gleich die gesamte Leistung des Gehirns zu meinen. Beispiel: Das Lesen oder das Rechnen. Jetzt geht es um Störungen von Teilleistungen – um Teilleistungsstörungen. Wir werden nicht sonderlich erstaunt darüber sein, dass eine Teilleistung gestört sein kann, wenn nur bestimmte ihrer Unterfunktionen unzuverlässig arbeiten. Dies heraus zu finden, ist Aufgabe einer entsprechenden, möglichst vollständigen Diagnostik.

Die im vorigen Kapitel behandelten Hirnfunktionsbereiche können eine Fehlentwicklung – eine fehlende Entwicklung – aufweisen. Man erkennt sie meist daran, dass etwas nicht „normal" ist, ohne im Einzelnen schon zu wissen, um was es sich dabei handelt oder was dahinter steckt. Es kann sein, dass einer von vielen Entwicklungsschritten fehlt oder zu langsam durchlaufen wird. Es kann sein, dass eine bestimmte Leistung zu schwach ausgebildet oder gestört ist, indem sie nicht so sondern anders erbracht wird und zu einem falschen Ergebnis führt. Schließlich kann es sich um Abweichungen handeln, die den Charakter einer Krankheit haben oder die zum Bild einer Krankheit gehören.

Besteht ein Verdacht auf solche Störungen oder gibt es sogar konkrete Hinweise, stellt sich die Frage, wohin, genauer zu welchem Arzt man gehen soll. Oft scheint die Antwort nahe zu liegen. Bei Sehstörungen zum Augenarzt, bei Hörfehlern zum Ohrenarzt, bei Verhaltensstörungen zum Kinder- und Jugendpsychiater bzw. zum Psychologen. Gibt es dann eine Diagnose und ist diese richtig, ist schon einmal ein wichtiger Schritt getan, und man kann beginnen, über Abhilfen nachzudenken. Oft gibt es aber keine Diagnose, das heißt, man verlässt die Arztpraxis „o.B.", also „ohne Befund". Was heißt das? „Nichts gefunden", bedeutet ja noch nicht „Nichts da".

So kann man z.B. gesunde Augen haben, aber man sieht dennoch nicht immer alles gut. Es kann nämlich sein, dass die Verarbeitung der Sehinformationen auf dem Weg zu den Sehzentren im Gehirn nicht ordentlich funktioniert oder zu unzuverlässigen Ergebnissen führt. Oder es kann sein, dass die Stellung des einen oder sogar beider Augen nicht gut genug eingehalten wird. Wir sehen eben nicht mit den Augen, sondern wir sehen mit dem Gehirn. Das ändert nichts daran, dass wir zum Sehen die Augen benötigen.

In jedem Fall möchte man herausfinden, was nicht in Ordnung ist, warum es nicht „normal" ist, und wie man die Ursache beseitigen kann. Aber das wird nicht immer möglich sein.