Laufbahnentwicklung und -beratung

von: Rosina M. Gasteiger

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2013

ISBN: 9783840920868 , 138 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 23,99 EUR

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Laufbahnentwicklung und -beratung


 

Unter Coaching versteht man die systematische, fokussierte Förderung von Einzelpersonen oder Gruppen, die darauf ausgerichtet ist, diese dabei zu unterstützen, ihre individuell gesteckten Ziele selbstständig besser zu erreichen und sich weiterzuentwickeln .

Ein Überblick über verschiedene Begriffsbestimmungen findet sich bei Rauen (2005, 2008) . Coaching wird häufig im Wesentlichen als Beratung definiert . Sowohl im Coachingals auch im Beratungsprozess geht es im Grunde darum, zukunftsorientiert bestimmte Ziele und Lösungswege zu entwickeln und umzusetzen . Dabei werden die jeweiligen Zielsetzungen und Lösungsansätze – ebenso wie in der prozessorientierten Beratung – durch den Coachee, d . h . den Klienten, erarbeitet . Coaching kann insbesondere dann hilfreich sein, wenn eine Person der Ansicht ist, dass sie ihr individuelles Potenzial stärker ausschöpfen möchte . Die Rolle des Coaches ist die eines vertrauensvollen Sparringspartners, der den Coachee unterstützt, seine individuellen Lösungswege zu entdecken (vgl . Kapitel 2 .2 .7) . Der Coach trägt die Verantwortung für den Prozess der Lösungsfindung, den er nach methodischen Gesichtspunkten gestaltet . Er hilft dem Coachee seine konkrete Situation zu reflektieren, eröffnet neue Sichtweisen und gibt Impulse sowie konstruktives Feedback . Bei Bedarf unterstützt er den Coachee bei der Aneignung von Verhaltensweisen, die sein Handlungsrepertoire im Hinblick auf die Zielerreichung sinnvoll erweitern . Dies erfordert seitens des Coachees die Bereitschaft, gewohnte Denkund Verhaltensmuster zu hinterfragen und zu ändern . Der Coachee ist „Experte seiner selbst“ und als solcher für die ins Coaching eingebrachten Inhalte verantwortlich . Professionell arbeitende Coaches – ebenso wie Laufbahnberater (vgl . Kapitel 3) – gewährleisten zu jedem Zeitpunkt im Beratungsprozess, dass die von ihnen gewählten Methoden transparent sind . Im Unterschied zu Coaches stellen Laufbahnberater zusätzlich zu ihrer Expertise als Prozessgestalter bei Bedarf auch inhaltliches Know-how zur Verfügung (vgl . Kapitel 4 .3) .

1.3 Bedeutung für das Personalmanagement und betrieblicher Nutzen

Der Erfolg von Organisationen hängt wesentlich von der Leistungsfähigkeit und -bereitschaft ihrer Mitarbeiter ab . Aufgabe des Personalmanagements ist es, sicherzustellen, dass personelle Ressourcen stets optimal im Sinn der Unternehmensziele eingesetzt werden . Flachere Hierarchien und damit begrenzte Aufstiegsmöglichkeiten wie auch der demografische Wandel stellen das Personalmanagement vor die Aufgabe, zeitgemäße Laufbahnmodelle zu etablieren, um Mitarbeiter zu motivieren und ihr Engagement für die Ziele der Organisation nachhaltig zu stärken . Organisationen profitieren sowohl von der Auseinandersetzung mit flexibleren Laufbahnmodellen und bei Bedarf von einer entsprechenden strategisch-strukturellen Neuausrichtung als auch von Beratungsleistungen im Kontext der Laufbahnentwicklung ihrer Mitarbeiter .

In einer Studie zur betrieblichen Karriereplanung von Friedli (2002) gab knapp die Hälfte der befragten Unternehmensvertreter an, über Laufbahnmodelle zu verfügen, die individuell angepasst und ausgestaltet werden können . Rund ein Viertel der Befragten hatte für das gesamte Unternehmen oder einzelne Funktionsbereiche standardisierte Laufbahnmodelle eingeführt . Der Fokus lag dabei überwiegend auf hierarchischem Aufstieg (d . h . der klassischen „Kaminkarriere“) . Die Möglichkeit, neben einer Führungslaufbahn eine Fachoder Projektlaufbahn einzuschlagen, war dagegen nur bei wenigen Unternehmen gegeben . Die Transparenz der jeweiligen Laufbahnmodelle schätzten die befragten Personalleiter verhältnismäßig niedrig ein . Nur rund 13 Prozent bewerteten die Informationen, die den Mitarbeitern zu Entwicklungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, als ausreichend . In der Praxis ist es durchaus gängig, dass Mitarbeiter keine genaueren Informationen darüber erhalten, ob sie aus Sicht der Organisation dem „Talentpool“ angehören bzw . inwieweit sie für weitere Entwicklungsschritte und bestimmte Positionen in Betracht gezogen werden . Hintergrund für die mangelnde Transparenz mag u . a . die Schwierigkeit sein, angesichts der raschen Veränderungen von Unternehmensstrategien, -strukturen und Jobanforderungen realistische Nachfolgepläne zu erstellen, die längerfristig Bestand haben . Zudem wechseln potenzielle Nachfolger häufiger ihren Arbeitgeber (vgl . Cappelli, 2008) . Auch will man oftmals vermeiden, bei nominierten Nachfolgern bestimmte Erwartungen zu wecken, die möglicherweise nicht erfüllt werden können (z . B . wenn es mehrere Kandidaten gibt) . Des Weiteren ist bei der zeitnahen Besetzung von Stellen meist ein hohes Maß an Flexibilität gefordert . Bei Neubesetzungen kommen häufig diejenigen zum Zuge, die gerade „zur Stelle“ und einsatzbereit sind . Die Komplexität der im konkreten Fall zu berücksichtigenden Variablen macht eine längerfristige Planung in der Realität oftmals nur mehr bedingt möglich .

Im Zuge der Etablierung von Talent Management-Prozessen investieren zahlreiche Organisationen in (webbasierte) Software . Diese erleichtert zum einen Mitarbeitern den Zugriff auf den internen Stellenmarkt und ermöglicht zum anderen das Erfassen von individuellen Variablen (wie z . B . Ausund Weiterbildungsdaten, berufliche Erfahrungen, Leistungsbeurteilungen und die Bereitschaft, jobbedingt umzuziehen) auf Basis derer Nachfolgeplanung betrieben werden kann . Der Wert der damit gewonnenen Informationen wird in der Praxis derzeit allerdings meist bei weitem nicht ausgeschöpft . Transparenz über Vakanzen zu schaffen, ist nur ein Baustein, um Fachund Führungskräfte längerfristig an die Organisation zu binden . Vielmehr bedarf es klarer Kompetenzprofile, Hinweise zu beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten und entsprechender Lernangebote . Führungskräfte und Mitarbeiter benötigen Orientierungspunkte, um die individuelle Laufbahn proaktiv planen und gestalten zu können . Entscheidend dabei ist, realistische Perspektiven zu schaffen und sowohl unternehmerische Anforderungen als auch individuelle Bedürfnisse adäquat zu berücksichtigen . Hierin liegt eine große Herausforderung für Organisationen und zugleich eine Chance, Mitarbeiter nachhaltig zu größerer Leistung anzuspornen .

Die betriebliche Laufbahnplanung ist ein essenzieller Bestandteil des strategischen Personalmanagements und weist vielfältige Schnittstellen zu anderen personalwirtschaftlichen Funktionen (wie z . B . zur Personalentwicklung) und Instrumenten (z .B . Mitarbeitergespräch) auf . Ein in der Praxis verbreiteter Ansatz beinhaltet die Einschätzung von Mitarbeitern, z . B . im Rahmen von jährlichen Mitarbeitergesprächen, in Bezug auf ihre Leistung und ihr Potenzial (jeweils hoch, mittel oder niedrig) in einer Neun-FelderMatrix . Die Einordnung in der Matrix wird u . a . als Grundlage für gezielte Qualifizierungsmaßnahmen herangezogen . Ziel der betrieblichen Laufbahnund Nachfolgeplanung ist es, den beruflichen Werdegang von Mitarbeitern zu antizipieren und bedarfsgerecht, d . h . orientiert an den Zielen der Organisation, zu gestalten . Der Unterschied hierbei liegt im jeweiligen Ansatzpunkt: Während die Nachfolgeplanung (succession planning) von der Bedarfssituation der Organisation (z . B . künftig zu besetzenden Stellen) ausgeht, setzt die Laufbahnplanung (career pathing) an den Fähigkeiten, Potenzialen und Zielen der Mitarbeiter an .

Zukunftsfähige Laufbahnmodelle tragen dem Umstand Rechnung, dass flachere Hierarchien auch mit verringerten vertikalen Aufstiegsmöglichkeiten einhergehen . Einerseits ist gerade die Aussicht auf einen hierarchischen Aufstieg für viele Mitarbeiter Ansporn zur Leistungserbringung . Andererseits strebt nicht jeder Experte eine Führungslaufbahn an (vgl . Werle, 2012) . Um einem Motivationsverlust aufgrund fehlender Perspektiven entgegenzuwirken und leistungsfähige Mitarbeiter an die Organisation zu binden, bedarf es flexibler Laufbahnmodelle, die differenzierter auf die Bedürfnisse und Ambitionen der Mitarbeiter eingehen ohne dabei ökonomische Aspekt auszublenden (vgl . Kapitel 5 .5) . Berufliche Entwicklungsperspektiven stellen sowohl einen Attraktivitätsfaktor für potenzielle Arbeitnehmer als auch einen Anreiz für Mitarbeiter dar, längerfristig in der Organisation zu verbleiben .

Die Anforderungen, die gut ausgebildete Erwerbstätige an Arbeitgeber stellen, haben sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt (vgl . Kirchgeorg & Günther, 2006) . Verallgemeinernd gesprochen möchten Vertreter der „Generation Y“, d . h . die zwischen 1980 und 1990 Geborenen, vorrangig einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen, die ihnen Gestaltungsspielräume, Entwicklungsperspektiven sowie eine Balance zwischen Arbeit und Freizeit ermöglicht (vgl . Werle, 2012) .