Die staatliche Einflussnahme auf den Tabakkonsum von Kindern und Jugendlichen in Deutschland

von: Christian Ueltzhöffer

Springer-Verlag, 2005

ISBN: 9783540266907 , 194 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 56,64 EUR

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Die staatliche Einflussnahme auf den Tabakkonsum von Kindern und Jugendlichen in Deutschland


 

2. Teil: Der staatliche Schutz von Kindern und Jugendlichen vor den Gefahren des Rauchens (S. 11)

In diesem zweiten Teil der Untersuchung wird nach der Prüfung der verfassungsrechtlichen Grundlagen und Vorgaben für einen staatlichen Schutz des Minderjährigen vor den Gefahren des Aktivrauchens ein Überblick über die derzeit geltenden Vorschriften in diesem Lebensbereich gegeben. Diese Vorgehensweise ermöglicht eine Entscheidung darüber, ob die ggf. einschlägigen verfassungsrechtlichen Vorgaben vom Gesetzgeber berücksichtigt wurden.

1. Abschnitt: Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Gewährung staatlichen Schutzes

Im Rahmen dieser Untersuchung sollen im Wesentlichen zwei denkbare Anknüpfungspunkte einer staatlichen Schutzpflicht gegenüber Minderjährigen vor Gefährdungen, die mit dem Rauchen im Zusammenhang stehen, diskutiert werden. Eine staatliche Schutzpflicht könnte sich in Gestalt einer grundrechtlichen Schutzpflicht aus dem Grundrecht des Kindes oder Jugendlichen auf körperliche Unversehrtheit gem. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG oder aus dem Begriff des Jugendschutzes als einem auf Grundrechten basierenden Verfassungsrechtsgut ergeben. Die im Fokus dieser Untersuchung stehende Frage der Pflicht zur Gewährung staatlichen Schutzes wirft jedoch eine Vorfrage auf, die nachfolgend zuerst angesprochen wird.

A. Staatliche Eingriffe zum Schutz des minderjährigen Rauchers vor sich selbst
Bevor eine mögliche Pflicht des Staates zum Tätigwerden auf diesem Gebiet erörtert wird, bedarf es systematisch vorrangig der Klärung der Frage, ob der Staat überhaupt berechtigt ist, schützend einzugreifen. Die negativen Folgen für die Gesundheit treten beim Aktivrauchen durch das Inhalieren des Zigarettenrauchs als einer eigenen, willensgesteuerten Handlung des Konsumenten auf. Das vom Staat mit gesetzlichen Regelungen bezweckte Verhindern oder Verringern des Tabakkonsums bei Minderjährigen erfolgt zumindest bei einem schon rauchenden Min- derj ährigen durch eine unmittelbare oder mittelbare Einflußnahme auf sein Konsumverhalten und könnte daher ohne einen beachtlichen Rechtfertigungsgrund eine unzulässige staatliche Bevormundung darstellen.

Die staatliche Einflußnahme erfolgt, abhängig vom Inhalt der gesetzlichen Maßnahme, mit unterschiedlicher Intensität. Ein Tabakwerbeverbot wird als weniger einschränkend empfunden werden als ein Abgabeverbot von Tabakerzeugnissen an Personen unter achtzehn Jahren oder ein Rauchverbot. Ein staatliches Interesse an einer gesunden Bevölkerung als rechtliche Legitimation staatlichen Handelns wäre zu weit gefaßt, da die Betroffenen auf den mitunter unerwünschten Schutz nicht verzichten könnten und die Schutzgewährung zur Belastung für den Einzelnen würde.

Gäbe es keine verfassungsrechtlichen Leitlinien für das Handeln des Staates zum Schutz seiner Bürger, könnte sich ein überbesorgter Staat zum Tyrann entwickeln, der quasi omnipräsent jegliches risikoreiche Verhalten unterbindet. Die dahinter stehende Problematik wird mit dem Schlagwort des „Grundrechtsschutzes gegen sich selbst" , „des Schutzes des Menschen vor sich selbst" oder „der Zulässigkeit aufgedrängten staatlichen Schutzes vor Selbstschädigung" bezeichnet und beschäftigt sich mit der Frage, ob der Grundrechtsschutz auch demjenigen zuteil werden darf, der diesen Schutz nicht in Anspruch nehmen will.

/. Das Rauchen als Ausübung eines Rechts auf Selbstgefährdung
Zu prüfen ist, ob es sich beim Tabakkonsum Minderjähriger um ein Verhalten handelt, das als grundrechtlich abgesicherte Selbstgefährdung Grundrechtsschutz genießt und dadurch die Gewährung staatlichen Schutzes als einen unzulässigen Eingriff in grundrechtliche Positionen erscheinen läßt. Zunächst müßte ein selbstgefährdendes Verhalten des Einzelnen überhaupt grundrechtlich schutzwürdig sein. Ein ausdrücklich normiertes allgemeines Recht auf Selbstgefährdung fehlt in der Verfassung. Es könnte sich jedoch ein solches Recht mittelbar daraus ergeben, daß die für ein Verhalten jeweils einschlägigen Grundrechte dieses Verhalten auch schützen, wenn es eine Selbstgefährdung mit einschließt.

Das Rauchen könnte im Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG geschützt sein.