Hochbegabte Kinder - Erkennen, fördern, problematische Entwicklungen verhindern

von: Barbara Reichle

Beltz, 2004

ISBN: 9783407290502 , 144 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 19,99 EUR

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Hochbegabte Kinder - Erkennen, fördern, problematische Entwicklungen verhindern


 

Wolfgang Lehmann / Inge Jüling

Fördermöglichkeiten für besonders begabte Kinder und Jugendliche ( S. 34)

Bei besonders begabten Kindern fällt oft im Vorschulalter auf, dass sie sich vieles spontan aneignen. Manche Kinder haben allein das Lesen und Schreiben, Zählen und Rechnen gelernt, ohne dass die Eltern sie dabei unterstützten. Andere entwickeln Interesse am Schulstoff, den ältere Geschwister lernen. Im Grundschulalter findet man Kinder, die Aufgaben lösen können, die noch nicht Gegenstand des Unterrichts waren, z.B. lösen gelegentlich 9-Jährige mathematische Aufgaben im Intelligenztest, die man von 14- bis 15-Jährigen erwartet.

Aus solchen Beobachtungen könnte der Eindruck entstehen, dass Hochbegabung sich im Selbstlauf entwickelt. Jedoch ist Begabung und Hochbegabung keine Garantie für schulischen und beruflichen Erfolg. Günstige Lernvoraussetzungen sind nicht gleichzusetzen mit besonderen Leistungen oder gar Expertise. Damit sich Kompetenz in Performanz manifestieren kann, müssen Inhalte angeeignet werden, und es müssen Lerngelegenheiten geschaffen werden, um Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten anwenden zu können.

Wenn auf begabte Kinder nicht adäquat eingegangen wird, wenn die Anforderungen nicht der Leistungsfähigkeit angepasst werden, besteht die Gefahr, dass Langeweile auftritt, die Lernbereitschaft abnimmt und die Begabung verkümmert (vgl. ausführlicher im Kapitel »Charakteristika und Entwicklungslinien hochbegabter Kinder, Fehlentwicklung 1: Underachievement« S. 29).

Probleme können entstehen und sich ausweiten, wenn die Bedürfnisse Begabter nicht oder nicht rechtzeitig berücksichtigt werden. Begabte können zu Underachievern werden, die über gute Voraussetzungen verfügen, sie aber nicht in Leistung umsetzen. Fördermaßnahmen können helfen, Unterforderung zu vermeiden oder zu reduzieren und Probleme gar nicht entstehen zu lassen.

Wenn ein Kind in die Schule kommt und bereits Buchstaben und Wörter lesen und schreiben kann, wird seine Erwartung, jetzt etwas Neues zu lernen, enttäuscht werden, wenn diesem Kind – wie bei Schulanfängern üblich – das Lesen und Schreiben von Buchstaben vermittelt wird. Wenn sich Lehrkräfte in ihren Forderungen an der durchschnittlichen Lerngeschwindigkeit und Lernkapazität der Altersgruppe orientieren, werden sie den meisten Kindern in der Klasse damit auch gerecht, besonders leistungsschwachen und besonders leistungsstarken Schülern jedoch nicht.

Für diese Kinder kann sich das übliche Anforderungsniveau hemmend auf die Persönlichkeitsentwicklung auswirken und Schwierigkeiten im motivationalen, sozialen und kognitiven Bereich hervorrufen. Für alle Kinder gilt, dass die Lernangebote dann besonders förderlich sind, wenn sie sich am jeweiligen Niveau der Leistungs- möglichkeiten orientieren. Es ist wünschenswert, dass die Schule Katalysator in der Begabungsentwicklung ist und sie nicht bremst.

Wenn Begabungsförderung zielgerichtet durchgeführt werden soll, müssten zunächst die spezifischen Merkmale der Begabung diagnostiziert werden, sodass dem entsprechend die Fördervarianten, die die besten Effekte erwarten lassen, ausgewählt werden könnten. Dass das in der Praxis im Allgemeinen nicht so realisiert werden kann, hängt unter anderem damit zusammen, dass Angebote unzureichend zur Verfügung stehen und die Fördermaßnahmen nicht ausreichend evaluiert sind.

Die Durchführung wissenschaftlicher Untersuchungen zur Begabtenförderung und ihrer Effekte erweist sich als schwierig, z.B. müssen Versuchs- und Kontrollgruppen vorhanden sein, die Heterogenität von Fördermaßnahmen bezüglich ihrer Konzipierung und Durchführung erschwert die Vergleichbarkeit (Hany 1995). Wir wissen aber, dass Training, Übung, Beschäftigung mit dem Lerngegenstand Fortschritte in Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten bringt, wobei die Art und Weise der Instruktion und Übung für den Lernfortschritt von Bedeutung ist (Hany 1995).