Alexander der Grosse

von: Hans-Joachim Gehrke

Verlag C.H.Beck, 2013

ISBN: 9783406660306 , 110 Seiten

6. Auflage

Format: PDF, ePUB, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 7,49 EUR

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Alexander der Grosse


 

III. Der Eroberer Alexander


1. Griechenland und Balkan


In Makedonien agierte Alexander in jeder Hinsicht als der legitime Nachfolger. Er ließ den Vater mit großem Aufwand in Aigai, der alten Grablege der makedonischen Könige (beim heutigen Ort Vergina), bestatten und die Hintergründe der Ermordung untersuchen. Zwei Angehörige des alten Königshauses der Lynkesten aus Obermakedonien, die womöglich als Thronprätendenten angesehen werden konnten, wurden als angebliche Komplizen verurteilt und hingerichtet. Wohl nur wenig später ließ Alexander auch seinen Vetter Amyntas, als dessen Vormund Philipp seinerzeit die Herrschaft übernommen hatte, hinrichten. Und nach einer gewissen Zeit fiel auch sein Intimfeind, Attalos, in Kleinasien durch die Hand eines Meuchelmörders. Kaum war die Situation in Makedonien stabilisiert, zog der junge König, noch im Jahre 336, nach Griechenland, um sich in Thessalien als Archon der Thessaler und in Korinth als Hegemon des Korinthischen Bundes bestätigen zu lassen. Auch dort trat er das Erbe seines Vaters an.

Im Frühjahr 335 unternahm Alexander auf die Nachricht hin, Illyrer und die thrakischen Triballer planten einen Einfall in Makedonien, einen Feldzug in den Gebirgsregionen des mittleren Balkan. Er gelangte dabei bis an die Donau, die er sogar überschritt, wohl in demonstrativer Absicht. Es heißt auch, „Sehnsucht“ (pothos) habe ihn zum Flußübergang veranlaßt. Das Motiv begegnet hier zum ersten Mal und hat in der Geschichte Alexanders, wie wir später noch sehen werden, sehr häufig mit der Suche nach den Grenzen zu tun.

Nach dem Abschluß des Thrakienfeldzuges zog er nach Westen gegen die Illyrer. Man hat auch hier den Eindruck, daß es um die Einschüchterung der traditionellen Gegner ging, die erfahren sollten, daß der junge König mindestens so energisch war wie sein Vater. In schwierigstem Gelände besiegte er die Illyrer in einer großen Schlacht (Spätsommer 335). Wenig später erreichte ihn die Nachricht, daß die makedonische Herrschaft in Griechenland zusammenzubrechen drohte. Auf ein Gerücht hin, Alexander sei in Illyrien gefallen, hatten sich die Thebaner gegen ihre promakedonische Junta und die makedonische Besatzung auf ihrer Burg erhoben und alle Griechen zum Freiheitskampf aufgerufen. Der Appell fand große Resonanz, auch in Athen rüstete man sich zur Unterstützung, von Dareios III. trafen Gelder zur Unterstützung der Abfallbewegung ein. Als Alexander davon unterrichtet wurde, zog er in Eilmärschen so schnell nach Mittelgriechenland, wie niemand es für möglich gehalten hätte. Auf diese Weise konnte er die Thebaner isolieren und den Widerstand der anderen Griechen im Keim ersticken.

Es sind vor allem zwei Wesenszüge, die Alexanders Verhalten in seinen Anfängen als Herrscher kennzeichnen. Er wußte sehr genau um die Wirkung demonstrativ eingesetzter militärischer Macht und besaß einen Sinn für die kalte Logik der Machtpolitik. Darüber hinaus handelte er kompromißlos im Sinne dieses Wissens, ohne Rücksicht auf die Umstände und Bedenklichkeiten langer strategischer Planung. Das Schwierige, ja Unmögliche, in jedem Falle Unerwartete war gerade recht. Hierin liegt das Geheimnis seines Erfolges. Dazu gehörte aber auch die ausgeprägte und geradezu fraglose Loyalität seiner makedonischen Truppen, die schon in diesen ersten Monaten deutlich wurde. Er muß sie auf charismatische Weise an sich gefesselt haben.

Nach vergeblicher Aufforderung zur Übergabe der Stadt nahm er Theben im Sturm ein. Über 6000 Thebaner fielen, die übrigen wurden in die Sklaverei verkauft, die Stadt systematisch zerstört und ihr Territorium aufgeteilt. Nur das Haus des von Alexander bewunderten Dichters Pindar sowie die Heiligtümer blieben verschont (Herbst 335). An Theben wurde also ein Exempel statuiert, wie es in der Sprache der Macht eher euphemistisch heißt. Daß und wie dies geschah, zeigen die gerade herausgestellten Elemente des Denkens und Handelns: Die gnadenlose Logik der Überlegenheit führte zu exemplarischer Rücksichtslosigkeit gerade gegenüber denen, die sich widersetzten. Ihr Schicksal sollte ein Fanal der Einschüchterung sein.

Andererseits aber ließ der König diplomatische Rücksicht walten, wo es die politische Vernunft gebot. So sah er letztendlich darüber hinweg, daß die Athener nicht allein ostentativ mit den thebanischen Aufständischen sympathisiert hatten, sondern sich auch zu deren militärischer Unterstützung anschicken wollten. Athen wurde noch gebraucht. Nach wie vor verfügte es über eine bedeutende Flotte, auf die der König für den Perserkrieg angewiesen war. Vor allem aber war es, viel mehr noch als Theben, ein Ort mit besonderem Prestige. Dieses konnte gleichsam auf denjenigen, der es schonte und ehrte, übertragen werden; eine Leistung für Athen verlieh Ansehen in der ganzen griechischen Welt. Auch die übrigen Makedonenfeinde unter den griechischen Staaten wurden geschont. Der Korinthische Bund wurde noch einmal bekräftigt. Nachdem Alexander in nur einem Jahr bei den Illyrern, den Thrakern und nicht zuletzt den Griechen jeden Zweifel an seiner Entschlossenheit beseitigt und jede Hoffnung auf eine rasche Änderung der von Philipp geschaffenen Zustände zunichte gemacht hatte, wendete er sich seinem primären Ziel zu, dem Krieg gegen die Perser.

2. In Kleinasien


Der Feldzug begann im Frühjahr 334. Als Gouverneur für Europa (Strategos), also gleichsam als seinen Stellvertreter und Vizekönig, ließ Alexander den rund 65jährigen Antipatros zurück, den ältesten und loyalsten Gefährten seines Vaters, auf den auch er sich absolut verlassen konnte. Er selbst befehligte das Heer, und neben ihm war der wichtigste Kommandeur Parmenion, wenig jünger als Antipatros, auch er einer der treuesten Paladine Philipps II. Das Aufgebot umfaßte an Kampftruppen rund 37.500 Mann, 32.000 Infanteristen und 5.500 Kavalleristen. Beim Fußvolk bildeten 12.000 Makedonen den Kern, 9.000 Pezhetairen (in 6 Regimentern) und 3.000 Hypaspisten. Dazu kamen 7.000 Hopliten aus dem Aufgebot der griechischen Bundesgenossen sowie ebensoviele Söldner (mit verschiedener Bewaffnung, darunter auch kretische Bogenschützen). Die Balkanstämme (thrakische Odrysen und Triballer, Illyrer und Agrianen) waren mit insgesamt 6.000 Mann vertreten, die als Spezialeinheiten für den Fernkampf und leichtere Gefechte zur Verfügung standen (Speerkämpfer, Bogenschützen, Peltasten, d.h. Leichtbewaffnete).

Die Reiterei bestand aus 1.800 Makedonen, davon 1.200 Hetairenreiter (in 8 Schwadronen) und 600 Fernaufklärer (Prodromoi, in 4 Schwadronen). Die Thessaler stellten 1.200 Reiter, die griechischen Alliierten im Rahmen des Korinthischen Bundes 1.000. Abgerundet wurde die Kavallerie durch 600 Söldner und 900 Thraker und Paionen, die auch als Aufklärer fungierten. Dazu kamen Spezialeinheiten für Pionierarbeiten und Belagerungstechnik, für Stabsaufgaben (darunter die Abfassung der offiziellen Feldzugstagebücher, der Ephemeriden) und für geographische Vermessungen (die Bematisten) sowie ein entsprechend großer Troß. Es zogen aber auch Priester und Seher sowie Künstler und Wissenschaftler mit. Diese sollten das übliche Hofleben mit seiner Geselligkeit im Symposion auch während des Feldzuges sicherstellen. Einer der prominentesten Vertreter dieser mobilen Hofgesellschaft war der Historiker Kallisthenes, ein Verwandter des Aristoteles. Er sollte die Taten des Königs schon während der Expedition in der griechischen Welt bekanntmachen.

Die führenden Offiziere (nach Parmenion) bildeten zugleich die engste Umgebung des Königs, einige von ihnen mit dem Ehrentitel Somatophylax (Leibwächter). Am bedeutendsten waren Antigonos, ein älterer General, der die Bundesgenossen befehligte, Philotas, Parmenions Sohn, der Kommandeur der Hetairenreiterei, und Kleitos, Chef der Königsschwadron, der ranghöchsten Einheit dieser Truppe. Viele der Führungskräfte waren enge persönliche Freunde Alexanders und hatten mit ihm gemeinsam ihre Erziehung und Ausbildung genossen, Leute wie Hephaistion, Ptolemaios und Harpalos, der Verwalter der Kriegskasse. Das Heer war insgesamt nicht übermäßig groß, aber als Truppe durchaus schlagkräftig und größtenteils kampferfahren. Seine Versorgung war nicht unproblematisch. Die Achillesferse lag im Bereich der Seestreitkräfte. Da die Makedonen noch über keine Marine verfügten, bildeten die ca. 160 Trieren der griechischen Verbündeten (hauptsächlich von Athen gestellt) die Flotte Alexanders. Das bedeutete angesichts der Unbeliebtheit der makedonischen Dominanz eine Belastung: Die Perser hatten nicht geringe Chancen, in der Ägäis erfolgreich mit ihrer Marine zu operieren und den Krieg – im Zeichen der Freiheit von der makedonischen Unterdrückung – nach Griechenland hineinzutragen.

Den Übergang nach Asien am Hellespont und den Beginn des Feldzuges hat Alexander in höchst signifikanter Weise mit symbolischen und rituellen Handlungen markiert. Die Semantik dieser Gesten verrät sehr viel über die propagierte Zielsetzung des Krieges und zugleich über Alexanders Motive. Er ließ deutliche Bezüge zum Kampf um Troja und zu dem...