Frühgriechische Bilder und die Entstehung der Klassik

Frühgriechische Bilder und die Entstehung der Klassik

von: Cornelis Bol

Herbert Utz Verlag , 2005

ISBN: 9783831604579 , 543 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: DRM

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Preis: 42,99 EUR

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    Im Rausch der Sinne
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    Im wilden Meer der Leidenschaft
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    Mein Herz will zurück zu dir
    Männlich, zärtlich - unwiderstehlich
    Sag nichts, küss mich!
    Zum Heiraten verführt

     

     

     

     

 

Mehr zum Inhalt

Frühgriechische Bilder und die Entstehung der Klassik


 

6) Die Erzählweise frühgriechischer Bilder (S. 352-353)

Wir werden uns in diesem Kapitel der Einbeziehung des erarbeiteten Entwurfs in die Überlegungen zur Erzählweise der Bilder (der Überführung der Ereignisfolge einer Erzählung in Bilder) widmen. Auch die Entwicklung der Erzählweise wirft Fragen auf, wie sie ähnlich bereits in den beiden vorangegangenen Kapiteln erörtert wurden. Die spätere „klassische" Erzählweise kommt unseren Vorstellungen von einer realistischen Bildkonzeption entgegen, während wir die frühe Darstellungsform für unwirklich befinden. Auch hier muß die Kernfrage wieder lauten: Ist es möglich, daß die frühen Bildkonzeptionen (aufgrund einer anderen Wahrnehmungsweise des Zeitgenossen) als realistische Repräsentationen angesehen wurden, oder handelt es sich hierbei um (was die Realitätsnähe anbelangt) inferiore Bildsysteme?

Wenn es sich um inferiore Bildsysteme handelt: Wie ist man überhaupt zu solch unrealistischen Bildlösungen gelangt, wenn doch jeder sehen konnte, daß sie unrealistisch sind? Und wenn es sich nicht um inferiore Systeme handelt: Wie ist dann die Entwicklung zu den klassischen Bildlösungen zu erklären? Eine kurze Durchsicht der Denkmäler wird uns im folgenden immer wieder als Folie dienen, vor der wir die Ergebnisse der Forschungsgeschichte (die zum Teil zu einer anderen Einordnung der Phänomene gelangt) kritisch hinterfragen werden. Grundsätzlich sehen wir im Übergang zur Klassik die Tendenz zur verstärkten zeitlichen Koordination der Bildelemente. Ferner läßt sich eine Abnahme der Drastik der Formulierungen beobachten, das archaische Bild fokussierte auf die wichtigsten Taten der Figuren.

Dagegen kann das klassische Bild den erschöpften Herakles zeigen (Abb. 56/S. 369 (nicht in der Leseprobe vorhanden) ), also einen Moment wiedergeben, der für den Verlauf des Abenteuers völlig irrelevant ist. Das frühgriechische Bild ist grundsätzlich in der Lage, alle wichtigen Ereignisse zusammenzustellen, die in einem bestimmten Kontext oder einer Erzählung stattfinden. Das geometrische Bild entzieht sich dem Verständnis des modernen Betrachters besonders weitgehend. Wenn etwa in einem Zweikampf sich die Gegner wechselseitig an den Helm greifen (Abb. 51/S. 359 (nicht in der Leseprobe vorhanden) ), dann ist damit das Ziel ihres Kampfes, der Sieg und der anschließende Raub der Waffen gemeint. Gewinnen können aber nicht Beide.

Die Darstellung zeigt mithin nicht eine tatsächlich stattfindende Handlung, sondern das Ziel der Aktion, ohne damit eine Aussage zu treffen, ob es auch wirklich erreicht wird. Dem geometrischen Betrachter ist dieses Ziel der Tätigkeit derart gegenwärtig, daß es in die Aktivität der Figuren eingehen kann. Ohne weiteres werden „rein" gedankliche Assoziationen in die Realität eingeschrieben. Damit zeigt sich bereits an dieser Stelle die paßgenaue Einfügung der Beobachtungen zur frühgriechischen Erzählweise in die Egozentrismuskonzeption Piagets, deren Kernelement die „Deformation der Wirklichkeit in Funktion … des eigenen Gesichtspunkts", also einer Verortung subjektiver Wahrnehmungen und Vorstellungen in der Außenwelt ist.

Um ein „gutes" Bild dieses Wirklichkeitserlebens zu erstellen, muß der Vasenmaler diese subjektiven Wahrnehmungen ebenfalls direkt in die Darstellung eintragen. Das archaische Bildsystem ermöglicht wie das geometrische die Kombination ungleichzeitiger Ereignisse in einem Bild (bezieht sich dabei aber auf spezifische, schriftlich oder mündlich tradierte Erzählungen). Auch hierin sehen wir die für die ontologische Wirklichkeitskonzeption typische Durchdringung der Wirklichkeitsorganisation des Bildsystems durch Strukturen, die der Kognition entspringen: Eine Ereignisfolge wird erst durch den Dichter und sein Publikum als Erzählung organisiert: Erst durch die Konzeption einer Ereignisfolge als in sich abgeschlossene Einheit erhält jedes Ereignis seine ihm zukommende Bedeutung.