Therapie gastroenterologischer Krankheiten

von: Wolfgang F. Caspary, Joachim Mössner, Jürgen Stein

Springer-Verlag, 2005

ISBN: 9783540266600 , 676 Seiten

Format: PDF, OL

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Preis: 86,99 EUR

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Therapie gastroenterologischer Krankheiten


 

52 Anorexia nervosa und Bulimia nervosa (S. 525-526)

H. Csef
Die Anorexia nervosa und die Bulimia nervosa sind als die Prototypen der psychogenen Essstörungen typische psychosomatische Krankheitsbilder. Nach zahlreichen epidemiologischen Studien nimmt die Häufigkeit beider Essstörungen in den westlichen Zivilisationsländern erheblich zu. Bei der multifaktoriellen Ätiologie und Pathogenese lassen sich relevante biologische, psychische und soziale Faktoren identifizieren.

Die Leitsymptome der psychogenen Essstörungen wie Untergewicht, Erbrechen, Durchfälle oder abdominelle Schmerzzustände und gastrointestinale Komplikationen führen nicht selten zu Konsultationen beim Internisten oder Gastroenterologen. Die Hauptsäulen der Therapie bestehen aus Psychotherapie und medikamentöser Therapie (Psychopharmaka). Unbehandelt führen Magensucht und Bulimie zu einem chronischen bis letalen Verlauf. Die Gesamtmortalität liegt trotz verbesserter Therapiestrategien noch bei 10–15%. Prävention, frühzeitige Diagnosestellung und unverzügliche effektive Therapie dieser potenziell heilbaren Krankheitsbilder sind wichtig.

52.1 Grundlagen

Die Magersucht und die Bulimia nervosa sind klassische psychosomatische Krankheiten,sie haben jedoch für klinisch tätige oder niedergelassene Gastroenterologen, für Stoffwechselexperten und Ernährungsberater gleichermaßen große Bedeutung. Die häufig vorkommenden Symptome wie Untergewicht,Erbrechen, Durchfälle oder abdominelle Schmerzzustände führen nicht selten zur Konsultation beim Gastroenterologen, sodass es durchaus sein kann, dass er die entsprechende Erstdiagnose oder klinische Verdachtsdiagnose stellt. Gastrointestinale Komplikationen wie Ileus, Peritonitis, Pankreatitis, Darmulzera oder Magenruptur erfordern den Gastroenterologen als Spezialisten.

Die Anorexia nervosa kann bei zunehmendem Untergewicht in der somatischen Dekompensation zum internistischen Notfall werden. Der Ausschluss gastroenterologischer Erkrankungen bei den klinischen Leitsymptomen Erbrechen, Untergewicht, Durchfällen und Abdominalschmerzen sowie die Behandlung gastroenterologischer Komplikationen bei Magersucht und Bulimie stellen die Hauptaufgabe des Gastroenterologen dar. Es gibt Komorbiditäten von Essstörungen und gastroenterologischen Erkrankungen, z. B. Komorbidität von Anorexia nervosa und Morbus Crohn [Jenkins 1988,Wellmann 1981] sowie von Bulimia nervosa und Diabetes mellitus Typ I [Herpertz 2000,Yaryura- Tobias 2001]. Die Koinzidenz oder Kombination der genannten Erkrankungen wirft erhebliche behandlungstechnische Probleme auf und erfordert eine gute interdisziplinäre Kooperation von Gastroenterologie und Psychosomatik. Die psychogenen Essstörungen Anorexia nervosa und Bulimia nervosa gehören zu den »Lieblingskrankheiten « der Psychosomatiker.

Über sie wird im Vergleich zu anderen psychosomatischen Krankheitsbildern ausgesprochen zahlreich geforscht und publiziert [Franke 1994].Diese Vorreiterfunktion im Fachgebiet der Psychosomatik hat einige plausible Gründe: ,

-  ,Die Magersucht ist vermutlich das erste Krankheitsbild überhaupt,das unter psychosomatischen Gesichtpunkten beschrieben und erklärt wurde [Bruch 1980, Franke 1994].
- Magersucht und Bulimia nervosa gelten primär als psychogene Erkrankungen. Sie können jedoch massive somatische Folgen haben [Brotmann 1985, Fichter 1991, Goebel 1994]. Die aktuell in Langzeitkatamnesen erhobenen Mortalitätsraten von 5–15% [Herzog 1992,Hewitt 2001] für die Magersucht belegen, dass die biologischen Folgen einer psychischen Störung hier in einer Weise deutlich werden, wie wir es von keinem anderen psychosomatischen Krankheitsbild kennen. ,

- Es besteht international Übereinstimmung darin, dass es in den vergangenen 2 Jahrzehnten zu einem rapiden Anstieg der Inzidenz von psychogenen Essstörungen gekommen ist [Becker 1999, Csef 1997].
- Anorexia und Bulimia stimulieren den therapeutischen Optimismus dadurch,dass Psychotherapie hier in einem kurativen Ansatz erfolgt: Psychotherapie ist das Mittel der Wahl [Peterson 1999,Zwaan 1996].