Supply-Chain-Management und Warenwirtschaftssysteme im Handel

von: Joachim Hertel, Joachim Zentes, Hanna Schramm-Klein

Springer-Verlag, 2005

ISBN: 9783540276333 , 444 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 69,99 EUR

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Supply-Chain-Management und Warenwirtschaftssysteme im Handel


 

1 Grundlagen und Sourcing-Strategien im Handel (S. 1-2)

1.1 Gegenstand

Warenwirtschaftssysteme und Formen des Supply-Chain-Managements gibt es letztlich, seit Handel betrieben wird. Händler kauften stets Waren von Lieferanten (Herstellern oder Großhändlern) ein, lagerten sie und verkauften sie einschließlich distributiver Operationen. Insofern existierten schon immer eine Versorgungskette („Supply-Chain") und auch immer Warenwirtschaftssysteme, versteht man darunter Aufzeichnungen über Warenflüsse und -bestände oder auch nur einen „virtuellen Überblick".

Wenn man heute von Supply-Chain-Management und Warenwirtschaftssystemen spricht, dann wird darunter eine andere Qualität des Beobachtens, des Aufzeichnens, des Steuerns und auch eine andere Quantität der hierzu erforderlichen Informationen verstanden. Warenwirtschaftssysteme sind heute stets computergestützt oder IT-gestützt, um die komplexen logistischen und administrativen Operationen abzubilden und letztlich – bezogen auf übergeordnete Effektivitäts- und Effizienzziele – zu steuern. In Anlehnung an Hertel (1999, S. 4) wird ein Warenwirtschaftssystem als ein Modell aller Geschäftsprozesse eines Handelsunternehmens verstanden. Es besteht aus vier Ebenen, die jeweils Teilprozessmodelle bilden (siehe im Einzelnen hierzu Kapitel 3):

1. das Warenprozessmodell
2. das Dispositionsprozessmodell
3. das Abrechnungsprozessmodell
4. das Informations- und Planungsprozessmodell.

Auf der untersten Ebene ist das Warenwirtschaftssystem (WWS) ein Modell der Warenprozesse, also der physischen Warenflüsse: Die Warenprozesse, wie Entladen, Einlagern, Kommissionieren, Transportieren, werden dabei in einem IT-System abgebildet. Das Dispositionsprozessmodell stellt die zweite Ebene eines WWS dar. Dispositive Prozesse sind solche Prozesse, die nicht direkt mit der Ware zu tun haben, die aber durch Wa renprozesse ausgelöst werden oder die ihrerseits Warenprozesse auslösen, z.B. Warenbestellung, Auftragseingang, Rechnungseingang, Rechnungsprüfung, Rechnungsbeschreibung, Lieferscheinschreibung, Inventur usw.

Das Abrechnungsprozessmodell stellt die dritte Ebene eines WWS dar und bildet unter Verwendung von Einkaufs- und Verkaufspreisen und -konditionen die Vorgänge des Warenprozessmodells und des Dispositionsprozessmodells wertmäßig ab. In der vierten Ebene (Informations- und Planungsprozessmodell) werden alle Informationen über sämtliche Waren-, Dispositions- und Abrechnungsprozesse gesammelt und den Steuerungs-, Kontroll-, Optimierungs- und Planungsprozessen dieser Ebene zur Verfügung gestellt.

Diese umfassende Betrachtungsweise zeigt den engen Bezug der WWS zu den Fragen des Supply-Chain-Managements (SCM), d.h. dem Management der Versorgungskette, auf. So setzt das Warenprozessmodell unmittelbar an den operativen Aktivitäten der Vorstufe an, so das Entladen der vom Hersteller angelieferten Ware oder bereits die Abholung der Ware, die von den Herstellern an der Rampe ihrer Produktionsstätten oder ihrer Läger bereitgestellt wird. Das Dispositionsprozessmodell stellt eine direkte informatorisch-administrative Schnittstelle zur Vorstufe dar, sei es in Form konventioneller Warenbestellungen durch den Handel, die ggf. über Formen des Electronic Data Interchange (EDI) an die Lieferanten weiter geleitet werden, oder in Form moderner Dispositionsprozesse, bei denen der Hersteller auf der Grundlage bei ihm vorliegender Bestands- und Abverkaufsdaten seiner Handelskunden den Nachschub selbst steuert (Vendor- Managed Inventory, VMI).

Wenngleich das Abrechnungsprozessmodell primär handelsintern ausgerichtet ist, ist die informatorische, weniger die logistische, Verbindung zur Vorstufe evident. Die wertmäßige Abbildung der Warenströme greift auf Einkaufspreise und -konditionen (z.B. Skonti, Zahlungsziele u.Ä.) zu, die in moderner Form auf elektronischem Wege (elektronische Stammdaten) bereitgestellt werden, bspw. auf proprietären und branchenbezogenen Marktplätzen oder Portalen.

Das Informations- und Planungsprozessmodell knüpft ebenfalls an der Vorstufe an und liefert zugleich dieser Stufe erforderliche Marktinformationen, so für Formen des kollaborativen Category-Managements oder des kollaborativen Customer-Relationship-Managements, worauf in Kapitel 4 näher eingegangen wird.