Scadenweld - Grössenwahn

Scadenweld - Grössenwahn

von: Fabienne Gchwind

GTC Informatik GmbH, 2010

ISBN: 9783905793994 , 197 Seiten

Format: PDF, ePUB, OL

Kopierschutz: DRM

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Preis: 2,49 EUR

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Scadenweld - Grössenwahn


 

Kapitel 15 (S. 74-75)

Arm in Arm schlenderten Lucy und Mark den Gang zur Markthalle hinunter. Die grosse Markthalle war heute zum Festsaal umfunktioniert worden: es war Kreuzwende-Fest. Der astronomische Zeitpunkt, an dem die helle Sonne die Bahn der dunkeln Sonne kreuzte, läutete auf der Scadenweld gleichzeitig ein neues Jahr ein. Das bezaubernde Schauspiel am Himmel zog jedes Mal Tausende von Yolstaler an. Doch die würden dieses Jahr nicht viel davon mitbekommen – es regnete kräftig.

Das Kreuzwende-Fest war auch der nationale Feiertag der Scadenweld gewesen und ging bis in archaische Urzeiten zurück. Bevor die Dimensionsbarrieren geöffnet wurden, wurde dieses Fest kaum noch gefeiert, man hatte es schon fast vergessen. Doch als die Scadenweld vereinigt war, hatte man das Kreuzwende-Fest wieder zum nationalen Feiertag ausgerufen und die alten Bräuche und Traditionen aufleben lassen. Das Fest stand ganz im Zeichen der elementaren Macht der Sonne. An diesem Tag trug man keine Rüstungen oder Waffen, dafür wurden die Kleider in allen Schattierungen von gelb bis rot gehalten. Mark zog Lucy am Arm und kletterte mit ihr die Treppe zu den Galerien der Markthalle hinauf. Er hatte ihr versprochen, ihr zuerst die verschiedenen Personen der ranghohen Schicht von weitem zu zeigen. Doch von den Erinnerungen der Grosskönigin her kannte Lucy jeden. Mark hatte trotzdem darauf bestanden: es würde so viel authentischer wirken.

Die Galerien, wo sonst Marktstände aufgestellt waren, zogen sich über zwölf Stockwerke um die Halle. Im dritten Stockwerk traten die beiden Menschen an die Balustrade und schauten nach unten. Zur Feier des Tages war die Halle nicht mit diffusen Leuchtkristallen beleuchtet. Man hatte den Wänden entlang grosse Fackeln aufgestellt, die die grosse Halle in ein feuriges Inferno tauchten. Auch dies entstammte den Urzeiten, wo die Scadenwelder grosse Wiesen oder Höhlen mit einem Ring aus Feuer versahen und in der Mitte feierten. Mark zupfte an seiner roten Tunika und achtete darauf, dass die eingestickten Sonnenmotive direkt über seiner Brust lagen, dann deutete er nach unten. «Schau, das ist der König von Karzak, siehst du, er steht dort in der Gruppe beim Meroxkönig und diskutiert gerade mit dieser Frau im weiten gelben Kleid.» Lucy kniff die Augen zusammen und folgte Marks Blick.

Schnell erkannte sie die graue, steinerne Gesichtsfarbe des Meroxkönigs, der gleich neben dem Musikerpodest stand. Die Frau im gelben Kleid war Arzet, die beste Freundin der Grosskönigin. Die Musiker spielten eine Ballade, die aus der Zeit stammte, wo in der Scadenweld eine friedliche Demokratie herrschte. Musik war in der Scadenweld immer etwas problematisch: was die eine Spezies als himmlische Töne bewunderte, wurde von anderen, wegen ihrer anders geformten Ohren, als grausames Gejaule empfunden. Doch um die Bedürfnisse aller zu stillen, hatte man Instrumente entwickelt, die dem Grossteil der Spezies entsprachen. Das Orchester, das auf dem kreisrunden Podest in der Mitte der Halle stand, war eine solche Formation.

Die Musiker waren in vier grossen Ringen formiert. Die zwei äusseren schauten zum Publikum und drehten den Rücken zum Kreisinnern. Der äusserste Ring bestand aus Melodie-Instrumenten. Hier gab es vor allem Flöten und gitarrenähnliche Instrumente, aber auch eine Wasserorgel, und mehrere Xylophone. Der zweite Ring bestand aus den Begleitinstrumenten, die grösser und tiefer spielten. Die Wasserorgel, die beide Ringe überspannte, schien ein Zwischending zu sein.